Literarisches München in der Künstlervilla

Elisabeth Tworek war um neue Ideen für die von ihr geleitete Stadtbibliothek „Monacensia“ noch nie verlegen. Erklärte sie sie erst als „das literarische Gedächtnis der Stadt München“, ging sie bald daran, ihr neuen architektonischen Glanz zu geben. „Wir sind wieder da!“, meldete sich Frau Direktor „nach denkmalgerechter Sanierung“ ihres Hauses an der Maria-Theresia-Straße 23 durch das städtische Baureferat zum zweiten Dezemberwochenende 2016 zurück. Die Neueröffnung feierte sie drei Tage mit Lesungen, einer Buch-Präsentation und Führungen; denn nicht nur die Architektur wurde erneuert, sondern auch die inhaltliche Konzeption der seit 1977 im Hildebrandhaus untergebrachten „Monacensia“.

„Viel Neues ist zu sehen“, erklärt die promovierte Literatin Elisabeth Tworek, „und zu erleben: Die öffentlich nutzbaren Flächen haben sich deutlich erweitert, es gibt neue Bibliotheks- und Leseräume, eine Dauerausstellung zum `Literarischen München zur Zeit von Thomas Mann`, eine Präsentation zur Biografie der Künstlervilla, Raum für Wissenschaft und kulturelle Bildung und nicht zuletzt mit dem neu gestalteten Garten und dem Café MON ein angenehmes Ambiente für die entspannte Muße“.

Das ohnehin schon als Münchner Bau-Kleinod bekannte Hildebrandhaus im vornehmen Stadtteil Bogenhausen ist noch schöner geworden. Der riesige, wunderbar helle und hohe, mit Sitzgelegenheiten ausgestattete Hauptraum – jetzt mit weißen Wandregalen bis an die Decke – war das Atelier Adolf von Hildebrands (1847 – 1921). Ein ungewöhnlich hohes, grün gestrichenes Eisentor – hier mussten die oft sehr hohen Bildwerke durch – führt ins Café und durch einen strengen Glasanbau weiter nach draußen in den nicht allzu großen Garten.

Zu besichtigen und zu genießen ist dies alles künftig bei regelmäßig von Dozentinnen der Münchner VHS bestrittenen öffentlichen Führungen. Sie gehen zunächst auf die Baugeschichte des Hildebrandhauses ein, das nach Plänen Gabriel von Seidls 1898 fertig geworden war, damit der bei den Führungen ausführlich vorgestellte Künstler Adolf von Hildebrand, der aus Marburg stammte und 1866 nach München gekommen war, mit seiner großen Familie (fünf Töchter, ein Sohn) einziehen konnte.

Zur neu eingerichteten Dauerausstellung „Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann“, die sich auf Parterre und Obergeschoss erstreckt, schrieb Elisabeth Tworek den Text für einen Bildband gleichen Titels, der rechtzeitig im Regensburger Verlag Friedrich Pustet erschien. Zahlreiche Dichter-„Reliquien“ – ins Auge fallen die Schreibtische von Oskar Maria Graf und Frank Wedekind, bei genauem Hinsehen sind etwa ein Rubinglas Lena Christs mit der Aufschrift „Sei glücklich“ oder Anette Kolbs Reisepass zu entdecken – erinnern unmittelbar an Münchens reiches literarisches Schaffen in der Zeit zwischen 1894 und 1933, als Thomas Mann, seit 1929 Literaturnobelpreisträger, an der Isar lebte. Damit tut sich für den Betrachter die flirrende und auch irritierende Spanne zwischen Schabinger Bohème und Hitlers „Hauptstadt der Bewegung“ auf.

 

Öffnungszeiten der „Monacensia“ im Hildebrandhaus: Mo – Mi, Fr 9.30 Uhr bis 17.30 Uhr, Do 12 bis 19 Uhr, Sa, So 11 – 18 Uhr. Bibliothek und Literaturarchiv sind Mo – Mi, Fr 9.30 Uhr bis 17.30 Uhr sowie Do 12 bis 19 Uhr auf. Die „Monacensia“ hat barrierefreien Zugang.

 

FOTO (H.G.)

Einst Künstler-Atelier, jetzt Großraum für literarische Veranstaltungen mit originalen Hildebrand-Reliefs im Regal – die „Monacensia“ hat sich gewandelt und gemausert.  

Über Hans Gärtner 499 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.

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