Gerhard Bauer, Katja Protte, Armin Wagner, Militärhistorisches Museum der Bundeswehr (Hrsg.): Krieg Macht Nation. Wie das deutsche Kaiserreich entstand, Sandstein Verlag, Dresden 2020, ISBN: 978-3-95498-545-6, 29 EURO (D)
Forciert durch Bismarcks Machtpolitik und die siegreichen Kriege gegen Dänemark, Österreich und Frankreich wurde 1871 der erste deutsche Nationalstaat gegründet. Ausgehend von den europäischen Revolutionen zeigt die Sonderausstellung „Krieg Macht Nation“ zur 150-jährige Wiederkehr der Kaiserreichsgründung, die (geplant) vom 9.4.2020 bis zum 31.1.2021 im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr, Dresden, zu sehen ist, wie eng Nation, Krieg und Fortschrittsglaube im 19. Jahrhundert verflochten waren. Die Frage nach den unterschiedlichen Hoffnungen und Zielen, die Menschen mit der Idee der Nation verbanden, und nach der Rolle, die sie Kriegen dabei zuschrieben, gefragt. Die Dynamik der wissenschaftlichen, technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen zwischen 1848 und 1871 werden dabei mit der Frage nach Nation und Krieg verbunden. Besonderes Gewicht liegt auf dem Perspektivwechsel zwischen den Ländern, die sich zum Deutschen Reich zusammenschlossen und den damals unterlegenen Kriegsgegnern Preußens (Dänemark, Österreich und Frankreich) sowie Italien, was 1861 einen Nationalstaat ausrief.
Dieser opulente Band bezieht sich auf die zentralen Themen der Ausstellung und bildet eine Fülle der ausgestellten Exponate ab. Beiträge von Wissenschaftlern wechseln sich mit Bildessays ab, die einzelne Aspekte anhand von Objektgruppen vertiefen.
Der einführende Beitrag von Christian Jansen beschäftigt sich mit dem deutschen Bürgertum als Motor der Nationalbewegung und zeigt, wie tief die Idee von Krieg als Mittel zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe und zur nationalen Einheit dort verankert war. Danach stellen verschiedene Autoren zwei in Opposition zueinander stehende Protagonisten der Zeit vor: den preußischen Ministerpräsidenten und späteren Reichskanzler Otto von Bismarck und dem erklärten Gegner einer „Verpreußung“ und Arbeiterführer August Bebel. In nächsten Teilbereich „Kriege und Nationen“ geht es um die Kriege 1864, 1866 und 1870/71: Dort wird in jeweils eigenen Kapiteln nach deren Ursachen, Folgen und Rückwirkungen auf das nationale Selbstverständnis gefragt.
Der nächste große Teilbereich behandelt die neue Art des Krieges: Die Auswirkungen neuer Waffentechnik, Kommunikationssysteme und Transportmittel auf Kriegsführung und die Darstellung fernab der Front, aber auch die Anfänge des modernen Völkerrechts als Folgewirkung der Kriege in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im letzten Teil wird das Bild des Panoramas, „als Symbol einer Nation, die das Wieder- und Nacherleben vergangener Schlachten einte und all die Bruchlinien, die die Gesellschaft des neu gegründeten Kaiserreichs durchzogen, vergessen ließ“, aufgegriffen. (S. 11) Dabei wird schwerpunktmäßig die monumentalen Rundgemälde der Schlachten des Deutsch-Französischen Krieges in den 1880er und 1890er Jahren analysiert.
Hier werden verschiedene Zugänge zu der Zeit zwischen 1848 und 1871 präsentiert. Die Verflechtungsgeschichte von Nation, Krieg und Fortschrittsglaube im 19. Jahrhundert wird ausführlich visuell und textlich präsentiert. Die Herangehensweise ist aber lückenhaft: Die Frage, inwieweit heute noch Nationalismus und das Leitbild einer Nation, Kriege entstehen lässt, wird leider nicht behandelt. Auch die angebliche Homogenität einer Nation und deren willkürliche Grenzen werden nicht hinterfragt. Außerdem stellt sich die Frage, ob nicht bei der Verflechtungsgeschichte schon bei den „Befreiungskriegen“ begonnen werden sollte.