Die Krone Frankens – Unterwegs in Coburg, im Coburger Land und im Süden von Thüringen

Schloss Rosenau Coburg

Kaum in der Urlaubsregion Coburg Rennsteig angekommen, vom Süden, vom Main kommend, wollen wir gleich die „Krone“ sehen. Also steigen wir direkt hinauf, auf die legendäre Coburger Veste. Wohl wegen ihrer markanten Silhouette trägt sie den Beinamen „Fränkische Krone“. Wer den Aufstieg durch den wundervollen Hofgarten, angelegt im Stil eines englischen Landschaftsparks, gemeistert hat, der wird mit Fernblicken in alle Himmelsrichtungen belohnt – und mit Kunstsammlungen von internationalem Rang.

Denkmal auf dem Schlossplatz Coburg

Im Inneren der kolossalen Burganlage haben sich prachtvolle historische Räume und die Reformatoren-Zimmer erhalten, die an Martin Luthers Aufenthalt im Jahr 1530 erinnern. Eindrücklich vermittelt sich beim Rundgang die Geschichte der Veste – ihre Entstehung als eine der größten mittelalterlichen Wehranlagen in Deutschland, ihre Blüte als kursächsisches Schloss im Zeitalter der Reformation, ihr Ausbau zur neuzeitlichen Landesfestung und nicht zuletzt ihre historistische Wiederbelebung als „Schatzkammer“ der Coburger Herzöge. Im 19. Jahrhundert wurde sie unter Herzog Ernst I. im Stil der Neugotik erneuert.

Veste Coburg
Veste Coburg

Zu den Glanzlichtern der Sammlung zählen ein reicher Bestand an Cranach-Gemälden – darunter das berühmte Luther-Porträt –, dazu solche von Dürer, Grünewald und Holbein sowie plastische Werke von Tilman Riemenschneider. Aus herzoglichem Nachlass stammt auch die erlesene Kollektion venezianischer Gläser, die den Weltruf der Coburger Glassammlung begründete. Auch Sonderausstellungen gibt es hier immer wieder zu sehen, wie derzeit etwa eine Schau mit Keramik-Arbeiten von Elly und Wilhelm Kuch (bis 12. November 2023), sowie die Ausstellung „Die Ordnung der Dinge. Graphische Serien erklären die Welt“ (bis 8. Oktober 2023).

Zurück geht es, hinab in den Kern der oberfränkischen Stadt mit ihren etwa 41.000 Einwohnern und Einwohnerinnen. Wir befinden uns, das spürt man noch heute, an einem ganz und gar adeligen Ort: Über Jahrhunderte war die Stadt im Norden Bayerns der Herrschaftssitz von Herzögen, Residenzstadt des einstigen Herzogtums und Treffpunkt des Hochadels. Hier wurde dynastische Weltgeschichte geschrieben. Erst 1920 war es vorbei mit der Macht der Herzöge, und Coburg kam via Volksabstimmung zu Bayern.

Doch erst einmal verzehren wir auf dem prächtigen Marktplatz eine grobe, nicht gebrühte, über Kiefernzapfen, den „Kühla“, gebratene Coburger Wurst. Eine überaus leckere Variante der Thüringer, die schon Martin Luther mit Lust vertilgt haben soll – man nennt sie auch die „evangelische Bratwurst“. Diese Coburger Wurst steckt in einer runden Semmel, die hier traditionsgemäß von oben eingeschnitten wird. Derart kulinarisch angefixt könnte, ja sollte man nun noch einen Coburger „Rutscher“ nachlegen, jenen besonders schlonzigen, weichen Traditions-Kloß der Stadt, der jedweden Braten zu begleiten hat und auf dem Teller beinahe zerfließt. Und damit es noch besser rutscht: ein oberfränkisches Bier! Die Auswahl ist da: Zehn Brauereien gibt es im Coburger Land. Und sogar ein „Klößmarkt“ wird einmal im Jahr abgehalten. Klassisch fränkisch, auf bestem Niveau, isst man in der Altstadt von Coburg übrigens im „Goldenen Kreuz“ – dem ältesten Gasthaus der Stadt.

Coburger Schmätzchen

Bestens gestärkt widmen wir uns zuerst der evangelischen Morizkirche mit dem fantastischen Renaissance-Epitaph aus Alabaster, entstanden im späten 16. Jahrhundert. Danach besuchen wir die Coburger Schlösser: zunächst das innerstädtische Schloss Ehrenburg, sodann etwas außerhalb Schloss Rosenau, Schloss Callenberg und Schloss Hohenstein. Oberfranken, ehemals eine überaus kleinteilige Adelslandschaft – das ist heute eine Region der Burgen, Schlösser und Gärten.

Schloss Ehrenburg, im 16. Jahrhundert als Stadtresidenz der Coburger Herzöge errichtet und unter Herzog Albrecht ab 1690 zu einer barocken Residenzanlage ausgebaut, wurde im 19. Jahrhundert noch einmal umgebaut und erhielt seine englisch anmutende, neugotische Fassade – nach Plänen des Architekten Karl Friedrich Schinkel. Für die Ausgestaltung des Inneren im Stil des französischen Empire war André-Marie Renié-Grétry zuständig. Hier offenbaren sich uns die dynastischen Verbindungen des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha – vor allem fasziniert uns das Schlafzimmer der Queen Victoria, die häufig zu Gast in Coburg, der Heimat ihres Prinzgemahls, war. Außerdem können Werke von Lucas Cranach, holländischen und flämischen Künstlern des 16. und 17. Jahrhunderts sowie Landschaftsbilder der Romantik besichtigt werden.

 

Schloss Rosenau in Rödental liegt inmitten eines Landschaftsgartens nordöstlich von Coburg. Herzog Franz Friedrich Anton von Sachsen-Coburg-Saalfeld ließ den mittelalterlichen Ansitz der Herren von Rosenau im 19. Jahrhundert neugotisch umgestalten – ein Sommersitz ganz im Sinne der Romantik. Auch hier wirkte Karl Friedrich Schinkel mit. Queen Victoria, 1837 bis 1901 Königin des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Irland, die mit Prinz Albert von Sachsen-Coburg verheiratet war, hat das Schloss geliebt. Überliefert ist ihr Satz: „Wäre ich nicht, was ich bin, hätte ich hier mein wirkliches Zuhause.“ Ein klassizistisches Teehaus mit Restaurant, ein wundervoller Park, die Orangerie und das 2008 eröffnete Europäische Museum für Modernes Glas sind auch Teil des Ensembles. Im Museum wird die Geschichte des Studioglases von den 1960er-Jahren bis heute gezeigt. Im Untergeschoss befindet sich die Studiensammlung Keramik – im Obergeschoss des modernen, transparenten Baus sind immer wieder Sonderausstellungen zu sehen, wie bis zum 19. November 2023 die Schau „Studioglas aus Dänemark“.

Schloss Callenberg schließlich finden wir auf einer bewaldeten Anhöhe nordwestlich der Stadt. Ein Radweg durch den Wald führt langsam, aber stetig hinauf. Seit 1826 ist das neugotische Schloss im Besitz der herzoglichen Familie Sachsen-Coburg und Gotha. Auch hier wurde dynastische Geschichte geschrieben: 1932 verlobte sich hier Sibylla, die Tochter des letzten regierenden Herzogs Carl Eduard, mit dem schwedischen Kronprinzen Gustav Adolf. Noch heute ist das Schloss im Besitz der herzoglichen Familie. Hier kann man seit 1998 den Herzoglichen Kunstbesitz bestaunen: Möbel, Gemälde, Porzellan und eine Auswahl an Waffen aus vier Jahrhunderten. Wir finden auch einen Raum mit den Porträts der neun Kinder von Queen Victoria und Prinz Albert, durch welche die Linien von Großbritannien und Coburg bis in die Gegenwart fortgeführt werden. Auch das Deutsche Schützenmuseum hat auf Schloss Callenberg seinen Sitz – und das aus gutem Grund, denn die Gründung des Deutschen Schützenbundes im Jahr 1861 fand im Herzogtum Gotha unter Herzog Ernst II. statt. Die ganze, auch politische, Geschichte des Schützenwesens lässt sich hier erleben.

Und noch ein anderes Schloss liegt ganz in der Nähe, hier in der Burgen- und Schlösserregion Oberfranken: Schloss Hohenstein, 1306 erstmals als Burg erwähnt, sechs Kilometer südwestlich von Coburg. Ein feines Romantik-Hotel hat heute hier seinen Sitz, ein Restaurant und die Oskar-Hacker-Stiftung, die sich um Erhalt und Weiterentwicklung des Schlosses und des spätromantischen Parks kümmert. Auch als Hochzeitskulisse ist das Schloss sehr angesagt. Und zeitgenössische Kunst gibt es hier seit 2021 gelegentlich auch zu sehen – im „Kunstforum Schloss Hohenstein“.

Zurück nach Coburg, in diese noch heute so stark von der Architektur des 19. Jahrhunderts geprägte Stadt. Vor allem die Neugotik ist hier als eine Hommage an das britische Königshaus zu verstehen. Spitzbogen und Fialen, wohin man nur sieht – und das Ganze in seltener Qualität. Schloss Ehrenburg wurde vom Palace of Westminster in London inspiriert. Und der neugotische Bebauungsring ist in ganz Europa einzigartig.

Wir betrachten den Schlossplatz, der unter Mitwirkung von Karl Friedrich Schinkel und Peter Joseph Lenné gestaltet wurde – wirklich einer der grandiosesten Plätze Deutschlands. Schloss Ehrenburg, Palais Edinburgh und das historische Landestheater (welches demnächst saniert wird), die langgestreckten Arkaden im Osten, in der Mitte ein Denkmal Herzog Ernsts I. – all das formt ein Ensemble von bedeutendstem kunsthistorischem Rang, das heute auch für vielerlei Festlichkeiten, etwa für das Schlossplatzfest genutzt wird. Früher hielt hier das in Coburg stationierte III. Bataillon des 6. Thüringischen Infanterieregiments mit viel Tschingderassabum seine Paraden ab.

Kunstverein Coburg

Nur wenige Gehminuten sind es von hier zum Kunstverein, einem der ältesten Deutschlands: Schon 1824 wurde er gegründet. Der Bau ist allerdings sehr in die Jahre gekommen. Hier sollte zügig eine Renovierung stattfinden, um hochrangige Kunst weiter adäquat präsentieren zu können. Bis 20. August 2023 ist hier Malerei und Grafik von Jost Heyder zu sehen – ein mitunter etwas zu süßlich pinselnder Vertreter der Leipziger Schule, dessen Werk in den besten Momenten an Max Beckmann erinnert.

Besuchen Sie – unbedingt! – das kleine Städtchen Seßlach mit seinem ganz besonderen Charme. Ein Kleinod in sanfter Hügellandschaft – in dem der urfränkische Landgasthof „Roter Ochse“ und der „Gasthof Reinwand“ gleich vis-à-vis die schönste kulinarische Begleitmusik spielen. Man isst hier klassisch fränkisch, also etwa ein Schäufele oder einen Sauerbraten mit gut rutschenden Coburger Klößen und dazu ein wunderbar sämiges, leicht süßliches Sauerkraut. Auch das dunkle Bier ist ein Genuss: Es kommt direkt aus dem Seßlacher Kommunbrauhaus, wo seit 1335 gebraut wird. Seßlach mit seiner Stadtmauer und den Türmen war Kulisse des Films „Luther“ und ist wirklich ein Muss. Von hier kann man auch schöne Radtouren unternehmen – etwa zum Barockschloss Tambach mit seinem großen Wildpark.

Weiter mit dem Radl geht es nach Ummerstadt an der Rodach, schon in Thüringen im Landkreis Hildburghausen gelegen. Ummerstadt scheint aus der Zeit gefallen: die kleinste Stadt Thüringens, Deutschlands zweitkleinste. Wundervolles Fachwerk, wohin man nur blickt – aber kein Gasthaus, kein Café lädt zum Bleiben ein. Schon zu DDR-Zeiten sank die Zahl der Einwohner und sie tut es immer noch. Nur noch 452 Menschen leben heute hier in dieser stillen, weltabgewandten Idylle. Zum Abschluss der heutigen Radtour sausen wir hinab ins herrliche Naturbad „Autilus“ im Seßlacher Ortsteil Autenhausen. Das kleine, sympathische Bad überrascht mit ambitionierter Kiosk-Kulinarik.

Seßlach
Seßlach
Seßlach

Im Bad Rodacher Waldbad am Fuße des Georgenbergs badet man inmitten der Natur gleichsam herrlich – etwa 20 Kilometer von Coburg entfernt. In Bad Rodach kann man auch im Winter der Gesundheit frönen, denn seit 1999 ist die Stadt als Heilbad anerkannt und Sitz der wärmsten Thermalquelle Frankens. Von hier aus führt die 2-Thermen-Radtour in das hübsche Bad Colberg in Thüringen. Auf dem Weg durch das Tal der Rodach passieren wir die Gedenkstätte Billmuthausen, die an die deutsche Teilung erinnert: Ab 1952 lag das gleichnamige Dorf in der Sperrzone und wurde – nachdem 1965 schon die Dorfkirche abgerissen wurde – 1978 durch die DDR-Behörden endgültig geschleift. Hier steht nichts mehr, außer einem DDR-Grenzwachturm. Nur der Friedhof blieb erhalten – die Wüstung ist ein erschreckender Ort inmitten der nordfränkischen Idylle. Das Thermalbad Bad Colberg selbst besitzt noch – zum Teil reichlich marode, doch stimmungsvolle – neubarocke Kuranlagen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Zu DDR-Zeiten wurde die Kurklinik als Sanatorium genutzt. Die moderne Terrassentherme ist derzeit für den öffentlichen Badebetrieb geschlossen. Patienten der Median Klink haben jedoch Nutzungsmöglichkeiten. Die mit Gas beheizte Therme, so lassen die Klinikbetreiber auf einem Schild an der Eingangstür wissen, soll demnächst technisch umgerüstet werden, doch so ganz glaubt man hier nicht an eine Wiedereröffnung.

Ein echter Höhepunkt für Wanderer ist natürlich der Rennsteig noch weiter im Norden. Ein Höhenweg wie aus dem Bilderbuch, der den Thüringer Wald, das Thüringer Schiefergebirge und den nördlichen Frankenwald passiert. Fast 170 Kilometer schönste Natur vom Mittellauf der Werra bei Eisenach bis zum Oberlauf der Saale bei Blankenstein. Der Rennsteig ist der älteste und einer der bekanntesten Weitwanderwege Deutschlands – uralte, verwitterte Grenzsteine erzählen von seiner wechselvollen Geschichte.

Er ist ein Kulturdenkmal mit 1300 historischen Grenzsteinen, ein „deutscher Bergpfad“, wie ihn Joseph Victor von Scheffel beschrieben hat, ein sagenumwobener Weg, den schon Luther benutzte – vor allem aber ist der auch von Thomas Mann in „Doktor Faustus“ gepriesene Rennsteig heute ein vom Deutschen Wanderverband ausgezeichneter Qualitätswanderweg, der sogar einen eigenen Gruß hat! Wer auf dem Rennsteig wandert, der grüßt sich traditionell mit „Gut Runst!“, wobei „Runst“ für „rennen“ steht, auch wenn man ihn ganz gemächlich erwandern kann.

Soviel gibt es zu sehen und zu erleben in und um Coburg, diesem neugotischen Schmuckkästchen im Nordosten Bayerns. Manches gibt es hier, was man so gar nicht vermutet. Wussten Sie etwa, dass hier, in Coburg, das größte Samba-Festival außerhalb Brasiliens stattfindet? Oder kennen Sie die „Coburger Schmätzchen“? Das sind die typischen Gewürzplätzchen, die bis heute der ehemalige Hoflieferant, die Bäckerei Feyler, mit Sinn für Tradition herstellt. Die sollten Sie probieren! Gebäck vom Hoflieferanten – da kommt man sich beinahe selbst ein bisschen aristokratisch vor.  © Marc Peschke

www.coburg-rennsteig.de

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Finanzen

Über Marc Peschke 17 Artikel
Marc Peschke, 1970 geboren, Kunsthistoriker, Texter, Kulturjournalist und Künstler, lebt in Wertheim am Main, Wiesbaden und Hamburg. Er hat in Mainz Kunstgeschichte, Komparatistik und Ethnologie studiert. Seitdem schreibt der gebürtige Offenbacher unter anderem über Bildende Kunst, Fotografie, Fotokunst und Popmusik. Gelegentlich arbeitet er auch als freier Kurator, war Mitinhaber und Mitbegründer der Fotokunst-Galerie KUNSTADAPTER in Wiesbaden und Frankfurt am Main – sowie der Kultur-Bar WAKKER in Wiesbaden. In Wertheim am Main ist er Kurator des exklusiven Kunstraum ATELIER SCHWAB. Seit 2008 zahlreiche eigene Ausstellungen im In- und Ausland. Marc Peschkes künstlerische Arbeiten entstehen zumeist auf seinen zahlreichen Reisen und sind in verschiedenen nationalen und internationalen Sammlungen vertreten. Seit 2020 ist Marc Peschke unter dem Namen MASCHERA auch wieder als Musiker aktiv. Im Jahr 2022 wird er kuratorisch die Wiesbadener Fototage unterstützen. www.marcpeschke.de