Moscheebauten in der öffentlichen Diskussion

Moschee, Foto: Stefan Groß

Seit dem Ende des Kalten Krieges spielen ideologische Fragen und Deutungsformen über den Islam eine wesentliche Rolle zur Absicherung und Legitimation politischer Entscheidungen. Auch wenn die Anschläge am 11.9.2001 nicht der Anfangspunkt waren, stellen sie doch in der internationalen Politik einen neuen Wendepunkt im Umgang mit Muslimen und muslimisch bezeichnetenPersonen und Gruppen dar.

Die in der breiten Öffentlichkeit kontrovers geführten Diskussionen um Moscheebauten geht es um die Frage von symbolischer Anerkennung.[1] An dieser Stelle dreht sich der Diskurs um Akzeptanz, Toleranz und Respekt gegenüber einer anderen Religionsgruppe, die öffentlichen Raum, für die Ausübung ihrer Religion gemäß des deutschen Grundgesetzes Artikel 1, Absatz 1 und 2.

In der breit geführten Debatte um Moscheebauten werden Exklusionsaspekte deutlich: Muslime werden zu „anderen, nicht dazugehörigen Menschen“ gemacht, von denen Gefahren ausgehen würden. Ethnisch-kulturelle Argumentationsmuster sowie Ängste vor einer „Islamisierung“ werden als Ursachen angeführt, weshalb ein Moscheebau nicht geduldet werden sollte. Mit rechter Rhetorik kritisierte Ralph Giordano den geplanten Moscheebau in Köln: „Der wahre Bauherr der zentralen Großmoschee in Köln-Ehrenfeld ist, über ihren verlängerten Arm Ditib, die Religionsbehörde Dyanet in Ankara. Dort ist das Projekt ausgeheckt worden, für mich von Anfang an ein Zeichen einer integrationsfeindlichen Identitätsbewahrung, eine Kriegserklärung.“[2]

Die Vorstellung, den Islam als monolithisch, bedrohlich und gewalttätig wahrzunehmen sowie eine Pauschalisierung aller Muslime als Terrorverdächtige, ist nichts weiter als eine kollektive Diskreditierung. Die Wahrnehmung und Akzeptanz pluralistischer Lebens- und Sichtweisen von religiösen bzw. nicht-religiösen Muslimen verhindert eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Islam als Religion. In vielen Moscheebaudebatten wird auch kaum zwischen unterschiedliche Strömungen des Islams wie Sunniten und Schiiten, die sich einander sogar bekämpfen, differenziert. Die „Angst vor dem Islam“ wird also instrumentalisiert, um kulturelle Hegemonieansprüche nicht aufgeben zu müssen.[3]

Das Thema Moscheebau beschäftigte die Kölner Bevölkerung in den letzten Jahren und hatte eine überlokale gesamtgesellschaftliche Relevanz. Dabei ging es vorrangig um den Bau der Moschee im Stadtteil Ehrenfeld, gegen den Pro Köln heftig agitierte. Pro Köln machte die Ablehnung des Baus der Moschee zu einem wesentlichen Teil ihres Kommunalwahlkampfes 2004. In einem Flugblatt erläuterte Pro Köln:[4] „Wo eine Moschee steht, wird als nächstes ein Minarett und dann der Muezzin-Ausruf bei den zuständigen Behörden beantragt. Den nicht–islamischen Kölnern stehen also spannende Zeiten bevor. (…) Die islamischen Verbände in Köln haben sich von den islamischen Extremisten bislang nicht distanziert. Es ist daher sehr gut möglich, dass die neue Groß-Moschee auch eine gefährliche Zufluchtsstätte für islamische Extremisten wird.“

Pro Köln gelang es, über 20.000 Unterschriften gegen den geplanten Moscheebau in Köln–Ehrenfeld zu präsentieren. Dieser Teilerfolg von Pro Köln lässt erahnen, dass ihre islamophobe Stimmungsmache bei einem Teil der Bevölkerung auf fruchtbaren Boden trifft.

Der geplante Bau der Ehrenfelder Moschee führte auch zu heftigen Diskussionen innerhalb der Kölner CDU. Der Ehrenfelder Ortsverband der CDU sprach sich im April 2006 gegen den geplanten Entwurf aus. Begründet wurde diese mit der „sehr traditionellen osmanischen Form“, die einen „nationalen ethnischen Charakter anstatt einen übernationalen Raum für Muslime unterschiedlicher Herkunft“ repräsentiere.[5] Absurd wurde die Ablehnung durch die Forderung, ein Bauwerk zu planen, „mit dem sich Nichtmuslime identifizieren können.“

Weiterhin wurde bezweifelt, dass die geplanten 120 Parkplätze in einer Tiefgarage für den 2000 Menschen fassenden Gebetsraum ausreichen. Es wurde argumentiert, dass dies zu einem Verkehrschaos führen könne. Der Muezzinruf müsse außerhalb des Gebetsraumes untersagt werden, da er „anderen Mitbürgern“ nicht „aufgenötigt“ werden könnte. Dass auch Kirchenglocken anderen Leuten „aufgenötigt“ werden, wurde wohlweislich verschwiegen. Die Verantwortlichen in der Kölner-CDU distanzierten sich von den Plänen der Ehrenfelder CDU und äußerten[6]: „Fraktion, Partei und Oberbürgermeister stehen zum Bau einer Großmoschee an dieser Stelle.“

Die FDP bemerkte zum Beschluss der Ehrenfelder CDU:[7] „Dass man der Moschee nun aber auch ihr orientalisches Aussehen vorwirft, ist der Gipfel der Arroganz. Immerhin handelt es sich um eine türkische Institution, die hier als Bauherr auftritt und einen Identifikationspunkt auch für die eigenen Mitglieder schaffen will.“

Obwohl die Parteiführung der Kölner CDU sich für den Bau der Moschee einsetzte, entwickelte sich innerhalb der Partei eine heftige Diskussion. Die dabei vorgetragenen Argumente waren von islamophoben Ressentiments geprägt und boten eine Steilvorlage für die von Pro Köln vertretenen Auffassungen. Erst auf ihrem Parteitag am 14.8.2007 rang sich die Kölner CDU zu einer öffentlichen Zustimmung des Baus der Moschee durch. Die Debatte innerhalb der CDU führte dazu, dass der CDU-Vorsitzende von Ehrenfeld, Jörg Uckermann aus der Partei austrat und sich Pro Köln anschloss.

Der Kölner Autor und Publizist Ralph Giordano sprach sich gegen den Bau der Moschee aus, da er darin die Verschärfung einer gesellschaftlichen Polarisierung zwischen MuslimInnen und der deutschen Bevölkerung sah, die nicht zum Gelingen der Integration beitragen würde. Damit bot er islamophoben Argumenten von Pro Köln öffentlich eine Argumentationsvorlage, die begeistert von Pro Köln aufgegriffen wurde. Pro Köln ging mit der Aussage von Giordano „Es gibt kein Grundrecht auf den Bau einer zentralen Großmoschee“ auf Stimmenfang. So hieß es auf der Homepage von Pro Köln:[8] „Giordanos pointierte Aussagen finden die volle Unterstützung von pro Köln und pro NRW. Der wahre Bauherr der zentralen Großmoschee in Köln-Ehrenfeld ist, über ihren verlängerten Arm DITIB, die Religionsbehörde Dyanet in Ankara.“

Giordano forderte von dem damaligen Oberbürgermeister Fritz Schramma:[9] „Stoppen Sie diesen Bau, der kein Ausdruck muslimischen Integrationswillens ist, sondern ein Zentrum integrationsfeindlicher Identitätsbewahrung, das Symbol eines Angriffs auf unsere demokratische Lebensform, ein Anspruch auf Macht und Einfluss.“ Den Bau von Moscheen in Deutschland bezeichnete er als „sakrale Großbauten, Symbole einer Landnahme auf fremdem Territorium, Strategie einer türkischen Außenpolitik, die längst dabei ist, in Deutschland mitzuregieren.“[10] Die Migrationspolitik erklärte Giordano für gescheitert; diese „gewaltige Zuwanderungswelle“ wäre eine „Milliardenbelastung der Sozialkassen“. Er sprach den muslimischen Zuwanderern den Willen zur Integration ab:[11] „Das Ergebnis dieser Politik ist die Anwesenheit von Millionen von Menschen aus einer gänzlich anderen Kultur, viele von ihnen ohne jede Qualifikation und nur bedingt integrationsfähig und –willig.“ Nach dem Aufkommen von teils heftiger Kritik an seinen Ansichten wollte er „mit bürgerlichem Selbstbewusstsein den nach wie vor in linken Denkschablonen steckenden deutschen ‚Umarmern’, Multikulti-Illusionisten, xenophilen Einäugigen und Beschwichtigungsdogmatikern couragiert die Stirn (…) bieten.“[12] Nach eigenen Angaben bekam er wegen seiner Aussagen im Frühjahr 2007 mehrere telefonische Morddrohungen, die er radikalen MuslimInnen zuschrieb. Als Reaktion darauf schrieb er:[13] „Ich wehre mich gegen ein Erpresserpotential, das uns unter islamischer Zensur stellen will und seine Tentakel dafür von Zentralasien bis in die Mitte Europas unter dem Motto ‚Wer nicht kuscht, der lebt gefährlich’ ausgeworfen hat.“

Die Aussagen des Kölner Kardinal Meisner über den Islam und den geplanten Moscheebau waren ebenfalls eine Steilvorlage für die Agitation von Pro Köln. Beisicht erklärte in einer Stellungsnahme zum Moscheebau:[14] „Der Kölner Kardinal Meissner hat einmal erklärt, dass die Muslime sich auf Toleranz gegenüber Andersgläubigen nur so lange berufen, solange sie sich in der Minderheit befinden. Dies sollten wir nicht vergessen. So lange in der Türkei Christen diskriminiert und die Religionsfreiheit außer Kraft gesetzt wird, sollten bei uns keine weiteren Großmoscheen mehr gebaut werden.“

Diese Argumente kritisierte Höhn zu Recht:[15] „Ohne Offenheit für eine Pluralität an Religionen bleibt das Reden von Religionsfreiheit reiner Etikettenschwindel. Das müssen sich vor allem prominente Kirchenvertreter sagen lassen, die mit dem Hinweis auf die Unterdrückung des Christentums in arabischen Ländern den Muslimen in Deutschland zur Bescheidenheit beim Anmelden von Rechtsansprüchen raten. Eine solche ‚Wechselseitigkeit’ ist unvereinbar mit der Unteilbarkeit von Grundrechten. Wer die Anspruchnahme von Rechten hierzulande nach dem Maß der Verweigerung von Rechten im Ausland bemessen will, offenbart eine prekäre Distanz zu rechtsstaatlichen Prinzipien. Grundrechte werden im liberalen Rechtsstaat nicht zuerkannt oder vergeben, sondern jeder Mensch ist als Träger solcher Rechte anzuerkennen.“

Meisner äußerte, beim Bau der Moschee ein „ungutes Gefühl“ zu haben. Weiterhin warnte er vor einer Ausbreitung der Scharia in Deutschland:[16] „Wir müssen auch wachsam bleiben, dass die Terrains, die man hier muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zur Verfügung stellt (…) nicht Territorien werden, auf denen sich die Scharia immer mehr entfaltet.“

Die Argumentationen von Pro Köln gegen Moscheebauten sind durchdrungen von rassistischen Phrasen. Judith Wolter proklamierte, dass „gerade in Ehrenfeld die Grenze lange erreicht ist, was man unserer Gesellschaft überhaupt zumuten kann. Das Boot ist einfach voll. Die muslimische Diaspora ist offensichtlich im Prinzip nicht integrierbar. Man will sich zudem nicht freiwillig weiteren Sprengstoff ins Veedel holen.“[17]

Neben rassistischen und islamfeindlichen Darlegungen brachte Pro Köln auch finanzielle Einbußen der („weißen“-deutschen) Wohnungseigentümer rund um die Ehrenfelder Moschee ins Spiel. Zwischen der Einreichung des Bauantrages für den Moscheeneubau und der Erteilung der Baugenehmigung sänken demnach die Preise der umliegenden Grundstücke um fast 20 Prozent; nach der Fertigstellung würden die Preise noch weiter sinken.[18]

Im Hinblick auf die Kommunalwahlen 2009 demonstrierte Pro Köln jeweils unter einem anderen Motto jeden zweiten Samstag im Monat gegen den Bau der Ehrenfelder Moschee. Diese Kundgebungsserie sollte sicherstellen, dass das Thema Moscheebau auf der politischen Tagesordnung bleibt.[19]

Protest gegen Moscheebauvorhaben gehen nicht nur von rechtspopulistischen Parteien Pro Köln oder Pro NRW oder von der neonazistischen NPD aus, sondern auch aus dem bürgerlichen christlichen Lager. Als der muslimische Verein Nissan in Berlin versuchte, ein Grundstück zum Bau eines Kulturzentrums zu erwerben, passierte lange nichts, da sich die Prüfung des Baustadtrates über längere Zeit hinzog. Durch Zufall stellte sich dann heraus, dass das Grundstück schon an einen CDU-Parteifreund des Baustadtrats verkauft war. Dies deutet auf ein abgekartetes Spiel hin, um das islamische Kulturzentrum zu verhindern.

[1][1] Kuhn, I.: Antimuslimischer Rassismus. Auf Kreuzzug für das Abendland, Köln 2015, S. 45f
[2] Focus vom 26.9.2007
[3] Königseder, A.: Feindbild Islam, in: Benz, W. (HRsg.) Islamfeindschaft und ihr Kontext, Berlin 2009, S. 21-33, hier S. 25
[4] Flugblatt von Pro Köln zur Kommunalwahl am 26.9.2004
[5] www.ksta.de/html/artikel/1144673461049.shtml.
[6] Ebd.
[7] Ebd.
[8] www.pro-nrw.org/content/view/81/20
[9] Giordano, R.: Nicht die Moschee, der Islam ist das Problem, in: Sommerfeld, F.: Der Moscheestreit. Eine exemplarische Debatte um Einwanderung und Integration, Köln 2008,S. 37-51, hier S. 37
[10] Ebd. S.39
[11] Ebd. S. 40
[12] Ebd. S. 39
[13] Ebd. S. 50
[14] www.pro-nrw.org/content/view/824/1/
[15] Höhn, H.-J.: Die Goldene Regel, in: Sommerfeld, F.: Der Moscheestreit. Eine exemplarische Debatte um Einwanderung und Integration, Köln 2008, S. 125-129, hier S. 125f
[16] Meisner, J.: Keine Angst – aber ein ungutes Gefühl, in: SommerfeldF.: Der Moscheestreit. Eine exemplarische Debatte um Einwanderung und Integration, Köln 2008, S. 177-181, hier S. 179f [17] Pro Köln (Hrsg.): Informationen der Bürgerbewegung pro Köln e.V., Nr. 2, 2.Quartal 2003, Köln 2003, S. 1
[18] www.pro-koeln-online.de/artikel 08/011008_preise.htm
[19] www.pro-koeln-online.de/artikel6/kreativ.htm

Über Michael Lausberg 572 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.

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