Menschenrechtslage in Nicaragua: Regimekritische Christen sollen zum Schweigen gebracht werden – Öffentliches Gebet und Prozessionen zu Ostern verboten

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Fast täglich berichten Betroffene über neue Schikanen, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen durch die sandinistische Diktatur in Nicaragua. Das besondere Merkmal in dem vom Ehepaar Ortega-Murillo diktatorisch beherrschten zentralamerikanischen Staat sind die fanatische Verfolgung von engagierten Christen und Journalisten.

Nach einem Bürgerkrieg war der Sandinisten-Führer Daniel Ortega ab 1985 Präsident des 6,5 Millionen Einwohner zählenden Landes, wurde aber wegen seiner autoritären Amtsführung 1990 abgewählt. Seit 2006 fungiert Ortega als Dauermachthaber von Nicaragua und sicherte seine Wiederwahlen durch die Verfolgung und Inhaftierung Andersdenkender. Dabei wird er von Beratern aus Kuba unterstützt. Vor Präsidentschaftswahlen wurden seither aussichtsreiche Gegenkandidaten kurzerhand verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Seit 2016 amtiert zusätzlich Ortegas Ehefrau Rosario Murillo als Vizepräsidentin, die sich selbst als Esoterikerin bezeichnet und sich als Schamanin betätigte. Murillo gilt als Antreiberin einer Auslöschung christlichen Einflusses und christlicher Institutionen in Nicaragua.

Die Verurteilung von Bischof Rolando Jose Alvarez, einem der bekanntesten Kritiker der Regierung, zu 26 Jahren Haft am 10. Februar 2023 hatte internationale Kritik nach sich gezogen. Jetzt hat die Regierung des Dauermachthabers die Schließung des katholischen Hilfswerks Caritas sowie zweier der Katholischen Kirche nahestehender Universitäten beschlossen und öffentliche Gebete bei Prozessionen zu Ostern verboten. Zugleich wurde am Montag bekannt, dass die Regierung Ortega, als Reaktion auf öffentliche Kritik, die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan ausgesetzt hat.

Besonders die Kirchengemeinden von Matagalpa und Esteli, die zur Diozöse des inhaftierten Bischofs Rolando Jose Alvarez gehören, stehen unter besonderer Beobachtung. Nicht nur Priester und Journalisten sind bereits mit einem Fuß im Gefängnis, Christen im ganzen Land müssen nun zu Ostern Repressalien fürchten, wenn sie ihren Glauben ausüben.

Seit Jahren geht Präsident Ortega mit harter Hand gegen Kritik von der katholischen Kirche, NGOs und unabhängigen Medien vor, die die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen der Regierung öffentlich machen. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM)  berichtet regelmäßig von Zwangsschließungen karitativer Organisationen und katholischer Radiosender, Brandschatzungen von Kirchengebäuden, Polizeikontrollen und Störungen von Gottesdiensten sowie von Drohungen gegen Gläubige in Nicaragua.

Die in Frankfurt ansässige Menschenrechtsorganisation kritisierte die Verurteilung von Bischof Rolando José Álvarez Lagos zu 26 Jahren Gefängnis wegen „Ungehorsam und Untergrabung der nationalen Integrität“ aufs Schärfste und forderte die sofortige Freilassung sowie Rehabilitation des 56-Jährigen. Bischof Álvarez prangerte die soziale und politische Krise im Land öffentlich an und befand sich daher seit August 2022 in Hausarrest. Er hatte sich geweigert, seine Heimat zu verlassen und ins Exil in die Vereinigten Staaten zu gehen

Immer mehr Geistliche inhaftiert

Weitere Geistliche wie die Priester Manuel García und José Urbina aus der Diözese Granada sind aus politischen Gründen inhaftiert. Bereits über 220 Personen – darunter Priester, Seminaristen und politische Gegner – sind des Landes verwiesen worden. Immer öfter geraten auch Ordensgemeinschaften ins Visier der Regierung Ortega

Dennoch: die regimekritische katholische Kirche in Nicaragua hat trotz der zahlreichen Unterdrückungsmaßnahmen für die Menschen weiterhin einen hohen Stellenwert. Sie ist noch immer breit aufgestellt, weshalb sie nicht einfach über Nacht ausgeschaltet werden kann. Die ebenfalls regimekritischen evangelischen Christen in Nicaragua sind in einer weitaus schwierigen Lage, da sie nie über eine vergleichbare Struktur verfügen konnten.

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Über Martin Lessenthin 10 Artikel
Der Publizist und Historiker Martin Lessenthin ist Botschafter für Menschenrechte. Er berichtete in verschiedenen politischen Gremien – zum Beispiel Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bunderstages - als Sachverständiger zu Menschenrechtsfragen. Lessenthin wirkt als Autor von gutachterlichen Stellungnahmen für politisch Verfolgte und Glaubensverfolgte sowie für politische Stiftungen und Bildungswerke u.a. im Rahmen der Integration von Geflüchteten. Auf Beschluss des Deutschen Bundestags wurde er 2016 in das Kuratorium des DIMR, dem Deutschen Instituts für Menschenrechte, Berlin gewählt und 2020 für eine zweite Amtsperiode gewählt. Von 2001 bis 2023 wirkte Lessenthin als Vorstandssprecher der Menschenrechtsorganisation IGFM, der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, Frankfurt/M. Geboren 1957. Journalist. Studium der Geschichtswissenschaften, Politische Wissenschaften, Publizistik und Kommunikationswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. Von 1989 bis 1998 Chefredakteur Deutsche Gewerkschaftszeitung, Stuttgart. Von 1992 bis 1998 Geschäftsführer Neuer Deutscher Gewerkschaftsverlag, Duisburg/Stuttgart. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Menschenrechtsfragen, Medienpolitik, Gewerkschaften.