Lepanto-Almanach – Jahrbuch für christliche Literatur- und Geistesgeschichte, Band 4/5, Jahrgänge 2023/24, Rückersdorf üb. Nürnberg: Lepanto Verlag 2023; Broschur, 602 Seiten, ISBN 978-3-942605-34-2, € 20,90.
Gertrud von le Fort – eine wichtige Stimme. Ihre Bücher sind aus den 1960er Jahren bekannt, damals hatte sie enorme Resonanz. Ihre Texte ebenso wie die vieler Literatenkollegen, Reinhold Schneider sei exemplarisch genannt – spiegeln das christliche Erbe Europas in anspruchsvoller, schöner, erzählender Literatur. Zugleich waren sie eine Antwort der abendländischen Kultur an Diktatur und Verrohung, ein Gegenentwurf zu Kommunismus und Nationalsozialismus.
Wer liest Gertrud von le Fort heute? Wer deutet die Texte aus dieser literaturgeschichtlich wichtigen Epoche für die heutige Zeit? Der Lepanto-Almanach! Dieses Periodikum, bescheiden und doch so gewichtig, hat abermals einen Schritt nach vor gemacht. Soviel sei vorab verraten. Dieses Jahrbuch dokumentiert mit seinem aktuellen, umfangreichen Doppeljahrgang, dass es immer mehr zum geistesgeschichtlichen Taktgeber wird. Zum Forum für die wachsende Schar derer, die deutsche Geistesgeschichte nicht mit den Fragen nach Klimaklebern, Gendersternchen und Sondervermögen konnotieren und vermengen wollen.
Im Vorwort wird bereits deutlich, daß dem Band ein sehr stringentes Konzept zugrunde liegt. Sein Hauptteil bildet eine Tagung ab, die im September 2022 stattfand: „Gertrud von le Fort im Strahlungsfeld des deutsch-französischen Renouveau catholique“. Die Dichterin, die von 1876 bis 1971 lebte, kommt in den dort gehaltenen Vorträgen, die durchaus eine breite öffentliche Aufmerksamkeit verdienen, wieder ins Gedächtnis und damit zu Ehren. Thematisiert wird ihre geistige Herkunft und die kulturelle Landschaft, in der sie wirkte. Dazu gehörte vor allem die deutsche katholische Literaturbewegung, die seit der Jahrhundertwende für einen großen kulturellen Aufbruch sorgte und eng mit dem bereits genannten, gesamteuropäischen Renouveau catholique verbunden war.
Die Texte sind dieser Tagung im Lepanto-Almanach in wesentlich erweiterter und wissenschaftlich vertiefter Form versammelt. Die Namen der Autoren haben Klang und Gewicht: Gudrun Trausmuth, Veit Neumann, Andreas Matena, Felix Hornstein, Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz; grundlegend und breit angelegt ein Text aus der Feder von Christoph Fackelmann, dazu sehr anrührend Günter Scholdt über Widerstand und Angst bei Werner Bergengruen im Angesicht des Nationalsozialismus.
Es folgen die „Skizzen“, die manch gute Anregungen zu bedeutenden christlichen Literaten bietet, sowie die neu in den Themenkanon aufgenommene Rubrik „Werkstatt“. Ausführlich darin Walther von der Vogelweide, die Texte kommentiert von Christoph Fackelmann. Erwähnenswert ist auch ein sehr anrührender Gedichtzyklus von Christoph Pola unter dem titel „Dunkle Seelennacht“. Einige Miszellen sind unter „Umschau“ zusammengefasst, und darin fällt die Diskussion von Begriffen wir „Technokratie“, „Totalitarismus“ und „Propaganda“ auf – Till Kinzel steuert unter dem Oberbegriff „verfluchte Neuzeit“ eine „Geschichte des reaktionären Denkens“ bei.
602 von vorn bis ganz zum Schluss lesenswerte Seiten, ein Doppelband, auch für 2024. Und der Lesestoff reicht wahrlich! Als abschließender Hinweis dieses kurzen Rezension sei David Zöllners Eröffnung des Bandes hier erwähnt, die allein schon geeignet, den Lepanto-Almanach 2023/24 stante pede zu bestellen: „Die trinitarische Ontologie als Ansatz zur Erneuerung des abendländischen Denkens“. Allein für diese Überschrift hätte sich schon der ganze Band gelohnt, denn dies ist ein Terminus, der bereits eine Lösung in sich birgt, die Klimapanik, Genderzwist und Sondervermögen spielend überwindet und die Feststellung trifft, „daß sich das europäische Denken bis in die Gegenwart hinein nicht ohne den Bezug auf die heilige Überlieferung des Christentum verstehen“ lässt.
Zöllner schreibt: „In dem Geschehen der wechselseitigen Beeinflussung von Philosophie und Theologie stand die Trinität nicht nur thematisch im Zentrum – das Geschehen des Dialogs zwischen Vernunft und Offenbarung gewinnt selbst Anteil am trinitarischen Geschehen. Wenn sich ein Philosoph wie Jean Paul Sartre des atheistischen Existentialismus bedient, folgt er damit einem Glaubenssatz, der die Antithese zur Existenz der Trinität Gottes darstellt. Damit aber erkennt er Gott in seiner Existenz an, denn eine Antithese ist ohne eine grundlegende These – die Existenz des dreieinigen Gottes in diesem Fall – nicht möglich.
Fazit: Kaum ist der Lepanto-Almanach aufgeschlagen, beginnt das gewinnbringende Nachdenken. Anders kann es nicht gesagt werden. So sei dieses Werk als Lektüre für die kommenden Weihnachtstage ganz ausdrücklich empfohlen. Bei der Herstellung ist auf stilistische Klarheit und bescheidene Ausstattung geachtet worden. Entstanden ist ein broschiertes Buch, das sein großartiges, geistig wie geistlich wirksames Potential in nobler, zurückhaltender und preisgünstiger Weise entfaltet.