Das jüdische Restaurant SCHALOM in der künftigen europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz ist seit über 20 Jahren ein Treffpunkt für Künstler, Literaten und Politiker.
Ein Hauch von Israel, dazu viele jüdische Speisen und ein weltoffenes Klima – auf diese Melange trifft der Besucher, sobald er das Restaurant SCHALOM in der Chemnitzer Heinrich-Zille-Straße 15 betreten und seine Garderobe am Eingang abgegeben hat. Ab 2025 wird Chemnitz den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ tragen. Der Duft nach gutem Essen vermischt sich im SCHALOM auch an diesem Herbsttag mit den warmen Farben von dunklem Eichenholz und dem – dank hoher Decken – nie zu lauten, niemals unangenehmen Vielstimmenklang der Gäste. Ein wandfüllendes, expressionistisch anmutendes Wandgemälde in Blau- und Orangetönen mit Motiven aus dem Heiligen Land und Chemnitz zieht die Blicke auf sich, derweil der Besucher die Atmosphäre des Raumes verändern kann, bloß indem er ihn betritt.
Fast immer täglich ab 17 Uhr ist das SCHALOM geöffnet. Es gibt Vorträge und Live-Musik. „Der Kunde ist bei uns König“, sagt Uwe Dziuballa, der Inhaber. Auf der Speisekarte stehen nur koschere Mahlzeiten, darunter Falafel auf Tahina, Kartoffelkugeln und Bulgur-Wurzelgemüse mit Reis und Bohnen; ebenso Steinbeißer mit Rote-Beete-Rissotto und Johannisbeere-Vanille-Sauce.
Pilot und Mäzen
Uwe Dziuballa ist eigentlich Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik. Er gilt als begnadeter Kommunikator und Netzwerker; einer, von dem behauptet wird, er besäße sogar die private Handynummer Angela Merkels. Vor zwei Jahren war die CDU-Kanzlerin tatsächlich bei ihm zu Gast, wie auf Bildern zu sehen ist, ebenso Sozialministerin Petra Köpping (SPD) und der Historiker Julius H. Schoeps, der zu seinen Freunden zählt. In der DDR wurde Dziuballa bei der Nationalen Volksarmee ausgebildet und flog zeitweilig Versorgungshubschrauber. Seit 1986 befand er sich in einer Kaderreserve für die Entsendung nach Israel, wozu es aber nicht mehr kam, weil am 9. November 1989 in Berlin die Mauer fiel und der selbst ernannte Arbeiter- und Bauernstaat kurze Zeit später Geschichte war. Stattdessen machte Dziuballa, 1965 im damaligen Karl-Marx-Stadt geboren, Karriere bei der Deutschen Bank und lebte einige Zeit in den USA, bevor er sich um die Jahrtausendwende und nach dem frühen Krebstod seines Vaters entschied, etwas „Eigenes“ aufzuziehen. Heute betreibt Dziuballa neben dem SCHALOM, knapp zehn Minuten Fußweg vom Chemnitzer Hauptbahnhof entfernt, noch zwei weitere Firmen, eine PR-Agentur und eine Firma für Gebäudesicherheit. Sein Liebe gelte der Literatur und Kunst, heißt es, was allein schon die vielen bunten Bilder an den Wänden beweisen. Dziuballa gilt in Chemnitz als Institution innerhalb der jüdischen Community, als Persönlichkeit der Stadtgesellschaft und Mäzen auch für weniger bekannte Künstler; meist einsame Individualisten mit Hinterhofatelier, denen er schon mal Bilder weit über Wert abkaufe, da die ja schließlich „auch von irgendwas leben müssen“, wie Dziuballa es ausdrückt.
Bildung oben an
Und: Uwe Dziuballa trägt seine jüdische Kippa aus Überzeugung, sagt er, wirkt auf den ersten Eindruck ein wenig kühl, fast distanziert und hat doch ein großes Herz für Menschen, die es schwerer als andere haben, wie viele aus seinem Umfeld bestätigen. Mitte der neunziger Jahre habe ihn das fast in eine finanzielle Schieflage gebracht, sagt Dziuballa, nachdem er aus seinem Privatvermögen Sozialarbeiter und Betreuer für jüdische Kontingentflüchtlinge aus der früheren Sowjetunion bezahlt hatte. Bis es finanziell einfach nicht mehr ging und der Staat für diese Menschen in die Bresche sprang, was zur Erfolgsgeschichte wurde, da die meisten jüdischen Einwanderer von damals heute in gut bezahlten Berufen arbeiten und Deutschland halfen, sein Gesicht als weltoffenes Land zu stärken, auch wenn die Zuwanderungsmöglichkeiten seit 2015 massiv eingeschränkt worden sind.
Bildung steht für Dziuballa, der in dritter Ehe mit einer ehemaligen Schulleiterin verheiratet ist, ganz oben an, sagt er. Ein gebildeter Mensch komme schließlich „immer wieder auf die Beine“, soll er einmal gegenüber einem Lokalpolitiker geäußert haben, als es um die im Bundesvergleich damals noch geringen Lehrergehälter im Freistaat ging. 1983 hat Dziuballa mit „exzellenten Noten“ sein Abitur bestanden, so dass ihm viele Wege offenstanden. Das heutige Gymnasium war damals eine „Erweiterte Oberschule“ (EOS), in der neben Fachwissen auch Marxismus-Leninismus auf dem Stundenplan stand, was aber „kaum wer ernst genommen“ habe, wie sich ein ehemaliger Weggefährte aus DDR-Zeiten erinnert.
Keine Adresse für Opfertouristen
Hinzu kam: Wegen verwandtschaftlicher Kontakte in den Westen besaß Uwe Dzibulla einen roten DDR-Reisepass, mit dem er zu Mauerzeiten ungehindert in die bunte Wunderwelt des Westens reiste, um sich dort mit Platten zu versorgen, wie der Musikfan mit schelmischem Unterton hinzufügt. Und da waren da noch die langen „Mitbringlisten seiner Kommilitonen“, die er immer fleißig und zuverlässig abgearbeitet habe, woran sich viele aus seinem Umfeld noch heute dankbar erinnern.
In die Schlagzeilen geriet sein Restaurant 2018, als eine Gruppe Schläger Steine auf ihn warfen und einer der Täter, ein vorbestrafter Drogendealer und bekennender Osama-Bin-Laden-Fan aus Niedersachsen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Es sei damals nicht das erste Mal gewesen, dass er wegen seiner jüdischen Herkunft attackiert wurde, sagte Dziuballa damals gegenüber Journalisten. Er wolle jedoch verhindern, dass sich in seinem Umfeld eine künstlich aufgesetzte Betroffenheitsstimmung breitmache, die ihn „einfach nur nerve“. Er wolle nicht seiner Religion wegen zum Opfer stilisiert werden, sagt Dzibulla. Menschen, so genannten „Opfertouristen“, die ihn nur aufsuchten, um mit ihm über Deutschlands braune Vergangenheit zu weinen, setze er deutliche Grenzen, sagt Dzibulla. Auch Schulklassenbesuche sehe er inzwischen kritisch, da dabei oft eine klammheimliche bis halboffene Schadenfreude für das den Juden angetane Unrecht zu bemerken sei, sagt er. Noch am Tag der letzten Bundestagswahl warnte die Tageszeitung „Die Welt“ vor wachsendem Judenhass auf muslimischer Seite, was er nur bestätigen könne, sagt Dziuballa. Hinzu komme der landauf landab zu hörende Kampf gegen „Antisemitismus und Rassismus“, der in Deutschland fast schon Züge einer Staatsdoktrin habe, wie einst der von oben verordnete „Antifaschismus“ in der DDR. Offenbar immer weniger jüdische Einrichtungen, vor allem in Ostdeutschland und auch Uwe Dziuballa wollen sich dafür vereinnahmen lassen. Besser wäre es, jüdisches Leben würde in Deutschland wieder zur Normalität werden, wozu auch das Tragen der jüdischen Kopfbedeckung in der Öffentlichkeit gehöre, sagt Dzibulla, während er auf sein fast im Minutentakt blinkendes Handy schaut, und es mit fast stoischer Ruhe liegen lässt, weil heute Schabbat ist und einem Juden damit alle dem Einkommenserwerb dienenden Tätigkeiten untersagt sind.