Wer kennt es nicht, das Tacheles in Berlin? Bunt und schrill steht das 1907 errichtete ehemalige Kaufhaus an der Oranienburger Straße. Eine Trutzburg der alternativen Kunstszene – ein wichtiger Ort für künstlerische Experimente und seit Jahren ein international begehrter Ausstellung- und Arbeitsort. Als Produktionsort für zeitgenössische Kunst beherbergt Tacheles 31 Ateliers. Hunderte Künstler aller Sparten aus dem In- und vor allem aus dem Ausland, haben in den vergangenen 19 Jahren im Tacheles gearbeitet und auf den rund eintausend Quadratmeter Galeriefläche ausgestellt. Der weltweite künstlerische Austausch ist eines der Markenzeichen des Tacheles e.V. der das Kunsthaus betreibt.
Diesem Kunsthaus droht nun das Aus. Denn Besitzer ist eine zur Fundus-Gruppe gehörende Firma. Wie viele andere Firmen im Besitz der Familie Jagdfeld, geriet auch die Tacheles betreffende Firma in finanzielle Schieflage. Zur Gruppe gehören auch die Nobelhotels Adlon und Heiligendamm, 2007 Herberge des G8-Gipfels. Anno August Jagdfeld ließ sich im Sommer 2009 für den Weiterbetrieb des Grandhotels, von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern eine Bürgschaft über vier Millionen Euro gewähren. (Die Tacheles Macher haben weitere Beispiele recherchiert und in einem „Schwarzbuch Fundus“ zusammengefasst.)
Infolge schwer durchschaubarer Finanztransaktionen geriet die Immobilie „Tacheles“ unter Zwangsverwaltung und dabei ausgerechnet in die Fänge der HSH Nordbank. Irgendwann steht eine Zwangsversteigerung bevor. In diesem Fall wollen die Tacheles-Betreiber selbst mit bieten. Dafür benötigen sie 3,58 Millionen Euro, denn so hoch taxierte ein Wertgutachten das teil sanierte Gebäude samt 1253 Quadratmeter großem Grundstück. Trotz einer in erster Instanz stattgegebenen Räumungsklage gegen den Tacheles e.V., den Betreiber des Kunsthauses, gehen die Verhandlungen mit dem Zwangsverwalter weiter.
„Die Kunst geht weiter“ ist nicht nur der Titel der aktuellen Ausstellung, sondern auch das Motto des Kunsthauses Tacheles. Und das nicht nur vor Ort, sondern auch international. So fand im September im Palace of Arts, der Nationalgalerie in Minsk / Weißrussland, unter dem Titel „Dach 9“ eine große Ausstellung statt, die von Alexandr Rodin und der Belarusian Union of Artists in Zusammenarbeit mit dem Kunsthaus Tacheles und dort tätigen Künstlern organisiert wurde. Die Kuratorin der Neuen Galerie im Tacheles, Barbara Fragogna, bereitet für November 2009 ein großes Projekt unter dem Namen „Italian ReStyle“ vor. Bei diesem sparten übergreifenden Festival zeigen italienische Künstler Arbeiten, die sich mit der gegenwärtigen Lage in Italien auseinandersetzen.
Auch sonst blicken die Aktivisten des Tacheles hoffnungsfroh in ihre ungewisse Zukunft. Der Förderverein „Initiative zur Erhaltung des Kunsthauses Tacheles e.V.“ verkauft symbolische „Tacheles Anleihen“ – wobei keine Rendite – sondern lediglich die bei Spenden an gemeinnützige Vereine gewährte Steuerabzugsfähigkeit garantiert ist. Kontakt: Kunsthaus Tacheles e.V. Oranienburger Str. 54-56a 10117 Berlin www.tacheles.de Email: office@tacheles.de
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