Ein Gesetzesbeschluss über den Haushalt 2020 durch den derzeitigen Landtag „wäre mit verfassungsrechtlichen Risiken behaftet“. Das ist das Ergebnis eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Diensts des Thüringer Landtags vom 24. Januar 2019. Die Thüringer CDU-Landtagsfraktion hatte das Gutachten in Auftrag gegeben und hat es heute vorgestellt. „Diese Risiken ergeben sich aus dem Budgetrecht und der zeitlichen Begrenzung demokratisch legitimierter Herrschaft. Es geht um einen nicht statthaften Übergriff auf die kommende Wahlperiode, die parlamentarische Demokratie würde entkernt“, fasste der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Mike Mohring, das Ergebnis zusammen. Er fordert Rot-Rot-Grün auf, den Haushalt nicht zu verabschieden.
Wie die Landtagsverwaltung feststellt, sind weder im Bundestag noch in irgendeinem der deutschen Landtage je Haushaltsgesetze beschlossen worden, die ausschließlich die nächste Wahlperiode betreffen. Üblich ist nach Wahlen die sogenannte Nothaushaltsführung. Sie erlaubt dem Land, alle gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen, setzt einer geschäftsführenden Regierung aber Grenzen, damit sie den politischen Willen eines neu gewählten Parlaments nicht übergehen kann. Der Verweis auf die in anderen Ländern gelegentlich üblichen Doppelhaushalte mit einem Haushaltsjahr in der alten und einem in der neuen Wahlperiode taugen laut Gutachten nicht, um den Übergriff ausschließlich auf die neue Wahlperiode zu rechtfertigen. Wahlperiodenübergreifende Doppelhaushalte sind auch nach Art. 99 ThürVerf eine „zulässige Besonderheit“.
Auch das von der Landesregierung vorgetragenen Argument, dass ein neuer Landtag den Haushalt 2020 mit einem Nachtragshaushalt ändern könnte, ist laut Landtagsverwaltung nicht stichhaltig. Der Grund dafür ist das in Art. 99 Abs. 3 ThürVerf verankerte Einbringungsmonopol der Landesregierung. Eine neue Landtagsmehrheit kann andere politische Vorstellungen nicht durchsetzen, wenn eine geschäftsführende Landesregierung keinen Nachtragshaushalt einbringt. Laut Mohring geht es Ministerpräsident Bodo Ramelow mit dem Haushalt darum, „möglichst ungehemmt weiter agieren und im Ergebnis die Bildung einer neuen Regierung stören zu können, wenn Rot-Rot-Grün abgewählt ist. Da wird das Wählervotum und wird die parlamentarische Demokratie mit Füßen getreten“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende wörtlich.
Das Gutachten beschäftigt sich eingehend mit dem Spannungsverhältnis zwischen einerseits der Anforderung, Haushalte vor Beginn des Rechnungsjahres zu verabschieden, dem sogenannten Vorjährigkeitsgebot, und dem Budgetrecht des neuen Landtags. Das Budgetrecht wiegt am Ende schwerer, weil die Möglichkeiten eines neuen Landtags, sein Budgetrecht gerade bei der von Ramelow angenommenen Lage durchzusetzen, zu schwach ausgeprägt sind. „Der Verfassungsgeber wollte nicht, dass eine geschäftsführende Regierung politisch gestaltend auftritt. Dieser Haushalt 2020 ist eine antidemokratische Machtanmaßung“, so Mohring.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende mahnte Rot-Rot-Grün nachdrücklich, das Haushaltsvorhaben aufzugeben. „Es gibt Alternativen zu dieser Aushöhlung der parlamentarischen Demokratie. Die Verfassung sieht eine vorläufige Haushaltsführung ausdrücklich vor. Es gibt aber auch andere, von der Landtagsverwaltung aufgezeigte Wege“, so der Unionspolitiker. Die einfachste und sauberste Lösung sei jedoch, sich an der Praxis des größten Parlaments, des Bundestags zu orientieren. „Die Bundesregierung legt einen Haushalt vor, der dann der Diskontinuität unterfällt. Damit sind die Vorarbeiten gemacht, und das Budgetrecht des neuen Parlaments bleibt gewahrt“, so Mohring abschließend.