Markus Lüpertz gestaltete für die Kölner Dominikanerkirche Sankt Andreas zwölf Fenster
Seit Jahrhunderten ist für Kunst und Kunstwerke einerseits sowie für Glaube und Theologie andererseits die Dimension des Lichts von außerordentlicher Bedeutung. Das gilt in herausragender Weise für die Fenster eines Kirchenraumes, denen sowohl in künstlerischer wie auch in geistlicher Hinsicht immer schon bei dieser Korrelation von Kunst und Glaube, Erde und Himmel, Göttlichkeit und Menschlichkeit besondere Aufmerksamkeit zukommt. Die Art und Weise sowie die Wirkung, wie Licht durch Kirchenfenster einfällt und gebrochen wird, mehr noch die suggestive Kraft und Inspiration im Zusammenspiel von Licht, Fenstern und Farben sind bis heute konstitutiv für den geistlich-geistigen Eindruck eines Kirchenraumes und dessen Wirkung auf das individuelle Glaubensbewusstsein.
In der Kölner Kirche Sankt Andreas ist dieser Symbiose von Kunst und Glaube am vergangenen Wochenende nun ein neues, Aufsehen erregendes Beispiel hinzugefügt worden. Erstmals seit den Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg ist der vordere Innenraum der berühmten romanischen Kirche wieder vollständig in farbiges Licht getaucht. Neben den Fenstern aus dem 19. und 20. Jahrhundert im Hochchor wurden die Chöre rechts und links des Hochaltars, der sogenannte Machabäer-Chor sowie der Marien-Chor, in den vergangenen Jahren mit zwölf zwei- und dreibahnigen farbigen Fenstern von Markus Lüpertz gestaltet. Lüpertz, der als einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart gilt, hat dabei in ganz eigener Stilsprache ein Bildprogramm geschaffen, das sich einerseits mit der Leidensgeschichte der vorchristlichen sieben heiligen Machabäerbrüder und ihrer Mutter Salomone auseinandersetzt und sich andererseits mit bestimmten theologische Aussagen des Mittelalters befasst.
Kölns Erzbischof Joachim Kardinal Meisner, der die Fenster während der vornehmen liturgischen Feier einer Pontifikalsext segnete, erinnerte in seiner Homilie an die kosmische Dimension eines Kirchengebäudes. „Alles in und an ihm hat dem zu dienen.“ Dies zeige sich in hervorragender Weise in den Fenstern, die den Kirchenraum erhellen und ihn entscheidend prägen. Der Erzbischof erinnerte an in diesem Zusammenhang an die Symbolik des Lichts, die bereits zu Beginn des biblischen Schöpfungsberichts stehe und so erst menschliches Leben möglich mache. Licht, Farbe, Dynamik, Energie kündeten vom himmlischen Jerusalem und machten den Innenraum der Kirche zu einer „Aula Dei“. Meisner wörtlich: „Ich bin sehr dankbar, dass wir in den Fenstern von Markus Lüpertz Lichtspender erhalten, die uns vom himmlischen Jerusalem künden und St. Andreas so noch mehr zu einer Aula Dei wird.“
In der Tat ist Sankt Andreas eine besondere und geschichtsträchtige Halle Gottes. Die seit 1947 vom Dominikanerorden verwaltete Kirche besticht durch ihre reiche Bauplastik der rheinischen Spätromanik sowie durch ihre umfangreiche, vor allem spätgotische Ausstattung. Der wunderbare Bau im Herzen Kölns und nur einen Steinwurf vom Dom entfernt beherbergt außerdem die Reliquien der Machabäerbrüder und ihrer Mutter, die mit den Gebeinen der Heiligen Drei Könige im Mittelalter nach Köln gekommen sind. Außerdem ist in der Krypta der ehemaligen Herrenstiftskirche der heilige Albertus Magnus begraben. 1980 betete Papst Johannes Paul II. am Grab des berühmten Universalgelehrten aus dem Mittelalter. Es ist eine Kirche, in der die verschiedenen Epochen ihre deutlichen Spuren hinterlassen haben
In diesen Kirchenraum hat Lüpertz nun seine Fenster gesetzt – und die Spur des 21. Jahrhunderts eingewoben. Die Gestaltung der Fenster lädt die Besucher ein, besser: fordert sie geradezu heraus, sich mit neben der oberflächlichen Betrachtung mit der spirituellen Tiefe des Bildprogramms zu befassen. „Schöpfung“ und Erlösung“ lauten die wesentlichen Themen. Im Machabäer-Chor greift der tiefgläubige Künstler das Martyrium der Machabäer auf und stellt es in Parallelität zur Leidensgeschichte Jesu. In einem Fenster erscheinen die Schnittwunden wie Rosenblüten – die Verheißung der Erlösung ist dem Leid eingestaltet. Im Marien-Chor setzt sich Lüpertz mit Lehrsätzen des heiligen Albert auseinander, die zu einer christlichen Lebensführung aufrufen. Gerade weil die Betrachter so in einen Beziehung zum Himmel gesetzt werden, kommt diesem Zyklus, wie Kardinal Meisner betonte, höchste pastorale Bedeutung zu. „Lüpertz zeigt durch seine Fenster die Welt Gottes und lässt uns die Ewigkeit berühren.“
Und Lüpertz selbst? Der 69-Jährige Maler und Bildhauer nannte es einen der schönsten und beglückendsten Momente für einen Künstler, mit dem Licht zu malen“. Für den in jungen Jahren zum Katholizismus konvertierten Künstler ist es – wie eigentlich nach seiner Meinung für jeden Künstler – ein Höhepunkt, in einer Kirche arbeiten zu dürfen. Die Kirche sei ein kunstbewahrender Ort, der die Tradition bewahrt. Hier müssten Entscheidungen getroffen werden, die dauerhaft Bestand hätten, Kunst ließe sich in einer Kirche nicht wie in einem Museum einfach um- oder abhängen. „Natürlich sind meine Fenster zeitgenössische Kunst, aber sie sind entstanden in der Auseinandersetzung mit und in der Erfahrung von Tradition.“ In dieser Tradition wolle er seinen eigenen Beitrag leisten. Dazu gehört eben auch das Verständnis, dass das Kunstwerk eines Künstlers in der Kirche eben auch als Gebet zu verstehen sei. „Verstehen Sie meine Fenster in dieser Tradition.“
Traditionell ist auch die Fertigung der Fenster in Bleiverglasung. Die Kosten des Projekts – Lüpertz selbst verzichtet auf eine finanzielle Honorierung – gibt der Förderverein Romanische Kirchen Köln mit rund einer Million Euro an. Finanziert wurde es durch Spenden. Der seit 29 Jahren bestehende Verein ist damit erstmals in seiner bisherigen Geschichte als Projektträger aufgetreten. Vereinsvorsitzender Helmut Haumann erinnerte an die verschiedenen Etappen der Realisierung. Entscheidend für die endgültige Projektierung unter dem Titel „Kirchenfenster für die Ewigkeit“ sei gewesen, dass ein vor etwa vier Jahren ein von Lüpertz erstelltes Musterfenster bei seiner Präsentation große Begeisterung und Zustimmung ausgelöst habe. „Nun haben wir tatsächlich Kirchenfenster für die Ewigkeit, zur Ehre Gottes und zur Freude der Menschen.“
Pater Christoph Wekenborg, Rector ecclesiae der Dominikanerkirche Sankt Andreas, ist überzeugt davon, dass die Schönheit des Kirchenraums durch die neuen Fenster noch mehr an Anziehungskraft gewonnen hat. Gleichwohl betont er: „St. Andreas ist aber kein musealer Ort, sondern eine Stätte gelebten Glaubens.“ In diesem Sinne laden die Kirchenfenster zu Fenster ein zu Rekreation, Meditation, Inspiration. Ob das „heilige Köln um ein Heiligtum reicher geworden ist“, wie Kardinal Meisner dieses bedeutende Kunstwerk adelte, bleibt indes abzuwarten.
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