Carolin Overhoff Ferreira: Dekoloniale Kunstgeschichte. Eine methodische Einführung, Deutscher Kunstverlag, Berlin 2023, ISBN: 978-3-422-98758- 6, 32 EURO (D)
Die brasilianische Professorin für Kunstgeschichte, Carolin Overhoff Ferreira, liefert in diesem Buch einen Beitrag für eine Neuausrichtung der Kunstwissenschaften aus einer dekolonialen Perspektive.
„Mein Ansatz in diesem Buch ist (…) weder global noch posttkolonial, sondern versucht, die westliche Epistemologie, die in den Kunststudien in den letzten 2500 Jahren zugrunde lag, (…) zu dekonstruktieren, um dann eine Herausforderung der Dekolonisation, im Sinne der Integration und einem besseren Verständnis außereuropäischer Epistemologien, angehen zu können.“ (S. 11)
Sie legt einen differenzierten dekolonialen Kunstbegriff vor, der sowohl seine europäische Entstehung nach der Renaissance als auch seine Ausdehnung auf die jahrtausendealte Kunstproduktion anderer Kulturkreise beinhaltet.
Das Buch beginnt mit zwei grundlegenden Fragen:Warum studieren wir Kunst? Und warum produzieren wir sie überhaupt?
Danach wird gezeigt, wie sich Kunst generell zu anderen Wissensformen verhält und welches Potential sie hat. Das folgende Kapitel vertieft das Problem der Kunst als Epistemologie und den Umgang mit diesem bedrohlichen Potential. Weiterhin geht es um die Beziehung zwischen Kunst, Geschichte und Kunstwissenschaften.
Anschließend beschäftigt sich die Autorin mit Kunstkritik und den Methodologien der Kritik. Danach werden zwei Konzepte der westlichen Wissenschaftstradition vorgestellt und kritisiert.
Im letzten Kapitel werden die Kunstwissenschaften in Brasilien vorgestellt und mit einigen Hinweisen auf die Situation in anderen lateinamerikanischen Ländern eingegangen. Ausgehend von der kolonialen Vergangenheit Brasiliens werden die Übernahme der europäische Meistertraditionen und der Eurozentrismus in der Kunstgeschichte dargestellt. Es wird postuliert, die afrobrasilianische und indigene Kunst als Teil der nationalen Kunst zu verstehen.
Im Anhang finden sich noch eine Bibliografie, die Vita der Autorin und die Bildnachweise.
Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass er an die Wurzel mit einer langen zeitlichem Rahmen geht. Die Notwendigkeit des Abschiedes von einer eurozentristischen Welt und auch der Kunstgeschichte hin zu einer interkulturellen Öffnung ist notwendig, keine Frage. Dieser Ansatz wirkt etwas überfrachtet und streift Epochen immer nur ein wenig und wirkt noch nicht ausgereift.
Er kann ein Baustein für eine Neuausrichtung der Kunstgeschichte sein, müsste aber noch weiter ausgearbeitet werden.