Als EU-Ratspräsident rückt Kurz „Ein Europa, das schützt“ in den Fokus. Zielsicher führt er damit seine Wahlkampfthematik aus dem innerpolitischen Wahlkampf nahtlos in die Außenpolitik weiter. Er erweist sich als Verteidiger und Beschützer der Außengrenzen und als Hardliner in Sachen illegaler Migration.
Der smarte EU-Ratspräsident
Als junger Bundeskanzler, vereidigt vor einem Jahr, und als Vorsitzender der EU-Ratspräsidentschaft taktiert Kurz ganz geschickt, sucht eine Brücke zwischen Ost- und Westeuropa zu schlagen, pflegt den Dialog mit Russland und spricht sich, wie ehemals Frank-Walter Steinmeier, gegen Sanktionen gegen das Putin-Regime aus. Der ehemalige „Integrationsstaatssekretär“ des Bundesministeriums für Inneres, ein Amt, das er von 2011-2013 innehatte, erklärt sich zum Verteidiger der schwachen ehemaligen Ostblockstaaten und unterstützt die kleinen Balkanstaaten beim EU-Beitritt. Auf dem europäischen Parkett hofiert er Kommissionspräsident Jean-Claude Junker mehr als die dadurch pikierte und ihrem Stolz verletzte Angela Merkel, die sich nach außenpolitischer Anerkennung als Vorzeigeeuropäerin fast dürstend sehnt.
Mehr Verantwortung in Afrika – Keine Macht für Erdoğan
Als EU-Ratspräsident rückt Kurz „Ein Europa, das schützt“ in den Fokus. Zielsicher führt er damit seine Wahlkampfthematik aus dem innerpolitischen Wahlkampf nahtlos in die Außenpolitik weiter. Er erweist sich als Verteidiger und Beschützer der Außengrenzen und als Hardliner in Sachen illegaler Migration. Und anders als die deutsche Kanzlerin beäugt er den Flüchtlingsdeal mit dem türkischen Despoten Recep Tayyip Erdoğan überaus kritisch und jederzeit brüchig. Bei der Sicherung der Außengrenzen, ein Thema, das er neben der solidarischen Wettbewerbsfähigkeit Europas und der Afrikapolitik in den Fokus seiner Ratspräsidentschaft stellt, will er Griechenland stattdessen mehr in die Pflicht nehmen.
Es wird ohne hässliche Bilder nicht gehen
In der allgegenwärtigen Flüchtlingsfrage kann der Pragmatiker Kurz verstehen, dass viele Politiker Angst vor „hässlichen Bildern“ bei der Grenzsicherung hätten. Aber das könnte doch nicht bedeuten, dass die EU diese Aufgabe an die Türkei übertrage, weil man sich „die Hände nicht schmutzig machen“ wolle. Ohne hässliche Bilder wird es nicht gehen. Das weiß Kurz, der hier ganz utilitaristisch denkt, ohne a-moralisch zu sein. Seine politischen Manöver richten sich pragmatisch am Wählerwillen aus und der ist mehrheitlich gegen eine massenhafte Infiltration von illegalen Migranten in der Alpenrepublik.
Die derzeitige europäische Flüchtlingspolitik kritisiert Kurz dann auch als Fehlkoordination. Denn diese führt unweigerlich zu einer „Überforderung Europas“ und sieht hilflos beim „Ertrinken“ tausender im Mitteleer zu. Und was nutzt Europas Menschlichkeit, wenn Schlepperbanden ungestraft agieren? Wozu Kurz also drängt, ist keine Ethik der Gesinnungshuberei und emphatischer Flüchtlingsduselei, sondern eine Ethik der Verantwortung, die bei den Ursachen der Migration, eben in Afrika, anfängt.
Leistung statt Schmarotzertum
Mit seiner Afrikapolitik, die er mit seiner Ratspräsidentschaft verknüpft, geht er konform mit Merkel, sonst bleibt er der Anti-Merkel, die Antipode der Flüchtlingskanzlerin. Eine Verteilungsquote, wie aus Deutschland gefordert, lehnt er kategorisch ab und plädiert stattdessen für radikale Rückführungen von illegalen Migranten, für Budgetkürzungen bei den Sozialleistungen, für Aufnahmelager in Drittstaaten. Zudem plädiert er für eine Angleichung des Kindergeldes an das Preisniveau des Herkunftslandes. Zuwanderer aus anderen EU-Staaten sollen zudem erst ein paar Jahre in das österreichische Sozialsystem eingezahlt haben. Kurz will, wie einst Ludwig Erhard mit seinem Wirtschaftswunder, Wohlstand für alle, aber eben durch Leistung, nicht durch Schmarotzertum. Und daher kann man es sich auch nicht aussuchen, in „welches Land man flüchten will.“ Wenn Europa rigider in Sachen Migrationsstopp verfährt, werden viele „sich dann nicht mehr auf den Weg machen.“ Und das beende „die Überforderung in Europa und verhindert das Sterben am Weg.“
Anfeindungen sind nicht auf seinem Niveau
Für seinen Flüchtlingskurs wird Kurz immer wieder angefeindet, er gilt als Anathema der Linken wie der Grünen. Als Radikaler, als „Baby Hitler, als mitleidloser Misanthrop – wie einige Medien und zuvor das Satiremagazin „Titanic“ titelten –, wird Kurz immer wieder unwürdig, fast niederträchtig, angegriffen. „Baby Hitler töten“ war die Schlagzeile – und das geht nicht schlechter, das ist allertiefstes Niveau! Aber auch die wirtschaftsliberale Zeitung „Financial Times“ holte zum großen Rundumschlag aus, verglich Kurz mit Donald Tump und dem rechtspopulistischen italienischen Innenminister Matteo Salvini und verlieh ihm das Prädikat rechtsextremer Bundeskanzler. Mit derart perfiden Äußerungen ist dem Diskurs für ein „Europa, das schützt“ nicht viel geholfen und dem, der es zu schützen sich, wenig geholfen. Es bleibt ein blindes Marktgeschrei. Hierbei geben sich die auf gespreizten Ressentiments die Klinke in die Hand. Auf all die Kritik kontert Kurz ganz prägnant.: „Man ist nicht rechts, wenn man Realist ist“!
Kurz weiß um die Instabilität von Gesellschaften und um das Aufweichen der Flanken in die Extreme und sucht mit seiner, von vielen kritisierten, härteren Gangart in der Flüchtlingspolitik, die Saat innerstaatlicher Polarisierungsschübe wie derzeit in Chemnitz erst gar nicht aufkommen oder aufflammen zu lassen. Aus dem Brexit-Desaster hatte er gelernt: Wer sein Land von linken und rechten Extremen bewahren will, ist gut beraten das zu tun, was die Bürger mehrheitlich wollen.
Er könnte auch Europa führen
Kurzum: Sebastian Kurz verkörpert einen neuen Typ von Politiker, verbindet als gewandter Redner mit österreichischem Charme, Eloquenz und Intellekt, Maß und Mitte, den Geist jugendlicher Aufklärung und das erfrischende Selbstbewusstsein eines Newcomers miteinander. Er zeigt sich als politischer Akteur, dessen Karriere nicht in Österreich enden wird. Kurz ist ein „Statesman“ par excellence mit Wagemut, Kampfgeist und einem untrübsamen Optimismus. Und er hätte irgendwann gar das Rüstzeug für einen neuen Kommissionspräsidenten. Das politische Talent dazu hätte er, Rückgrat vor allem und eine große Flankendeckung von der Visegrád–Gruppe und den Ländern Osteuropas.
In einer Rede beim Europäischen Forum in Alpbach betonte er dann auch: „Was uns vor allem als Europäische Union ausmacht, das sind unsere Grundwerte: Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Freiheit.” Für Kurz, der ohne Binnengrenzen aufgewachsen ist, bleibt Europa das größte Erfolgsprojekt des 20. Jahrhundert, dass er es zerstören will, davon kann keine Rede sein.