Nachhaltige und dezentrale Energieversorgung im Zeitalter der Energiewende und des Klimawandels

A) Wir leben 2012 mitten in einem neuen Jahrzehnt:
Arabischer Frühling, Israel/Iran Katastrophe in Japan Staatsverschuldung, Schuldenbremse
Demographie, Urbanisierung Aufstieg Schwellenländer BRICS Finanzkrise, Zinsen, Inflation
B) Wir Menschen müssen den Klimawandel bremsen:
Die Weltbevölkerung wächst von 2010 bis 2050 um 35% auf 9 Mrd, dann stagniert sie und nimmt tendenziell wieder leicht ab.·
Steigender Energieverbrauch pro Kopf der Weltbevölkerung, der Energieverbrauch wächst bis 2030 um 45%.·
Die Ölreserven gehen zurück – Ölpreise steigen, der Großteil der· fossilen Energieträger wird aus Regionen mit politischen Instabilitäten importiert.
Neue Gas-Gesteinsvorkommen in den USA können durch neue Verfahren· gehoben werden und lassen Nordamerika zum Gas-Selbstversorger werden. Gaspreis bleibt stabil.
Das Problem der Klimaerwärmung ist nachgewiesen und politisch anerkannt.·
Wir erleben einen signifikanten Anstieg der Treibhausgase auf Grund der starken Nutzung fossiler Brennstoffe, insbesondere auch noch in den BRICS Ländern. Daher haben sich die Staaten auf den Klimakonferenzen darauf verständigt, bis 2050 80% weniger CO2 auszustoßen als 1990. Dann steigt die weltweite durchschnittliche Temperatur nur um 2 °C an, d.h. zwar schmilzt der Nordpol ab, der Meeresspiegel bleibt aber. Wenn der 400m dicke Grönland-Gletscher abschmelzen würde, stiege der Meeresspiegel um 8 m = Holland, Bangladesch und einige Küstenstädte in den USA wären unter Wasser. Ein Absinken der Temperatur wäre durch Vulkanausbrüche (Verdunkelung der Sonne) und Golf-Strom-Veränderungen (Grund für die letzte Eiszeit von 10 000 Jahren) möglich. Realistisch bis 2050 ist ein Anstieg um 0,6 – 2 m wahrscheinlich. Kosten laut IEA: es müssen ca. 45 Billionen USD investiert werden. (Quellen: UN, International Energy Agency (IEA), EIA, Goldman Sachs)
Zwingende Konsequenzen:
a) Aus Nachfrage-, Umwelt- und Sicherheitsgründen und unabhängig von den Kosten haben sich führende Industrienationen entschieden, Erneuerbarer Energien zwingend einzuführen (s.u.)
b) verstärkter Emissionshandel = Marktpreis für CO2 mit europaweitem Quotensystem: dies ermöglicht es allen, effiziente, günstige und innovative Möglichkeiten des Klimaschutzes zu suchen statt einzelne Technologien außerhalb von Markt und Wettbewerb zu fördern.
c) Grundsätzlich ist die Begrünung von Oberflächen zu begünstigen und das Zubetonieren der Landschaft zu vermeiden (Vermehrung der Photosynthese).
C) Wir müssen die Energiewende umsetzen: Der Umbau der Energieversorgung von fossilen Energieträgern zu Energiesystemen mit minimalem CO2-Ausstoß ist zwingend und politischer Konsens. Nur die Umsetzung ist noch nicht gesichert.
Die gute Nachricht: der erneuerbare Strom wird billiger.
Aufgrund von Skalierungseffekten gehen die Kosten für Erneuerbare Energien zurück und erreichen auf absehbare Zeit „grid-parity“ (Netz=Marktpreisniveau): aus PV von 33c/kwh auf 22c bis 2015, aus Geothermie von 28c/kwh auf 21c, aus Off-shore Windparks von 15c/kwh auf 14c und aus On-shore Windparks von 18c/kwh auf 6c.
Der Anteil der Erneuerbaren Energien steigt in D von 17% 2009 auf ca 25-30% in 2020. Für alle EU-Länder gilt die Richtlinie bis 2020 20%, dies soll noch weiter angehoben werden auf 30%, aber einzelne Länder wie Polen (heute 100% Kohle) wehren sich. Lösung: Europaweit wird frei durchleitbarer erneuerbarer Strom gehandelt, der entweder selber produziert oder gekauft wird.
Prinzipielle Maßnahme: Einführung eines europaweiten Quotensystems für erneuerbaren Strom, d.h. jeder Versorger und Staat ist verpflichtet, seinen Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien entweder selber zu produzieren oder zu kaufen. Dies ist dauerhaft besser als Einspeisesysteme und Abnahmegarantien a la EEG, die zwar anfangs für den Aufbau der Erneuerbaren und Umwelt-Industrie als Anschub hilfreich waren, die aber zu übermäßiger Subvention und Fehleinsatz von Ressourcen führen durch die Eingriffe in den Preis-/Angebotsmechanismus und die den unbegrenzten Absatz kostenungünstiger Technologien nicht vermeiden können.
Anwendung des Günstigkeits-Prinzips: Wind im Norden, Sonne im Süden
Die Herstellung sollte selbstverständlich dort erfolgen, wo kräftiger Wind weht (Nordeuropa, auf See) und die Sonne scheint (Südeuropa, E 2000h/p.a., D 800h/p.a., Nordafrika). Aber nicht die Herstellung von Strom ist das Problem, sondern der Netzanschluß von Off-shore Windparks, Übertragung an Land, Transport und Speicherung, lange Genehmigungszeiten.
Zwischen Irland, Schottland, Norwegen bis Italien, Griechenland und Portugal muß ein europaweites Offshore-Onshore-Netz von Gleichstrom-Übertragungsleitungen (Verluste wenige % auf 1000 Km) geschaffen werden und die Speicherung kann bis 2030 vor allem durch das Speichermedium Methan (Umwandlung von H in Gas=flüssigem Wasserstoff) erfolgen. Derzeit haben wir EU-weit eine Ölreserve von 120 Tagen, von Gas für 30 Tage und von Strom für 24 Minuten. Die Genehmigungsverfahren müssen auf 3 Jahre verkürzt werden, dafür braucht es Forstbeamte, Landschaftsplaner und Gerichtskapazitäten, denn die Betroffenen müssen eingebunden und „mitgenommen“ werden.
Entwicklung, Aufbau und Handel mit den angrenzenden Mittelmeerstaaten zum beiderseitigen Nutzen:
Mit den angrenzenden Mittelmeerstaaten müssen gegenseitig nutzbringende Versorgungs- und Aufbauvereinbarungen getroffen werden: zum Öl- und Gassparen, zum Aufbau einer eigenen Wirtschaft und zur Energieversorgung: es ist besser mit den angrenzenden Mittelmeerstaaten eine gesunde Handels-, Wirtschafts- und Energietransportinfrastruktur zu Europa aufzubauen, als auf dem Mittelmeer Flüchtlingsboote zurückzuschicken und die Grenzen abriegeln zu müssen!
Auflösung eines Investitionsstaus: eine Finanzierung über Kapitalanlagen der Versicherer ist besser als weitere regulatorische Umlagen auf die Verbraucher.
Die Schuldenbremse in Europa ist beschlossen, die Regierungen müssen ihre Haushalte sanieren und Schulden abbauen. Die Erneuerung der Verkehrswege und der Energieversorgung wird die EU-Staaten in den nächsten 10 Jahren mindestens 700 Mia EUR kosten. Die Lebensversicherer und Pensionsfonds (1280 Mia Kapitalanlagen in D) könnten die Energiewende finanzieren, wenn die ab 2013 geltenden neuen Eigenkapitalvorschriften für Versicherer (Solvency II) das zu unterlegende Eigenkapital so differenziert betrachten würde, dass Anlagen in Hedgefonds, Private Equity und andere unternehmerische Beteiligungen anders behandelt werden (z.B. Unterlegung mit 49%) als Infrastrukturinvestitionen in die Energieversorgung (z.B. 25%).
Solche Fehllenkungen durch staatliche Regularien sind zu verhindern: so wurden z.B. griechische Staatsanleihen bis jetzt mit 0% EK unterlegt, eine krasse Fehllenkung durch Regularien. Weitere Umlagen a la EEG auf den privaten Stromverbraucher gehen auf keinen Fall mehr. Entlastungen der großverbrauchenden Industrie durch Beihilfen und Ausnahmen sind in Brüssel genehmigungspflichtig. Sehr investitionsfeindlich sind auch lange Genehmigungszeiten und dauernde regulatorische Änderungen, z.B. hat die spanische Regierung 2010 beschlossen, die Bedingungen für Einspeisung von Solarstrom rückwirkend (!) zu ändern. Solche politischen Eigentore müssen verfassungsrechtlich überprüft und EU-weit verhindert werden, denn sonst investiert niemand mehr in die regenerative Energieversorgung.
Prinzipiell: Wenn schon staatliche Eingriffe, dann nur zur Anschubförderung, keine dauernden fehlgeleiteten Ressourcen und langen Genehmigungswege.
Individuelle Maßnahmen: große Einsparpotenziale beim Wärme-/Stromverbrauch bieten
a) Wärme: Dämmung von freistehenden Häusern, smarte Steuerung des Verbrauchs, Energieeffizienz durch smart grid-Steuerung
b) Strom: Kraft-Wärme-Kopplung, Wärme und Strom direkt vor Ort selber herstellen (Ziel 100% Energie-Haus), Micro-BHKW-Geräte plus PV-Anlage
c) Mobilität: elektrische Motorroller und Autos mit intelligentem car-sharing und Ladestationen
Kommunale Konzepte (3 Grundpfeiler kommunaler Planungen):
a) Wärme: Dämmung mit Augenmaß, Aufwand/Nutzen der ökologischen Gesamtbilanz beachten, intelligent und dezentral produzieren mit Kraft-Wärme-Kopplung
b) Strom: Sparen & Speichern, dezentral produzieren (große KWK-Anlagen), nachhaltig ökologisch, intelligent verteilen, Ladestationen, Vernetzung über ein „Smart Grid“
c) Mobilität: in urbanen Gebieten den ÖPNV transparent und effizient gestalten, integrierte Planung des ÖPNV, Einführung von übergreifenden, regionalen Tickets. Auf dem Lande E-Mobilität durch intelligentes Netz von Auflade Stationen und car-sharing Konzepte fördern, wenn Verbrennungsmotoren kleinere Fahrzeuge.
Regionale Konzepte:
a) Zusammenschluß mehrerer städtischer oder regionaler Energieversorger (Stadtwerke) zu Selbstversorgungsunternehmen (SVU) zur dezentralen Herstellung, regionalen Verteilung und regionalem Verkauf von Wärme/Strom aus großen KWK-Anlagen und erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen
b) Finanzierung dieser regionalen Selbstversorgungsunternehmen (SVU) durch private, öffentliche und industrielle Anleger (=Verbraucher), Kommunen, Sparkassen, Genossenschaften nach genossenschaftlichen Prinzipien, d.h. nach dem Selbstversorgungsprinzip im Gemeinwohlinteresse

Zusammenfassung:
Wir Menschen in Deutschland, Europa und in der Welt stehen vor gewaltigen wirtschaftlichen, ökologischen und kulturellen Herausforderungen. Ein wichtiges Element bei deren Lösung ist eine nachhaltige Energieversorgung, die allen Menschen Zugang zu bezahlbarer und sicherer Energie garantiert, ohne den Planeten über Gebühr zu strapazieren. Nur dadurch können wir eine wirtschaftliche Ordnung und Frieden schaffen, die allen Menschen Wohlstand ermöglicht, viele der großen Umwelt- und machtpolitische Probleme in den Griff bekommen, größere politische Spannungen vermeiden und kulturelle Werte erhalten.

Über Werhahn Stephan 1 Artikel
Stephan Werhahn, geb. 1953, studierte Rechtswissenschaften in Göttingen, Bonn und Genf, ebenfalls Geschichte und Politik. Er ist Gesellschafter der Wilh. Werhahn KG, Neuss am Rhein. Werhahn ist einer der Urenkel von Alt-Bundeskanzler Konrad Adenauer und war über 40 Jahre Mitglied der CDU.

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