Es erscheint einem fast, als wären die Krisen Europas so gut wie aus allen Medien verschwunden. Okay, ich gebe zu, das Thema langweilt sicherlich viele und zudem ist ein Großteil der Journalistenschaft, gerade im deutschsprachigen Raum, immer noch mit ihrem neuen Hobby, dem Trump-Bashing beschäftigt.
Dabei ist es ja kein Geheimnis, dass es vielen europäischen Ländern derzeit alles andere als gut geht.
Egal wo die Eurokraten ein Mikrofon vors Gesicht bekommen, versuchen Sie der Welt weis zu machen, dass es um Europa gar nicht so schlecht bestellt sei, wie viele behaupten. Es geht selbstverständlich immer nur bergauf. Der Satz „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“ könnte dieser Tagen eher der Leitsatz der Europäischen Kommission sein und eher Jean-Claude Juncker zugeschrieben werden, als seinem eigentlichen Urheber Erich Honecker, der diesen Ausspruch als „in der Gründerzeit der DDR geprägte Losung“ in seiner Festrede zum 40. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik am 7. Oktober 1989 in gewohnter Monotonie abspulte – ein Jahr später verabschiedete sich die DDR von der Landkarte.
Wer heute in Europa eine andere Meinung publiziert als die vom Brüsseler Politbüro vorgegebene, wird schnell – gerade in meiner Wahlheimat Deutschland – als „Schwarzmaler“ bis hin zu „böser Rechter“, „Verschwörungstheoretiker“, „Aluhutträger“ usw. tituliert, zumeist jedoch ohne aber genannte Argumente sachlich zu entkräften. Dabei beschleicht mich mehr und mehr das Gefühl, als klammerten sich viele, egal ob sie sich selbst als „links“ oder „konservativ“ einordnen, zwanghaft an die „europäische Ideen“. Soweit entfernt von der Realität sind sie anscheinend auch unfähig zu bemerken, dass die „Südfrüchte“ Europas von blauäugigen und teils korrupten Regierungen, eigennützig denkenden Politikern und Spekulanten teilweise bereits bis zu einem irreparablen Grad „ausgequetscht“ wurden.
Italien oder Spanien – über Griechenland brauchen wir so oder so nicht mehr sprechen – hätten ohne kräftige Finanzspritzen aus Brüssel schon lange „die Grätsche“ gemacht.
Unter all den krisenbehafteten Ländern Europas galt Portugal lange als DAS Beispiel dafür, wie ein Land es aus einer Wirtschaftskrise wieder herausschaffen kann. Heute jedoch setzt die portugiesische Linksregierung bereits wieder auf neue Schulden, erhöht Löhne, schafft neue Feiertage und das, obwohl das kleine Land immer noch mit über 130 Prozent seiner Wirtschaftsleistung verschuldet ist.
Soviel ist klar: würde Portugal abschmieren, so stände die EU vor einer neuen Herausforderung mit ähnlichen Parametern wie in der Krise um Griechenland – total verschuldet, einer kaputten Wirtschaft und einer linken, realitätsfernen Regierung. Dies zu allem Überfluss auch noch zu einem der ungünstigsten Zeitpunkte für die europäische Politik, sind doch dieses Jahr nicht nur die Wahlen zum deutschen Bundestag und die Europagegner sicherlich glücklich um ein weiteres Wahlkampfthema.
Aber zurück zu Portugal, wenn Sie sich jetzt denken, dass den Sozialisten im schönen Lissabon doch irgendwann auch mal das Geld ausgehen müsste, dann liegen Sie da theoretisch auch richtig, bekäme die portugiesische Regierung nicht massenweise frisches Kapital von der Europäischen Zentralbank (EZB). Denn Monat für Monat schmeißt die EZB, durch den Aufkauf von portugiesischen Staatsanleihen Milliarden Kapital mit der großen Schippe in den Rachen der nimmersatten Sparmuffel. Wobei diese Machenschaften in meinen Augen schon beinahe an Bandenkriminalität erinnern, sie pervertieren geltende Vorschriften und Gesetze in unglaublicher Weise.
Zum Hintergrund: Dass die EZB Staatsanleihen kauft, ist kein Geheimnis – ganz im Gegenteil: In vielerlei Hinsicht kann es sogar gut sein, wenn eine „Bank“ so etwas tut (um den Rahmen nicht zu sprengen, lasse ich hier meine persönliche Meinung zur EZB außen vor). Für den Laien formuliert: Staatsanleihen sind ein Finanzprodukt, wobei Sie eine Anleihe von einem Staat kaufen, dem Staat also Geld leihen, und dieser verspricht Ihnen dafür eine Rendite, die mal mehr und mal weniger groß sein kann. Damit die EZB bestimmte Anleihen kaufen darf, müssen diese jedoch über bestimmte Voraussetzungen verfügen. Eine dieser Hauptvoraussetzungen ist eine „gute“ Bewertung, ein sog. „Investment Grade“, vergeben durch eine „Rating-Agentur“. Vielen von Ihnen werden hier ggf. die Namen Moody’s, Fitch oder Standard & Poor´s ein Begriff sein. Das sind die sog. „Big Three“, also die großen Drei der Branche – das sind übrigens dieselben Rating-Agenturen, die vor der Finanzkrise von den Herausgebern von Derivaten (einer Art „Wettschein“ für den Finanzmarkt) dafür bezahlt worden waren, diese mit dem besten Ratings, z.B. AAA zu bewerten – wohin das schlussendlich führte, ist mittlerweile jedem bekannt.
Nun, in diesem Fall kann man den „Big Three“ allerdings keinen Vorwurf machen, denn sie haben die portugiesischen Staatsanleihen schon vor über fünf Jahren unter die Schwelle „Investment Grade“ gesenkt – sprich: zu Schrott erklärt.
Wie kann es dann aber sein, dass die EZB monatlich Milliarden Euro durch Aufkauf dieser Schrottpapiere nach Portugal schickt, wenn dies doch eigentlich gegen geltende Regeln und Gesetze verstößt?
Die Erklärung dafür ist nicht so kompliziert: In keinem EU-Gesetz oder Reglement steht beschrieben, welche Rating-Agentur den „Investment Grade“ vergeben haben muss, oder mit welcher Gewichtung welche Bewertung von welcher Rating-Agentur behandelt wird. Es gibt auch keinen Schlüssel für Gewichtungen der verschiedenen abgegebenen Bewertungen.
Die EZB verlässt sich im Fall Portugal auf das Rating der Dominion Bond Rating Service, kurz DBRS, einer kanadischen Rating-Agentur, die hauptsächlich kanadische Unternehmen und Papiere bewertet und selbst vielen erfahrenen Finanzlern vollkommen unbekannt sein dürfte. DBRS gehört zur Carlyle Group, einer privat geführten Beteiligungsgesellschaft, die weltweit rund 200 Milliarden Dollar verwaltet – eine Schattenbank also. Die DBRS bewertete die portugiesischen Staatsanleihen mit dem Rating „BBB low“, also der untersten Stufe, die es der EZB erlaubt, zu investieren. Aber warum?
Ein Rating eines Finanzprodukts kostet im Normalfall Geld. Irgendwer muss es also in Auftrag gegeben haben, jedoch schweigt die Agentur über ihre Auftraggeber. Nun kann man spekulieren: Entweder hat die EZB/EU selbst das Rating in Auftrag gegeben, um damit eine „Portugal-Krise“ – oder besser gesagt ein „zweites Griechenland“ – soweit wie nur eben möglich hinauszuzögern, oder aber die Hintermänner der DBRS, also die Schattenbank Carlyle Group, verfolgt ein Eigeninteresse daran, dass die EZB weiter Gelder in Portugal hineinpumpt – gegebenenfalls ein Investment oder ein Geschäft, das nur läuft, solange die portugiesische Regierung Geld zum Verprassen hat? Möglicherweise auch beides? Ist die EZB Nutznießer einer undurchsichtigen Schattenbank und umgekehrt? Auf jeden Fall ist das alles äußerst mysteriös! Sobald ich Neues hierzu erfahre, gebe ich Bescheid!
Der Text erschien zuerst auf Vera Lengsfeld
Folgen Sie dem Autor auch auf Twitter! Hanno Vollenweider (@HanVollenweider)
Kommentar hinterlassen
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.