Mark Merlis: halb stark. Roman, Albino Verlag, Berlin 2019, ISBN: 978-3-863-00274-9, 24 EURO (D)
Mark Merlis ist Autor der bekannten Romane American Studies, An Arrow’s Flight und Man About Town, die unter anderem mit einem Los Angeles Times Book Prize, einem Ferro-Grumley Award und einem Lambda Literary Award ausgezeichnet wurden.
Jonathan Ascher, ein gefeierter Schriftsteller und Freiheitsheld der 1960er Jahre, ist seit dreißig Jahren tot. Als ein Wissenschaftler eine Biografie über Ascher schreiben will, kontaktiert er Aschers Witwe Martha. Sie befasst sie sich zum ersten Mal mit den Papieren ihres Mannes und all den Geheimnissen, die daraus entstehen. Sie findet Tagebücher, die als weise Chronik des Lebens am Rande der New Yorker Literaturszene beginnen, und erzählt dann von Aschers sexuellen Abenteuern im schwulen Untergrund vor Stonewall und den sozialen Umwälzungen jener Zeit. Bei der Lektüre befindet sie sich in einem Ferngespräch mit ihrem toten Ehemann, kämpft erneut mit ihm über ihre Ehe und sein Doppelleben und erfährt von der unsichtbaren Tragödie in ihrer eigenen Wohnung, die mit der Zerstörung ihres Sohnes Mickey endete. Mickey wird im Raum zwischen Jonathan und Marthas widersprüchlichen Porträts von ihm lebendig, während Martha und der Biograf über die anhaltende Relevanz von Jonathans Politik und seine unerfüllte Vision einer neu gemachten Gesellschaft streiten.
Der Roman wird in zwei Stimmen und Zeitebenen erzählt. Erstens aus Sicht des verstorbenen Schriftstellers Jonathan Ascher, und wir hören durch seine Tagebücher von ihm. Zweitens aus Sicht seiner Witwe Martha, die beim Lesen mehr über Jonathan erfährt, als sie sich jemals vorgestellt hat, nachdem sie sich bereit erklärt hat, einem Biographen ihres verstorbenen Mannes zu helfen. Dies wird durch den posthumen Dialog miteinander verbunden, ein stilistisches Mittel, das den Roman zu einem außergewöhnlichen Leseerlebnis macht.
In diesem Roman geht es sowohl um ein Bild der amerikanischen Gesellschaft der 1960er und 1970er Jahre als auch um die Auseinandersetzung mit einem geliebten Menschen nach dem Tod zum Teil mit unbequemen Wahrheiten. Martha erlebt eine intensive Konfrontation mit einem Mann, der sie auch im Tod nicht gehen lässt.