In der von Otfried Höffe herausgegebenen Reihe Klassiker auslegen werden die bedeutendsten Werke der Philosophiegeschichte in Form kooperativer Kommentare von international renommierten Philosophen entschlüsselt und kommentiert. In diesem Kommentar geht es um die Hauptschrift Ludwig Feuerbachs „Das Wesen des Christentums“ (WdC). Hier werden alle Textabschnitte des Buches analysiert und die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte beschrieben.
Nach Hinweisen zu Zitierweise und Siglen präsentiert der Herausgeber in der Einleitung die Lebensstationen Feuerbachs, die Entstehungsgeschichte des Werkes, die drei Auflagen 1841, 1843 und 1849 sowie das ambivalente Verhältnis Feuerbachs zu Hegels Religionsphilosophie.
Walter Jaeschke arbeitet in seinem Essay die ambivalente Haltung gegenüber Hegels Religionsphilosophie heraus, die das WdC von Anfang bis Ende durchzieht. Christine Weckwerth charakterisiert das WdC in der philosophischen Entwicklung Feuerbach. Sie bezeichnet das Werk als „einen Schlüsseltext der nachhegelschen Philosophie“ (S. 31). Weckwerth stellt dessen philosophiegeschichtlichen Hauptquellen, die Eckpunkte bezogen auf die Entfaltung der Religionsproblematik und die theoriegeschichtliche Stellung des Werkes innerhalb der anthropologischen Philosophie Feuerbachs dar.
Im Folgenden stellen verschiedene Autoren jeweils in eigenen Essays Teile des Werkes und die Hauptaussagen vor.
In seinem Beitrag rückt Matthias Petzoldt drei Problemstellungen in den Mittelpunkt, die in besonderer Weise die Theologie herausfordern: die Fragen nach dem Zusammenhang von Anthropologie und Theologie, nach einem neuen Verständnis von Religion und nach dem spezifisch Christlichen. Dabei verdeutlicht er, wie vielfältig Feuerbachs Religionskritik bis heute nachwirkt und die gegenwärtige Theologie beschäftigt. Anschließend geht Christine Weckwerth auf die philosophischen Perspektiven des WdC ein. Sie arbeitet heraus, dass die Schrift bis heute als ein Abgesang auf das Christentum gilt, wobei Feuerbach in eine Reihe mit Religionskritikern wie Max Stirner. Friedrich Nietzsche oder Richard Dawkins gestellt wird. Im Folgenden diskutiert sie drei Perspektiven des Werkes: eine religionsphilosophische, eine anthropologische und eine moralphilosophische. Dabei hebt sie besonders letzteres hervor: „Ungeachtet der embryonalen Gestalt wie idealistischer Tendenzen enthält Feuerbachs Ethikentwurf, wie ich denke, durchaus anschlussfähige Theorieelemente. (…) Neben Feuerbachs Religionsphilosophie und Anthropologie sollte damit auch seiner im Wesen des Christentums angelegten Ethik wieder Gehör geschenkt werden.“ (S. 237)
Im Anhang findet man noch eine Auswahlbibliografie, ein Personenregister und Hinweise zu den Autoren des Bandes.
Hinter der Erläuterung geistert quer durch das Buch der Schatten Hegels. Die Hauptthese aller Beiträge lautet: Feuerbach präsentiert in diesem Buch weniger eine Religionskritik, sondern eine Kritik der Theologie, wobei er auf Hegels Religionsphilosophie zurückgreift. Dies wird detailliert und auf Basis der neuesten Forschung begründet. Auch die spannende Frage, was Feuerbach uns heute noch zu sagen hat, wird hinreichend beantwortet. Bei der Wirkungsgeschichte ist jedoch etwas Entscheidendes nicht genügend herausgearbeitet: Den direktesten Einfluss übte Feuerbach auf die Herausbildung der Philosophie von Karl Marx aus, nicht nur durch dieses Werk. Da wäre ein eigenes Essay über Feuerbach und Marx wünschenswert gewesen.
Andreas Arndt (Hrsg.): Ludwig Feuerbach: Das Wesen des Christentums. Klassiker auslegen, De Gruyter, Berlin/Boston 2020, ISBN: 978-3-11-067695-2, 24,95 EURO (D)