Im Gegenteil: Wer noch nicht einmal in der Lage ist, die bestehenden Gesetze und Verordnungen anzuwenden, sollte nicht lauthals mit immer neuen Vorschlägen für Gesetzesverschärfungen den „Law and order“-Mann mimen. Das ist ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver. Denn bereits auf Basis der bestehenden Gesetze hätte der Innenminister sich darum bemühen können, Amri noch vor seiner Tat bis zu sechs Monate in Sicherungshaft zu nehmen. Diese Möglichkeit bietet das bestehende Aufenthaltsgesetz, wenn eine „auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr“ vorliegt. Amri bekundete den Willen zu Anschlägen, hatte Kontakt zum IS und zur gewaltbereiten Islamistenszene, warb „offensiv“ bei anderen für gemeinsame Terroranschläge, wollte sich Waffen besorgen und reiste mit gefälschten Papieren kreuz und quer durch Deutschland.
All das war dem Innenminister vor dem Anschlag in Berlin bekannt. Seine Beamten nahmen beispielsweise an den Gesprächen im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum (GATZ) zu Amri teil. Trotzdem hat de Maizière wohl noch nicht einmal den Versuch unternommen, eine richterliche Genehmigung für eine Sicherungshaft zu bekommen. Ein Versäumnis, auf das auch der Deutsche Richterbund aufmerksam macht. De Maizière ist also selbst Teil des Sicherheitsproblems, das im Ergebnis einen der schwersten Terroranschläge in Deutschland möglich gemacht hat.
Vollkommen unklar ist auch, weshalb Amri nach seiner Festnahme Ende Juli 2016 in Friedrichshafen, für die ein richterlicher Haftbefehl vorlag, auf Anordnung seiner zuständigen Ausländerbehörde in Kleve/NRW umgehend wieder freigelassen wurde. Und warum hat diese Ausländerbehörde nach all seinen Straftaten und unerlaubter Reisetätigkeit noch nicht einmal Meldeauflagen für Amri erteilt?
Auch dafür hätten die bestehenden Gesetze ausgereicht. Diese Fragen sind nur die Spitze des Eisbergs und sie müssen alle geklärt werden. Das sind wir nicht zuletzt auch den Opfern des Anschlags schuldig. Und erst mit diesen Erkenntnissen sind zielgerichtete Maßnahmen möglich, um die öffentliche Sicherheit zu verbessern. Wir Linke fordern deshalb einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung. Es ist traurig, dass die Grünen sich unserer Forderung noch nicht angeschlossen haben. Opposition sieht anders aus.
Sahra Wagenknecht auf Facebook
Kommentar hinterlassen
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.