Kunst & Moral: Zwischen Faszination und Abscheu Braunauer Zeitgeschichte-Tage 2019: »Künstler geachtet – geächtet«

Der Philosoph, Foto: Stefan Groß

Die 28. Braunauer Zeitgeschichte-Tage mit dem Titel »Künstler geachtet – geächtet« beschäftigten sich mit den Höhenflügen und Abstürzen von Künstlerinnen und Künstlern. The European-Autor Andreas T. Sturm hielt den Eröffnungsvortrag am 27.09.2019, bei dem er über das Verhältnis von Kunst und Moral sprach. »The European« veröffentlicht eine Kurzfassung der Rede sowie ihre Kernthesen.

Künstler – von Achtung zur Ächtung

In den vergangenen Jahren führte die moralische Fragwürdigkeit ihrer Urheber zum Boykott zahlreicher Kunstwerke. Nachdem im Jahr 2019 die Ausstellung »Emil Nolde. Eine deutsche Legende – Der Künstler im Nationalsozialismus« eröffnet wurde, forderte der Verleiher (Stiftung Preußischer Kulturbesitz) zwei Bilder Noldes aus Angela Merkels Amtszimmer zurück. Nach neuen Missbrauchsvorwürfen gegen Michael Jackson boykottierten Radiostationen seine Lieder. Die Missbrauchsvorwürfe gegen Harvey Weinstein brachten die #MeToo-Bewegung ins Rollen und Kevin Spacey verlor aufgrund ähnlicher Anschuldigungen seine Serienrolle.

These 1:

Bei der moralischen Bewertung gibt es eine Verschiebung vom Kunstwerk hin zum Künstler. Während Kunst (fast) alles darf, gefährdet die Unmoral des Künstlers die Akzeptanz und Existenz seines Kunstwerks.

Während der moralische Gehalt von Kunstwerken Proteste hervorrief (Die Sünderin mit Hildegard Knef; Lieder von Udo Jürgens wie »Aber bitte mit Sahne«, »Gehet hin und vermehret euch« oder Falcos »Jeanny«) werden heute weniger die Kunstwerke einer moralischen Bewertung unterzogen, als die Künstler.

Die heutige Demontage von Kunst (bzw. ihren Künstlern) erinnert an Bücherverbrennungen, in denen Kunstwerke ungeachtet ihres künstlerischen Wertes vernichtet wurden.

These 2:

Bei der moralischen Bewertung von Kunst gab es in den vergangenen Jahren eine Verschiebung von institutionellen Moralinstanzen zu sozialen Netzwerken.

Während in den vermeintlich verklemmten und moralisch restriktiven 1950er Jahren die künstlerische Freiheit durch Gerichte gesichert wurde (wie im Fall Die Sünderin, 1951) richtet heutzutage Facebook in erster und letzter Instanz. Gerichtsurteile wie bei Michael Jackson (Freispruch im Jahr 2005) werden ignoriert oder Künstler werden bereits vor der Gerichtsverhandlung boykottiert, wie im Falle von Kevin Spacey, dessen Anklage mittlerweile mangels Beweisen zwischenzeitlich fallengelassen wurde.

Nicht nur sprichwörtlich scheint sich das mittelalterliche »jemanden an den Pranger stellen« gehalten zu haben. Im Mittelalter wurden Verurteilte an eine Säule oder an einen Pfosten gefesselt und zur Abschreckung öffentlich vorgeführt. Die Bevölkerung hatte die Möglichkeit ihren Unmut über den Verurteilten auszudrücken. Während dieses Strafwerkzeug im Mittelalter von der Obrigkeit als äußeres Zeichen der Gerichtsbarkeit eingesetzt wurde, hat das Internet jetzt die Form des Prangers übernommen, als Zeichen der neuen Gerichtsbarkeit.

These 3:

Künstler spielen mit der Ambivalenz des Publikums, denn das Böse übt eine Faszination aus, während es ab einem gewissen Punkt Abscheu erregt.

Der von Kevin Spacey dargestellte US-Präsident Frank Underwood ist moralisch hochgradig verdorben, das Publikum und die Kritiker sind begeistert. Sogar jene, die Präsident Trump bekämpfen, dem man wesentlich weniger vorwerfen kann.

Die moralische Verwerflichkeit mindert die Faszination dieser Figuren nicht. Tiefenpsychologische Deutungen suggerieren, dass Zuschauer ihre eigenen Wünsche auf die Figur projizieren, weil sie fasziniert davon sind, wie sie intelligent und kontrollierend Erfolg haben. Das Böse hat in der Kunst eine Akzeptanz, doch es erregt schnell Abscheu, wenn Zuschauer in ihrer Projektion etwas Hässliches erkennen, wenn sie nämlich Realität wird. Würde Sigmund Freud dies Selbsterkenntnis nennen?

Künstler spielen mit der Ambivalenz des Publikums, indem sie durch eine geschickte Mischung von Fiktion und Realität in ihrer Rolle zum Kunstobjekt transzendieren und dadurch weniger angreifbar werden.

Ein spannendes Beispiel ist Kevin Spaceys Video »Let me be Frank« nach dem Rauswurf bei Netflix, welches er an Heiligabend 2018 veröffentlichte. Spacey schlüpfte erneut in die Rolle des Frank Underwood, wobei die Grenze zwischen Fiktion und Realität verschwimmt. Underwood spricht dabei in gewohnter Manier mit den Zuschauern und wirft ihnen vor, ihn all die Jahre mit Interesse beobachtet zu haben und gewusst zu haben, worauf sie sich einlassen, während sie sich jetzt von ihm abwenden, ohne Beweise zu haben. Spacey wurde für diesen Auftritt stark kritisiert, der Versuch den Zuschauern so ihre Widersprüchlichkeit vor Augen zu führen, ist aber spannend.

Die Ambivalenz des Publikums zeigt sich auch bei anderen Beispielen, wie den 50 Shades of Grey-Büchern und Filmen.

These 4:

Die Shitstorm-Kultur der sozialen Medien mit ihren kurzfristigen Empörungsphasen verhindert eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Kunstwerk, das Publikum stumpft ab und der ästhetische Gehalt des Kunstwerks gerät in den Hintergrund.

Die sozialen Netzwerke als einflussreiche Bewertungsinstanz sind geprägt von Schnelllebigkeit, kurzfristiger Stimulanz, oberflächlicher Beschäftigung mit einer Thematik und Überhitzung sowie keinen festen, überprüfbaren Bewertungsgrundsätzen. Es gilt: Der Lauteste gewinnt.

In den sozialen Netzwerken hat sich eine regelrechte Shitstorm-Kultur gebildet. Shitstorms sind das lawinenartige Auftreten negativer Kritik gegen Personen oder Institutionen auf Internetplattformen. Die Netzgemeinde überzieht in immer kürzeren Abständen ein Ziel mit Spott und Häme. Es bedarf immer neuer Reizobjekte und gleichzeitig verschieben sich die Grenzen. Aufgrund einer Überflutung von Negativnachrichten, scheinen viele Nutzer Studien zufolge abzustumpfen und so werden auch die Empörungsphasen immer kürzer.

Schon im Mittelalter hatte der Pranger eine »Brot und Spiele« Funktion, das Volk musste unterhalten werden, im Internet sorgt es selbst für Unterhaltung.

Der Begriff »Cancel Culture« beschreibt die aktuelle Praxis, Künstler aufgrund von politisch-moralischen Verfehlungen, selbst wenn es noch Gerüchte sind, zu »canceln«; ihre Teilnahme an Vorstellungen, Ausstellungen, Konzerten, Filmen wird abgesagt.

Bei Wahlen gibt es ernsthafte Sorgen um die Beeinflussung von Wählern durch ausländische Regierungen; Internet-Bots, die radikale Meinungen verbreiten. Was bei Wahlen kritisch gesehen wird, scheint bei der Bewertung von Künstlern und Kunst kein Problem zu sein.

In sozialen Netzwerken stehen Sensation, Verkauf, Seitenaufrufe und gefällt-mir-Klicks im Vordergrund, die tiefergehende Beschäftigung mit Kunst, der künstlerische Gehalt und die ästhetische Schönheit geraten in den Hintergrund.

These 5:

Die Shitstorm-Kultur hat auch eine gesellschaftliche Funktion als basisdemokratisches Instrument des Protests: Soziale Medien als Seismograph und öffentlicher Pranger.

Ich möchte eine alternative Deutung des Shitstorms anbieten und dabei der Frage nachgehen, weshalb die Härte der öffentlichen Reaktionen gegenüber Künstlern so stark ist, obwohl deren Schuld noch gar nicht bewiesen ist.

1) Stichwort #MeToo-Bewegung: Durch ungerechte und zweifelhafte Gerichtsurteile hat sich eine Verärgerung angestaut. Neben Alltagssexismus und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, sind die Missbrauchsfälle der dritte große Aspekt, der im Zuge der #MeToo-Debatte aufgekommen ist. Es gab in den vergangenen Jahrzehnten Gerichtsurteile zu Missbrauchsfällen oder rassistischen Straftaten, die zweifelhaft bis skandalös waren.

Bei schweren Missbrauchstaten kamen mutmaßliche Täter mitunter mit vergleichsweise geringen Strafen davon, wie kurze Haftstrafen auf Bewährung. Bei prominenten Fällen wird das Verfahren oftmals gegen Geldzahlungen eingestellt. Auch Michael Jackson konnte 1994 durch einen Millionenbetrag an ein mutmaßliches Opfer einen Prozess abwenden. Besonders das US-Justizsystem wurde in dieser Hinsicht oft kritisiert.

Ein besonders hartes, aktuelles Beispiel: Der US-Millionär Jeffrey Epstein, der sich im August dieses Jahres in der Haft erhängte, wurde 2005 des sexuellen Missbrauchs eines 14-jährigen Mädchens angezeigt. Trotz erdrückender Beweislast wurde Epstein ein Deal angeboten, den Sie sich selbst nicht ausdenken können: Um der lebenslangen Verurteilung wegen Missbrauchs Minderjähriger zu entgehen, bekannte er sich zur Prostituierung einer anderen Minderjährigen schuldig. Er wurde zu 18 Monaten mit 12 Stunden täglichen Freigang verurteilt und damals nach 13 Monaten wegen guter Führung entlassen. Der damalige US-Staatsanwalt Alexander Acosta musste in diesem Jahr als US-Arbeitsminister zurücktreten.

Das Bild des Prangers ist für unsere Zwecke hilfreich: Normale Bürger sind bei Skandalurteilen ohnmächtig und haben kaum direkte Einflussmöglichkeiten, der Shitstorm fungiert dabei sozusagen als basisdemokratisches Protestinstrument.

Da Prominente im Kunstbereich, wie Schauspieler und Musiker, deutlich mehr in der Öffentlichkeit stehen, gibt es leichtere Zugriffsmöglichkeiten, es ist leichter wirkungsvollen Protest kundzutun, wie Spaceys Entlassung zeigt. Ein Facebook-Post der Produktionsfirma zum neuen Film, 20.000 wütende Kommentare – das zeigt eine Wirkung.

Schon im Mittelalter hatte der Pranger eine Abschreckungsfunktion, Straftäter wurden, stellvertretend für andere, öffentlichkeitswirksam, besonders hart bestraft. Das mindert nicht die Schuld von straffällig gewordenen Künstlern, es erklärt aber die heftigen Reaktionen der Öffentlichkeit. Es muss aber selbstverständlich sein, dass Prominente Künstler vor dem Gesetz gerecht zu behandeln, das bedeutet keine Vorverurteilung und eine gerechte Verhandlung.

2) Ich habe von der Ambivalenz des Publikums gesprochen, das Publikum schwankt zwischen Voyeurismus, wenn es von einer boshaften Figur fasziniert ist und sie bei ihren Boshaftigkeiten beobachtet, und einer »Brot und Spiele«-Mentalität, wenn der Schauspieler hinter der Figur straffällig geworden ist. Schwingt dort die Scham des Zuschauers mit, wenn ein moralisch-verwerfliches Verhalten, welches sie jahrelang beobachtet und zu Unterhaltungszwecken toleriert haben, vermeintlich Realität wird?

Das Anliegen von Bewegungen wie #MeToo ist jetzt gar nicht so abenteuerlich: Missbrauchsfälle sollen gerecht behandelt werden.

Es gibt durch die Dissonanz zwischen der Realität, die durch Gerichtsurteile geschaffen wird und dem Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung, aufgrund dessen beobachten wir große Bewegungen bei der gesellschaftlichen Diskussion zur Bewertung von Moral, dies betrifft die Kunst durch ihre Öffentlichkeitswirkung besonders.

These 6 – Fazit:

Bisherige Lösungsversuche das Spannungsverhältnis von Kunst und Moral aufzulösen, führten zu neuen Problemen. Es bedarf einer Debatte um unser Kunstverständnis: Kunst als Ort der Auseinandersetzung, ein nationaler Kunst-Rat und ein neuer Ästhetizismus.

Die gängigen Lösungsmöglichkeiten zum Umgang mit Kunstwerken von vermeintlich unmoralischen Künstlern, führen zu jeweils neuen Problemen, dazu drei Lösungsansätze.

1. »Das Kunstwerk eines Missbrauchstäters/ Rassisten darf nicht verehrt werden.«

Ab wann beginnt Missbrauch oder Rassismus? Gerade bei Vergehen mit schwieriger Beweislage, gibt es oft kein eindeutiges schwarz oder weiß. Michael Jackson wurde freigesprochen und trotzdem gibt es Anschuldigungen und Boykottaufrufe. Eine Anklage gegen Kevin Spacey wurde fallen gelassen, das ist aber noch keine Unschuldserklärung.

Woody Allen wurde von seiner Adoptivtochter des Missbrauchs beschuldigt, während ihn einige Stars, Scarlett Johansson beispielsweise, ihn verteidigen, wollen andere Schauspieler wie Colin Firth nicht mehr mit ihm drehen.

Es gab im Jahr 2012 große Diskussionen, ob das Gedicht des deutschen Literaturnobelpreisträgers Günter Grass, »Was gesagt werden muss« antisemitistisch sei oder nur eine künstlerische Reflexion zum Staat Israel.

Schon die Frage, ab wann verbaler Missbrauch beginnt wird höchst unterschiedlich bewertet.

Die historische Bewertung von Künstlern ist schwierig. Wir können Künstler nicht nach heutigen Maßstäben bewerten, sondern müssen Sie im Kontext ihrer Zeit sehen. Das ist einfach gesagt. Fragen Sie drei Historiker danach den gesellschaftlichen Kontext von Ernest Hemingway, um zu bewerten, ob er im Rahmen der damaligen Verhältnisse normal fremdenfeindlich, sexistisch oder antisemitisch war.

Es gibt Schriftsteller, die waren im Vergleich zu ihren Zeitgenossen liberal und fortschrittlich, nach heutigen Maßstäben wären sie rassistisch einzustufen.

Ezra Pound, einer der genialsten Autoren des 20. Jahrhundert, bekennender Mussolini-Anhänger, Antisemit und »Mein-Kampf«-Fan, war weit bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts aktiv.

2. »Man muss im Einzelfall entscheiden, wie man mit den Kunstwerken eines Missbrauchstäters / Rassisten umgeht.«

Eine Einzelfallentscheidung ist ohne eindeutige Bewertungskriterien potentiell willkürlich. In letzter Konsequenz müssten Missbrauchsfälle genau miteinander zu verglichen werden können. Plötzlich wären Missbrauchsopfer in der Öffentlichkeit, das wäre unwürdig. Da ohnehin jeder Fall ein Einzelfall ist, ist dieser Vorschlag gut gemeint, aber schlecht umsetzbar.

3. »Kunst und Moral sind zwei unterschiedliche Gebiete und dürfen nicht miteinander vermischt werden, das Kunstwerk bleibt daher unbenommen der moralischen Integrität des Künstlers, selbst wenn er ein Missbrauchstäter oder Rassist ist«.

Dies ist der Grundsatz »L’art pour l’art«, »Die Kunst um der Kunst Willen«, die von Oscar Wilde und Walter Pater vertreten wurde, einer Gegenbewegung zur restriktiven, strengen viktorianischen Moral, nach der ein Kunstwerk »nützlich« sein und eine moralische Botschaft enthalten müsse. Die Ästheten setzten sich für eine »nutzlose Kunst« ein, die ausschließlich dem eigenen sinnlichen Vergnügen dienen sollte. Sozusagen eine Kunst mit Freifahrtschein. Zitat: »Moral ist immer die Zuflucht der Leute, welche die Schönheit nicht begreifen« (Oscar Wilde). Diese betont nutzlose Bewegung hatte mit ihrem Protest gegen die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse einen deutlichen Nutzen. Oscar Wildes »Ernst sein ist alles« (»The Importance of Being Earnest«) nahm die viktorianische Doppelmoral aufs Korn.

Kunst kann in unserem Rechtssystem nicht ganz von Moral getrennt sein, denn das Grundrecht auf Meinungsfreiheit steht in einigen Fällen auch im Gegensatz zu anderen Grundrechten, wie der Würde des Menschen.

Wir justieren momentan unseren moralischen Kompass im öffentlichen Diskurs, der auch für die nächste Generation prägend sein wird, dazu habe ich drei Anregungen und Impulse.

► 1. Impuls Kunst als Verhandlungsort gesellschaftlicher Fragestellungen

Kunst hat das Potential als Verhandlungsort gesellschaftlicher Diskurse. Nicht wie die oberflächlichen Auseinandersetzung in den Sozialen Medien, sondern tatsächlich auch an Orten der Kunstwelt: Museen, Theatern, Ausstellungen und Autorenlesungen.

Ausstellungen wie » Emil Nolde. Eine deutsche Legende – Der Künstler im Nationalsozialismus«, zeigen, dass eine Auseinandersetzung ertragreicher ist als Boykott und Zensur, denn sie kann neue Erkenntnisse zum Künstler, seiner Kunst und der Zeit, in der er gewirkt hat, hervorbringen.

Dazu bedarf es immer wieder einer Reflexion und der Neuformulierung unseres Kunstverständnisses.

Kunst und Kultur genießen im gesellschaftlich-politischen Diskurs nicht die höchste Priorität. Dazu eine Anekdote von Winston Churchill: Auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs gab es Forderungen, die Kulturausgaben dramatisch zu kürzen und den Verteidigungshaushalt zu erhöhen. Churchill antwortete: »Wenn wir keine Kultur mehr haben, was verteidigen wir dann?«

Bildungsinstitutionen müssen junge Menschen durch Kunstförderung oder Kunstpädagogik in Museen mit den notwendigen Kenntnissen und Fertigkeiten ausstatten, damit sie an Kunst herangeführt werden und ihr Potential nutzen.

Dieser Vortrag zeigt, dass Kunst nicht ohne die Medien gedacht werden kann. Eine Medienerziehung sollte den Schutz persönlicher Daten, Urheberrecht oder rechtliche Rahmenbedingungen die auch für das Internets gelten, vermitteln, besonders im Umgang mit sozialen Netzwerken.

Kunst kann einen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs leisten, indem sie eine Plattform bietet und dabei innovativ ist. Zahlenmäßig sind die Besucherzahlen bei Museen in Deutschland leicht gestiegen, das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein großer Teil der Bevölkerung nicht erreicht wird. Daran gilt es zu arbeiten.

Das Prinzip: »Wenn deine Zuschauer nicht ins Theater kommen, kommt das Theater zu den Zuschauern« war an einigen Orten schon sehr erfolgreich.

► 2. Impuls: Vorbild: Nationaler Ethikrat

Wenn wir über den gesellschaftlichen Diskurs sprechen, sehe ich eine bereits bestehende Institution als Vorbild: Der Nationale Ethikrat in Deutschland besteht aus Experten verschiedener Fachbereiche. Eine solche Plattform, ein nationaler Kunst-Rat, könnte als Diskussionsplattform oder Schiedsgericht sehr hilfreich sein, selbst wenn er nur empfehlenden Charakter hätte. Aktuelle Konflikte aus der Kunstszene könnten diskutiert werden, beispielsweise wenn Künstler von Veranstaltungen ausgeladen werden, weil der Veranstalter moralische Vorbehalte hat. Ich sehe durchaus Probleme, die aber weniger schwer wiegen, als die Auseinandersetzungen ausschließlich in den sozialen Medien zu führen. Wenn diesem Kunst-Rat Künstler, Funktionäre wie Museumsleiter und Produzenten, Philosophen und Theologen angehören, hätte diese Institution ein deutliches Gewicht in der öffentlichen Meinungsbildung. Man müsste ihr eine Stimme geben, die gehört wird.

► 3. Impuls: Ein neues Kunstverständnis – ein neuer Ästhetizismus?

Wenn Kunst wieder mehr ein Ort des Ästhetischen sein soll, darf die Literaturwissenschaft nicht von einer gewissen Denkschule oder einem bestimmten politischen Aktivismus vereinnahmt werden, der vor der Betrachtung eines Kunstwerks schon weiß, wie das Fazit lauten wird. Ich verweise dabei auf die Gedanken des amerikanischen Literaturkritikers Harold Bloom, der dies »The School of Resentment« nennt. Nur wenn Kunst alle gesellschaftlichen Strömungen abbildet, kann sie die ganze Bevölkerung erreichen.

An erster Stelle steht der ästhetische Zugang zu Kunst, eine gesellschaftliche Fragestellung, darf nie primärer oder ausschließlicher Zweck eines Kunstwerks sein, dadurch würde Kunst ihren ästhetischen Gehalt verlieren und vom Kunstwerk zum trivialen Bezugspunkt werden.

Dieser Eröffnungsvortrag wurde im Rahmen der 28. Braunauer Zeitgeschichte-Tage von Andreas T. Sturm gehalten und wurde zum Zweck der Veröffentlichung gekürzt.

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