Kubas so oft gepriesenes Gesundheitssystem ist vor allem ein erfolgreiches PR-Produkt, auf das westliche Journalisten regelmäßig hereinfallen – und dabei in der Covid-19-Pandemie indirekt der untergegangenen DDR hinterhertrauern
„Wir haben das beste Gesundheitssystem der Welt – nur krank werden darf man nicht.“ – So unverblümt beschreibt der kubanische Taxifahrer in La Habana die im Westen so oft gelobte Medizin seines Landes. Ein Detail ist dabei wichtig: Der Taxifahrer arbeitet auf eigene Rechnung und hat keine Lizenz für die einträgliche Strecke zum internationalen Flughafen. Von einem solchen, vom Staat mit einträglichem Gehalt und sonstigen, kleineren Privilegien gepamperten Fahrer hätte sich der westliche Besucher wahrscheinlich schnell die vermeintlichen Vorzüge des kubanischen Gesundheitswesens erklären lassen dürfen – oft genug auf Englisch, damit es auch die ganze Welt versteht. Und in einer Art, wie es die staatlich zensierten Medien Kubas tagtäglich verkünden, so dass inzwischen auch westliche Medienvertreter regelmäßig darauf hereinfallen. „Viele schwärmen im selben Atemzug über das angeblich gute Gesundheitssystem der DDR“, sagt der Historiker Uwe Puschner von der FU Berlin. Dass dieses System 1989, von wenigen Ausnahmen mal abgesehen, höchst ineffizient und unterversorgt war, wird jedoch gerne verschwiegen. Zu schön ist für manche Menschen noch immer das Bild von einem „humanen“ Sozialismus; ungeachtet der Tatsache, dass dieser Ideologie etwas zutiefst Menschenverachtendes innewohnt, was die Welt spätestens seit der Ära Stalin weiß. Wie und ob die DDR eine Pandemie wie die gegenwärtige durchgestanden hätte, bleibt offen. „Wahrscheinlich hätte sie dem SED-System frühzeitig den Todesstoß gegeben“, glaubt Dagmar Hovestädt, Pressesprecherin der Stasi-Unterlagenbehörde (BStU) in Berlin.
Dass auch das kubanische Gesundheitswesen in Wirklichkeit höchst marode, korrupt und im Übrigen sehr auf Devisenerwirtschaftung gepolt ist, davon weiß die kubanische Dissidentin Omara Ruíz Urquiola (39) ein Lied zu singen. Als bei ihr Krebs diagnostiziert wurde, begann für die Kunstdozentin eine Odyssee durch die Unbilden kommunistischer Gesundheitsversorgung. „Es dauerte Jahre, bis sie die richtige Diagnose erstellt hatten“, klagt Omara. Als sie dann feststand – Brustkrebs – fehlte es in der Klinik an nötigen Medikamenten und Apparaturen, um die Behandlung erfolgreich zu Ende zu führen. Immerhin: Omara lebt noch. Allerdings nicht wegen der vermeintlich guten kubanischen Gesundheitsversorgung, sondern weil sie durch private Verbindungen Zugang zum Gesundheitswesen der USA und Europas, Deutschland hat, wo sie regelmäßig medizinische Betreuung erhält. „Auf Kuba bekommen allenfalls Parteibonzen und die kleinen, mittelgroßen Lakaien der Kommunistischen Partei in Ansätzen das, was der Durchschnittsbürger im Westen unter angemessener medizinischer Behandlung versteht“, sagt Omara. Es fängt damit an, dass zwar die Operation kostenlos ist, die anschließende, medikamentöse Behandlung aber nur gegen Geld, Devisen erfolgt, so dass oft ganze Familien ihr Erspartes zusammenlegen, um einen schwer erkrankten Angehörigen vor dem Tod zu bewahren. „Gehen Sie mal davon aus, dass ein knappes Drittel der Prostituierten am Malecón (La Habanas Flaniermeile am Meer, Anm. d. Redaktion) daheim einen kranken Onkel, Oma oder Opa sitzen hat, die zu schwach und krank sind, um sich gegen die Willkür im Gesundheitswesen zu wehren“, sagt Omara. Wer es dennoch tut, sich jüngst wegen ausverkaufter Impfdosen gegen Covid-19 beschwert oder mit Kerzen, Trommeln und Fahnen gegen die unhaltbaren Zustände im kubanischen Gesundheitswesen protestiert, bekommt sehr schnell den Druck der Staatssicherheit zu spüren – jungen Zivilmitarbeitern von Anfang zwanzig, die Andersdenkende traktieren und noch nicht wissen, was auf sie zukommt, sollten sie eines Tages auf die vermeintlichen Vorzüge eines kommunistischen Gesundheitswesens angewiesen sein …