Martin Schulz: Fundamentale Erneuerung unserer Partei ist unabdingbar!

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Das hat Martin Schulz im vergangenen Jahr auf Facebook geschrieben. Und es steht immer noch deutlich sichtbar oben auf seiner Startseite als Notiz. Angesichts der Groko-Zusage wirkt das – vorsichtig ausgedrückt – etwas unglaubwürdig. Könnte man mit diesem Wink vielleicht gut verwenden.

Wir stehen vor einer der grössten Herausforderungen unserer jüngeren Parteigeschichte: Eine fundamentale und tiefgreifende Erneuerung unserer Partei ist unabdingbar, wenn wir langfristig wieder erfolgreich sein wollen. Unser Neustart wird umfassend sein – organisatorisch, strukturell, strategisch.

Das Wahljahr 2017 geht mit einem positiven Ausblick für uns zu Ende. Ein fulminanter Sieg für Stephan Weil. Zum ersten Mal nach 19 Jahren sind wir wieder stärkste Kraft in Niedersachsen.

Wahlniederlagen senden deutliches Signal

Dieser Erfolg gibt uns allen Antrieb und ist ein Ansporn. Trotzdem kann er nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir vor einer der größten Herausforderungen unserer jüngeren Parteiengeschichte stehen. Das niederschmetternde Ergebnis bei der Bundestagswahl und auch drei verlorene Landtagswahlen in diesem Jahr sind ein sehr deutliches Signal an uns: Eine fundamentale und tiefgreifende Erneuerung unserer Partei ist unabdingbar, wenn wir langfristig wieder erfolgreich sein wollen.

Die Ursachen für unsere jüngsten Niederlagen liegen tief. Wir konnten keine der vier letzten Bundestagswahlen für uns entscheiden, und wir haben seit 1998, mit Ausnahme von 2013, stetig an Zuspruch verloren. Innerhalb von knapp zwei Jahrzehnten hat sich unser Stimmanteil halbiert.

Kurve muss wieder nach oben zeigen

Das Jahr 2017 darf deshalb nicht alleine das Jahr bleiben, in dem wir unsere bisher schlimmste Niederlage bei einer Bundestagswahl eingefahren haben. 2017 muss symbolisch stehen als Wendepunkt, als Neuanfang für die SPD, den Start eines Prozesses, der uns besser macht, durch den wir uns neu aufstellen und der unsere Partei wieder mehrheitsfähig macht. Die Kurve muss wieder nach oben zeigen! Der Wahlsieg in Niedersachsen macht uns Mut.

Unser Neustart wird umfassend sein – organisatorisch, strukturell, strategisch. Wir werden uns komplett hinterfragen. Wir werden identifizieren, was wir schlecht gemacht haben und es besser machen. Wir müssen aber auch darauf schauen, was wir schon heute gut machen. Ein Ergebnis wie jenes in Niedersachsen kommt nicht von ungefähr. Es ist das Resultat guter Arbeit der Genossinnen und Genossen vor Ort.

Von den Mitgliedern lernen

Deshalb werde ich gemeinsam mit der Parteispitze durch Deutschland reisen, um Mitglieder unserer Partei zu treffen und von ihren Erfahrungen zu lernen. Eines ist mir dabei wichtig: dass wir von der Vergangenheit lernen, aber dass wir uns vor allem auf die Zukunft konzentrieren.

Willy Brandt hat 1987 folgende Sätze gesagt: „Eine Partei der Reformen muss immer auch zur eigenen Reform fähig sein.“ „Die Sozialdemokratie muss sich als Volkspartei ständig erneuern. Nur so kann sie sich als bewegende Kraft bewähren.“ Genau darum muss es uns gehen: um unsere Erneuerung und Modernisierung.

Alle Menschen sollen sich beteiligen

Ich möchte, dass sich an diesem Erneuerungsprozess so viele Menschen wie möglich beteiligen – dass wir nicht nur im vertrauten Kreis der Genossinnen und Genossen diskutieren, sondern darüber hinaus mit allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland. Und ich werde versuchen, diese Debatte auch bewusst mit Vertretern aus Wissenschaft, Forschung, der Kunst und Kultur, der Wirtschaft und der Gesellschaft, aus Deutschland, Europa und der Welt, zu führen. Insgesamt muss es uns darum gehen, die Debatte um unsere Partei in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Jeder soll sich daran beteiligen können. Ich möchte, dass die SPD wieder zu einer Mitmachpartei, ja zu einer Bewegung, wird.

Die SPD war immer stark, wenn sie die großen gesellschaftspolitischen Fragen – oft stellvertretend für die ganze Gesellschaft – sichtbar diskutiert hat: Ob das die Ostpolitik von Willy Brandt war, die Nachrüstungsdebatte bei Helmut Schmidt oder die Frage des Atomausstieges und der Energiewende. Wir haben uns als Sozialdemokratie immer dadurch ausgezeichnet, dass wir die richtigen Fragen gestellt haben und dann um die Antworten auf diese großen Fragen gerungen haben.

An Tradition der Fortschrittspartei anknüpfen

Ausgangspunkt muss die Analyse sein, wie sich unsere Welt in den vergangenen Jahren verändert hat und was unsere Vision einer besseren, gerechteren und zukunftsfähigen Gesellschaft ist. Heute, in Zeiten der Globalisierung, der Digitalisierung, des Zerfalls von Europa, der Flucht und des Klimawandels, müssen wir ein durchdachtes Konzept für Deutschland und Europa entwickeln. Es geht auch darum, miteinander zu klären, wie wir zukünftig leben wollen, was uns wichtig ist. Es geht darum, den gesellschaftlichen Aufbruch zu gestalten und dabei, unsere zentralen Werte zu verteidigen. Es geht um eine optimistische Vision der Zukunft. Dabei müssen wir anknüpfen an die gute Tradition der SPD als Fortschrittspartei. Nicht naiv und die Risiken übersehend, aber optimistisch und zupackend.

Wir bleiben die linke Volkspartei, die unsere Demokratie verteidigt, die dafür arbeitet, dass es in unserem Land gerecht zugeht, die ihre Traditionen wahrt und beschützt. Aber wir müssen uns auch weiterentwickeln und mutig die Zukunft beschreiben. Für mich als jemand, der sein ganzes politisches -Leben für ein starkes und solidarisches Europa gekämpft hat, ist klar, dass wir uns noch viel stärker für die Europäische Einigung einsetzen müssen. Denn nur in einem starken europäischen Staatenverbund wird es uns gelingen, unsere Zukunft in einer globalisierten Welt selbst in die Hand zu nehmen. Das bedeutet auch, dass wir den internationalen Verbund der sozialdemokratischen Bewegungen stärken und ausbauen müssen.

Vor uns liegt viel Arbeit

In den nächsten Jahren geht es um die Zukunft der Sozialdemokratie – in Deutschland, aber auch in ganz Europa. Eine gewaltige Aufgabe, die wir aber schaffen können, wenn wir „schreiten Seit’ an Seit’“. Wenn uns der mutige Aufbruch gelingt, werden unserem großartigen Erfolg in Niedersachsen bald auch wieder Erfolge bei Bundestagswahlen folgen. Vor uns liegt viel Arbeit. Lasst sie uns gemeinsam anpacken!

 

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