Mit einer Reihe bleiverglaster Vorhängescheiben, Ölbilder und Arbeiten auf Papier präsentiert sich der Maler und Bildhauer Helmut Kästl im Forum IV der Obersten Baubehörde. Licht + Leben – wie der Titel der Werkschau verheißt, – sind Begriffe, die sich in direkten Bezug zu einem der wiederkehrenden Motive im Schaffen des bayerischen Künstlers stellen, nämlich die Sonne.
Eine strahlende Sonne im Mittelpunkt der Komposition oder als ein flüchtiges, rätselhaftes Erscheinungswesen am äußersten Rande des Bildes begriffen. Mal ist es eine glühende, intensiv rote oder gold-gelbe, mal eine nur angedeutete dunkelblaue Sonne. Oder – wie in dem sugggestiven „Erweckung der Morgenröte“ – nur noch ein diffuses, warmes orangefarbenes Schimmern, das die dunklen Schatten der Nacht vertreibt.
Die Sonne als Archetyp, präsent seit der Antike in der Weltliteratur und seit Menschengedenken fruchtbare Inspirationsquelle für Dichter aller Länder und Generationen. In der Werkschau in einer Art der Darstellung als abstrahierte runde Scheibe zu sehen, die an den nüchternen Abbildungen des Sonnengottes in der Amarnaperiode im Alten Ägypten anknüpft. Die Sonne als „Schöpfer und Erhalter alles Lebenden“, wie sie von König Echnaton in seinen auf Inschriften in den Felsgräbern überlieferten Hymnen an Aton feierlich besungen wurde. Mit „einer Inbrunst, die – so Sigmung Freund in seinem Essay „Der Mann Moses und die monotheistische Religion“ – erst viele Jahrhunderte später in den Psalmen (David Ps 104) zu Ehren des jüdischen Gottes Jahve wiederkehren wird. Der an Intensität gleichkommende Lobpreis eines einzigen Schöpfergottes findet sich noch einmal erst im 12. Jahrhundert n. Christi Geburt im „Sonnengesang“ des Franz von Assisi, den Helmut Kästl eher in seiner ursprünglichen Bedeutung rezipiert, nämlich als liebevollen „Gesang der Geschöpfe“, als Gesang aller Lebewesen, wie es in der altitalienischen Originalsprache heißt.
Die sich in Kästls Stillleben stets wiederholenden Elemente sind in Wirklichkeit sehr unterschiedlich und kommen erst voll zur Geltung in Kompositionen, die nichts anderes sind als das Resultat eines langwährenden meditativen Prozesses. So beispielsweise sein immer aufs Neue verwandelte Radstern, dessen Speichen ein Sonnenbild formen, während das Quadrat des Bildgrundes mit seinen gleichlangen Seiten sowohl für die vier Elemente als auch für die vier Himmelsrichtungen steht. Das Rad wirkt dabei als Symbol für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, während das Drehen auf die endlose Wiederholung von Tag und Nacht, Leben und Tod hinweist.
Kreis, Dreieck, Quadrat, Scheibe, Ziffer sind die Buchstaben, mit denen Helmut Kästl sein poetisches Universum füllt. Nie einzeln oder losgelöst im Raum, werden all diese Elemente und Formen durch eine „zeichenhafte Senkrechte in die Korrespondenz von oben und unten eingebunden, während eine geschichtete Waagrechte das Außerirdische – Himmel und Hoffnung – andeutet“. Von großer Spiritualität durchdrungen, wirken sie letztendlich wie ein Kosmos, in dem sich der Blick des Betrachters langsam verfängt, um in die Tiefe seines Selbst hineinzuschauen.
Vom 19. Juni bis 5. Juli 2013
Franz-Josef-Ring 4
80539 München
(gegenüber vom Haus der Kunst)
geöffnet werktags Mo-Fr. 8 bis 18 Uhr
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