Ein Slogan ging in die Geschichte der abendländischen Mediengeschichte ein und dieser stammte von keinem anderen als dem Medientheoretiker und Professor für Literatur, Marshall McLuhan: „Das Medium ist die Botschaft“. Frühzeitig, schon während seines Studiums in Cambrigde, widmete sich der vor hundert Jahren in Kanada geborene McLuhan dem Thema von Inhalt und Medium, beschäftigte sich mit der Macht, die dem Medium innewohnt, die Inhalte zu transportieren, letztendlich gar zu verändern. Während sich das Mittelalter auf die Logik konzentrierte, das Denken und die Scholien in den Mittelpunkt stellte, sah McLuhan in der aufbrechenden Renaissance keineswegs die vielbeschworene Neuentdeckung der Antike, sondern eine Zeit, die die Beschäftigung mit der Sprache und der Rhetorik wieder in ihren Fokus rückte. Und für das 20. Jahrhundert prophezeite er, daß dieses wiederum durch die Rückkehr der Grammatik bestimmt sein wird. Wie das Medium die Gesellschaft verändert, hatte er bereits in einem seiner frühen Werk, „Die Mechanische Braut, Volkskultur des industriellen Menschen“, anhand einer kritischen Untersuchung der zeitgenössischen Pop-Kultur beschrieben und gezeigt, wie sich der Inhalt zugunsten der Botschaft verschiebt, was zwangsläufig auf eine zunehmende Manipulation des Konsumenten hinauslaufe, der sich zunehmend von der Form der Darstellung beeindrucken lasse. Das „Was“ tritt hinter das „Wie“ zurück.
Diese manipulierende Kraft des Mediums steht dann in einem seiner Hauptwerke „Die Gutenberg-Galaxis, Das Ende des Buchzeitalters“ von 1962, wiederum im Mittelpunkt. Dabei geht es McLuhan vorrangig um den Aufweis, wie und in welcher Weise die neuen elektronischen Medien die kognitive Organisation und zugleich die soziale Organisation bestimmen. Die neuen Technologien verändern die Welt, indem sie neue Sinnformationen schaffen, die neue Wahrnehmungsverhältnisse stiften, die ihrerseits wiederum zu einer anders gelagerten Erfahrung der Wirklichkeit führen. Während noch Guttenbergs Buchdruckkunst die Schriftkultur und damit die visuelle Kultur über die mündliche stellte, „die visuelle Homogenisierung der Erfahrung der gedruckten Kultur und die Verdrängung des Hörens und anderer sinnlicher Wahrnehmungen“ in den Vordergrund rückte und damit die Eindimensionalität des Wahrgenommenen bestimmte, erweitern die neuen Schriftsysteme, die Druckmaschinen, Sprachen und Computer die sozialen Effekte dahingehend, daß sie im Gegensatz zur Buchkunst, die mehrdimensional sind, Zwischenspiele zulassen, die den unmittelbaren Fokus des rein Visuellen aufheben. So sehr die Buchkunst die Wahrnehmungsgewohnheiten verändert, und so sehr sie Entwicklungen wie den Individualismus, die Demokratie, den Protestantismus, den Kapitalismus und den Nationalismus begünstigte, sie bleibt eine visuelle Homogenisierung der Erfahrung, die den technischen Möglichkeiten hinterherläuft.
Denn mit der modernen Welt des 20. Jahrhunderts und im elektronischen Zeitalter verschiebt sich diese visuell-individualistische Wahrnehmung zugunsten einer universell-medial vermittelten Erfahrung der Wirklichkeit, die unbekannte Vernetzungen und wechselseitige Abhängigkeiten produziert und damit zugleich die visuelle Kultur durch die neuen interaktiven Möglichkeiten einer Hör- und Sprechkultur erweitert. Diese mediale Erweiterung führt zur Aufhebung des Individualismus und setzt an seine Stelle die kollektive Identität als neue soziale Struktur, die McLuhan als globales Dorf, als elektronisches Gehirn, verstanden wissen will. Die global-medialen Vernetzungen, die prägend in die jeweilig existierenden Sinnstrukturen eingreifen und diese zunehmend dekollektivieren, vermögen aufgrund ihrer schnellen, irregulären und multidirektionalen Bewegungen ständig andere Sinnzusammenhänge zu schaffen, die die visuelle Eindimensionalität durchkreuzen.
Und in seinem wohl bekanntesten Werk, „Understanding Media“, gleichsam die Grundlage moderner Medientheorie, tritt der zentrale Slogan „Das Medium ist die Botschaft“ in den Vordergrund. Anstatt auf die von den Medien übertragenen Inhalte sich zu konzentrieren, tritt das Medium selbst in den Mittelpunkt, ist nunmehr die eigentliche Botschaft, um die sich alles dreht und die letztendlich darüber Auskunft gibt, wie die Inhalte in der Gesellschaft aufgenommen werden können. Wie das Medium beschaffen sei, so McLuhan, seine Charakteristik, dies wirkt letztendlich viel intensiver auf die Gesellschaft als die darin transportieren Informationen ein. So ist die Glühlampe für McLuhan ein Medium ohne Inhalt, das aber soziale Effekte bewirkt, weil sie allein durch ihre Anwesenheit eine Umgebung schafft.
Mit seinem 1967 veröffentlichten Buch „Das Medium ist die Massage, Eine Bestandsaufnahme der Auswirkungen“, das zu seinen größten Erfolgen wurde und sich einem Druckfehler verdankte, statt message, massage, ließ sich zugleich die eigentliche Botschaft McLuhans noch deutlicher herauskristallisieren, da das Medium nun das menschliche Sensorium in unterschiedlichen Formen beeinflußt und massiert.
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