Nach mehr als 50 Jahren endet die Herrschaft des Hauses Assad

Syrien, Krieg, Flüchtlinge, Quelle: Alexas_Fotos, Pixabay License, Freie kommerzielle Nutzung, Kein Bildnachweis nötig

„Nach mehr als 50 Jahren endet die Herrschaft des Hauses Assad. Das ist ein Grund zum Feiern. Syrien steht jedoch vor großen Herausforderungen.

Der Sturz des Assad-Regimes erfolgte ebenso unvermittelt wie schnell. Die politische Neuordnung Syriens wird nach über 13 Jahren Bürgerkrieg und angesichts eines komplexen regionalen Umfelds jedoch nicht einfach. Eine heterogene Allianz teils dschihadistischer Rebellen muss den politischen Übergang gestalten und dabei die relevanten Stakeholder einbinden. Die Aufbruchsstimmung im Land ist groß, mischt sich jedoch mit Sorgen vor Racheakten und neuen Konflikten.

Ein Regime bricht zusammen

Gerüchte über eine bevorstehende Rebellenoffensive in der Region um Aleppo, der zweitgrößten Stadt Syriens, gab es in den vergangenen Wochen immer wieder. Als der Angriff dann am 27. November startet, entwickelte sich eine Dynamik, die sowohl die Angreifer wie auch das Regime und seine Verbündeten überraschte. Binnen weniger Tage war der Norden Syriens unter Kontrolle der Aufständischen und diese führten ihren Vorstoß weiter in Richtung der strategisch wichtigen Städte Hama und Homs fort. Gleichzeitig griffen auch im Süden des Landes Aufständische zu den Waffen und aus dem Nordosten gingen kurdische Rebellen in die Offensive. Das Regime indes erwies sich als unfähig, eine effektive Verteidigung gegen die Angriffe aufzubauen. Auch die Verbündeten Assads, Russland, Iran und Hisbollah, waren nicht in der Lage, diesen zu retten.

Der Sturz des Assad-Regimes ist nach über 50 Jahren Herrschaft über Syrien eine enorme Chance für das Land und auch so etwas wie historische Gerechtigkeit: Von den über 500.000 Toten, die der Bürgerkrieg seit 2011 gefordert hat, gehen die meisten auf das Konto des Regimes, das auch nicht davor zurückschreckte, Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen und Städte, die unter Kontrolle von Oppositionellen standen, mit Fassbomben anzugreifen. Bereits Assads Vater und Vorgänger im Präsidentenamt, Hafez al Assad, hatte Massaker gegen Aufständische, wie etwa 1982 in der Stadt Hama, als Mittel zum eigenen Machterhalt genutzt. Die Sicherheitsdienste und Foltergefängnisse des Regimes waren berüchtigt. Hundertausende Menschen sind dort verschwunden.

Die Beispiele Muammar Gaddafi in Libyen 2011 und Saddam Hussein im Irak 2003 zeigen gleichwohl, dass der Sturz grausamer Tyrannen zwar ein Möglichkeitsfenster eröffnet, das aber oft nicht genutzt wird. Zu tief sind bisweilen die Wunden nach Jahren der Despotie und des Bürgerkriegs, zu heterogen die Interessen der lokalen Akteure und zu weitgehend die Involvierung ausländischer Mächte, die ihre Interessen gewahrt sehen wollen.

Diese Faktoren greifen auch für Syrien und so gilt es eine Bestandsaufnahme zu den neuen Entwicklungen im Land vorzunehmen. Wer sind die Akteure, die Assad gestürzt haben? Welche Ziele verfolgen die Nachbarn Syriens? Welche ersten Entwicklungen lassen sich sehen?

Milizen, Jihadisten und andere Rebellen – wer hat Assad gestürzt

n den Jahren des Bürgerkriegs bildete sich eine Vielzahl von Milizen und Rebellengruppen heraus, die zwar die Feindschaft zum Regime im Grundsatz eint, die sich jedoch ideologisch, organisatorisch und mit Blick auf ihre internationalen Verbindungen unterscheiden. Eine hervorgehobene Rolle bei den Angriffen aus dem Norden spielte die Miliz Hayat Tahrir al Sham (HTS), die international als Terrororganisation eingestuft ist und bislang die Provinz Idlib kontrollierte. HTS war aus der syrischen Al-Nusra-Front hervorgegangen, einem al-Qaida Ableger. HTS-Führer Abu Mohammad al-Dscholani ist seit langem darum bemüht, internationale Anerkennung zu erhalten und das Image der Organisation zu ändern. Dscholani distanzierte sich bereits vor einigen Jahren von al-Qaida und auch vom sog. Islamischen Staat. Die Syrian National Army (SNA), die ebenfalls Teile des Nordens Syriens kontrolliert und sich dem Marsch auf die Hauptstadt angeschlossen hat, ist eine lose Allianz aus jihadistischen Milizen und Warlords, die ebenfalls in Opposition zum syrischen Regime stehen, jedoch zumindest in Teilen auch mit der Türkei kooperieren bzw. von dieser unterstützt werden. Die Türkei hat diese Gruppen u.a. im Kontext ihres Vorgehens gegen die kurdischen Milizen genutzt, die in einer Reihe von türkischen Militäroperationen aus Gebieten entlang der türkisch-syrischen Grenze vertrieben wurden. Die SNA gilt als wesentlich weniger hierarchisch und kontrollierbar als die HTS. Die SNA führte zu Beginn der jüngsten militärischen Entwicklungen eine eigene Operation durch, die sich gegen kurdische Verbände im Norden richtete, die innerhalb der Syrian Democratic Forces (SDF) zusammengefasst sind und den Nordwesten Syriens mit US-Unterstützung kontrollieren. Die SDF sind formal ein Zusammenschluss verschiedener Milizen, faktisch jedoch von kurdischen Kadern dominiert, die der in der Türkei und anderen Ländern als Terrororganisation eingestuften PKK nahestehen. Die Kurden haben als Verbündete des Westens eine wichtige Rolle in der Bekämpfung des IS gespielt und kontrollieren seitdem auch Gebiete, die vor allem von arabischen Stämmen bewohnt werden. Die Kurden kontrollieren zudem die syrischen Ölvorkommen. Als die Regimekräfte zusammenbrachen, weiteten die SDF ihre territoriale Kontrolle aus und nahmen u.a. die strategisch wichtige Stadt Deir ez-Zor sowie einen Grenzübergang zwischen Irak und Syrien ein.

Aus dem Süden griffen Aufständische erst Anfang Dezember ins militärische Geschehen ein: unter der Operation „Breaking die Shackles“ taten sich Rebellen in der Provinz Daraa zusammen, die eigentlich die Waffen gegen das Regime 2018 niedergelegt hatten. Aus dem Südosten griffen zudem mit den US verbündete Milizen aus der Region um al-Tanf an und weiteten ihren Einfluss aus. Bereits seit 2018 hatte sich zudem die von den Druzen dominierte Region Sweida immer weiter dem Regime entfernt, bis wirtschaftliche Probleme schließlich im August 2023 zu einem Aufstand gegen das Regime führten, das seitdem kaum mehr Kontrolle über die Region im Süden des Landes hatte.“

WEITERLESEN

Quelle: Länderbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung