Louis Fürnberg in Buchenwald geehrt – Sudetendeutscher Autor starb 1957 in Weimar

Sonnenuhr, Foto: Stefan Groß

Der einstige DDR-Schriftsteller Louis Fürnberg (1909-1957), geboren im mährischen Iglau, wo seit dem 13. Jahrhundert Silber abgebaut wurde, ist zu seinem 60. Todestag am 23. Juni 2017 von der KZ-Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar geehrt worden. Der Verfasser kommunistischer Kampfgesänge wie „Du hast doch ein Ziel vor den Augen“ (1937) und „Das Lied von der Partei“ (1950) hatte die letzten drei Jahre seines Lebens in Weimar verbracht, wohin er 1954 aus Prag übergesiedelt war.
Im Verwaltungstrakt des ehemaligen Konzentrationslagers wurde jetzt das Arbeitszimmer samt Bibliothek des Autors aufgebaut und in die Bildungsarbeit eingebunden. Dabei handelt es sich um eine Dauerleihgabe der Erben Louis Fürnbergs, die schon 2006 der Gedenkstätte übergeben wurde, nachdem zwei Jahre zuvor seine Witwe Lotte Fürnberg (1911-2004) im Alter von 92 Jahren in Weimar gestorben war. Der kommunistische Autor gehörte schließlich mit seinen Gedichten und Prosatexten, von denen die „Mozart-Novelle“ (1947) auch im Zürcher Manesse-Verlag 1991 veröffentlicht wurde, zur weitgefächerten deutschsprachigen Literatur Böhmens und Mährens, deren bekanntester Vertreter Franz Kafka (1883-1924) gewesen war. Zur feierlichen Eröffnung des Erinnerungsraumes am 23. Juni hielt Dr. Jan Gerber vom Simon-Dubnow-Institut in Leipzig die Festrede zum Thema „Die Folgen des Slansky-Prozesses für jüdische Intellektuelle“, während Tochter Alena Fürnberg, 1947 in Prag geboren und bis 1914 Professorin am Schauspielinstitut „Hans Otto“ in Leipzig, Texte ihres frühverstorbenen Vaters vortrug.
Was der Prozess gegen den jüdischen Kommunisten Rudolf Slansky (1901-1952) in Prag 1952 und 13 Mitangeklagte, der mit elf Todesurteilen endete, im Leben Louis Fürnbergs bedeutete, muss erklärt werden. Der Schriftsteller wurde am 24. Mai 1909 in der deutschen Sprachinsel Iglau als Sohn eines deutsch-jüdischen Tuchfabrikanten geboren, wuchs aber im böhmischen Karlsbad auf, wo er das Gymnasium besuchte und 1926 in die „Sozialistische Jugend“ eintrat. Im Jahr darauf ging er nach Prag, besuchte die „Deutsche Handelsakademie“ und begann, in deutschsprachigen Zeitungen Gedichte zu veröffentlichen, 1928 wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und heiratete 1937 Lotte Wertheimer, auch sie Kommunistin und Tochter eines österreichisch-jüdischen Fabrikanten.
Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Prag am 14. März 1939 wurde das Ehepaar Fürnberg bei einem Fluchtversuch verhaftet, konnte aber 1940 über Jugoslawien ins britische Mandatsgebiet Palästina fliehen. In Jerusalem lebten Lotte und Louis Fürnberg von 1941 bis 1946, pflegten Freundschaft mit dem in Haifa wohnenden, aus Schlesien stammenden Romanschriftsteller Arnold Zweig (1887-1968), schrieben Artikel für deutsche Exilzeitschriften wie den 1942/43 erscheinenden „Orient“ und kehrten dann nach Prag zurück, in die Hauptstadt eines Landes, dem die „Machtergreifung“ der Kommunisten am 25. Februar 1948 noch bevorstand. Wie vor dem Krieg arbeitete Louis Fürnberg für Prager Zeitungen, leitete im Informationsministerium die Abteilung zur Aufnahme kultureller Beziehungen mit den deutschsprachigen Ländern und wurde 1948 für drei Jahre als Erster Botschaftsrat seines Landes nach Ostberlin geschickt.
Im Jahr 1953, ein Jahr nach seiner Abberufung aus der DDR-Hauptstadt, wurde er für seine journalistischen Arbeiten mit dem „Julius-Fucik-Preis“ ausgezeichnet. Der Namensgeber dieses Preises, Julius Fucik (1903-1943), ein tschechischer Kommunist und Widerstandskämpfer gegen die deutsche Besatzung, der am 8. September 1943 in Berlin-Plötzensee gehängt worden war, hätte ihn vor politischer Verfolgung schützen können, aber Louis Fürnberg zog es dann doch vor, 1954 die DDR-Staatsbürgerschaft einzufordern und nach Weimar, der Stadt der deutschen Klassik, überzusiedeln. Diese Entscheidung für den SED-Staat hatte ihre besonderen Gründe, die in DDR-Literaturgeschichten gerne verschwiegen werden: Es war die nackte Angst, als „Abweichler“ (Begründungen fanden sich immer!) oder als „Trotzkist“ und „jüdischer Verschwörer“ von den eigenen Genossen verhaftet, angeklagt und verurteilt zu werden. Der angstauslösende Vorfall war der Prozess vom 20. bis 27. November 1952 gegen Rudolf Slansky (1901-1952) und Genossen, der mit elf Todesurteilen geendet hatte, die am 3. Dezember vollstreckt worden waren. Unter den Exekutierten war nicht nur der jüdische Schriftsteller Otto Katz (1895-1952) gewesen, der im mexikanischen Exil gelebt hatte, sondern auch Otto Fischl (1902.1952), der unmittelbare Vorgesetzte Louis Fürnbergs, der mit ihm 1952 aus Ostberlin abberufen worden war.

Über Jörg Bernhard Bilke 263 Artikel
Dr. Jörg Bernhard Bilke, geboren 1937, studierte u.a. Klassische Philologie, Gemanistik und Geschichte in Berlin und wurde über das Frühwerk von Anna Seghers promoviert. Er war Kulturredakteur der Tageszeitung "Die Welt" und später Chefredakteur der Kulturpolitischen Korrespondenz in der Stiftung ostdeutscher Kulturrat.

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