Lisz Hirn: Wer braucht Superhelden. Was wirklich nötig ist, um unsere Welt zu retten, Molden, Wien-Graz 2020, ISBN: 978-3-222-15050-0, 22 EURO (D)
Die Philosophin Lisz Hirn widmet sich in ihrem neuen Buch der menschlichen Sehnsucht nach einem (männlichen) Superhelden, der einfache Antworten auf komplexe politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme gibt. Das Bild traditioneller Männlichkeit erlebt ein Revival: „Härte, Mut, eiserner Wille, emotionale Verschlossenheit und wenn nötig Gewalt gehören dazu –Schwäche und Verletzlichkeit finden keinen Platz in dieser männlichen Identität.“ (S.11) Stärke oder das öffentliche Demonstrieren von Stärke wird zum Maß aller Dinge. In diesem Zusammenhang benennt sie Trump Wer gewinnt die US-Wahl?, Erdogan und Putin als typische Vertreter. Die Rolle von Helden habe sich im Laufe der Zeit gewandelt: „Stellt der klassische Held noch eine Gefahr für die bestehende Ordnung dar, ist der Superheld der perfekte Untertan. Kämpften die klassischen Helden noch für ihre Gruppe oder Länder, geht es bei den Superhelden um nichts mehr als die Rettung der Menschheit.“ (S. 19)
Die zahlreichen Unsicherheiten und Bedrohungsszenarien lassen Ängste in der westlichen Welt wachsen, was die Rufe nach einem Retter oder starken Mann zur Folge haben. Dies manifestiert sich im Anwachsen rechter und rassistischer einfacher Weltdeutung und dem Akzeptanzzuwachs solcher Parteien. Sie untersucht auch den Wunsch vieler Menschen, selbst zum Superhelden zu werden, sich und seinen Körper zu optimieren, alles zu messen und zu bewerten.
Dieser kritischen Überlegungen will sie durch die Rückkehr zu einem normalen Maß begegnen: „Superman und seine Konsorten sollten uns eine Warnung sein. Vielleicht müssen wir unserer conditio humana, also den Umständen des Menschseins, ins Auge sehen. Was wäre, wenn wir uns dazu entschließen, menschliche Eigenschaften wie Verletzlichkeit, Sterblichkeit und Empfindsamkeit nicht mehr als Schwäche zu sehen?“ (S. 137) Die wahre geheime Superkraft sei die menschliche Vernunft.
Von der Argumentation und der Stoßrichtung ist dies ein tolles und lesenswertes Buch. Die Rückkehr zum menschlichen Maß wird auch in der Wirtschaft und der Klimapolitik benötigt: Weniger ist mehr. Wirtschaftswachstum und mehr Konsum ist nicht alles. Die Sehnsucht nach einem starken Mann hat das abscheulichste aller Menschheitsverbrechen, den Holocaust, und nebenbei auch den 2. Weltkrieg zur Folge gehabt. Das allein sollte schon Warnung genug sein. Die beste Immunisierung dagegen ist immer noch der autonom denkende und handelnde Mensch.
Ein wenig Kritik gibt es dennoch an den hier entwickelten Thesen:
Es gibt eher ein Nebeneinander der Sehnsucht nach einem starken Mann und dem öffentlichen Zeigen von Schwäche oder Angst, die sich gegeneinander bedingen. Dies lässt sich zum Beispiel an dem Erfolg der Krimiserie Monk in zahlreichen Ländern zeigen. Der intellektuelle Ermittler Adrian Monk ist in psychotherapeutischer Behandlung und sein Alltag ist von zahlreichen Phobien und Zwangsstörungen geprägt. Er benötigt ständig Hilfe durch eine persönliche Assistentin. Deren Aufgabe ist es vor allem, alles von Monk fernzuhalten, was ihm Angst macht. Diese Szenen sind aber nicht nur da, um die Serie unterhaltsamer zu machen. Die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz in den letzten Jahrzehnten, dass Männer eine psychotherapeutische Behandlung machen und dabei über ihre Schwächen reden, ist auch so ein Indikator.
In dem Forschungssegment „Frauen und extreme Rechte“ hat sich herausgestellt, dass in den letzten Jahrzehnten Militanz und Stärke auch von den natürlich unterrepräsentierten weiblichen Mitgliedern ausgeübt werden will, sprich die Zugehörigkeit „zur kämpfenden Front“. Es bleibt also viel Diskussionsstoff.