Knacken im Eis – Amsterdamer Gastspiel „Eis-Palast“ in der Münchner „Schauburg“ ließ einige Fragen offen

Foto: Hans Gärtner

So ein richtiger Eisblock wär schon toll gewesen. War aber nicht. Jossi, gefühlte 9 Jahre, auf der Heimfahrt in der Tram 27: „War `n bisschen langweilig“. Warum? Nur Schulterzucken. Der Titel des 60-Minuten-Tanzstücks „Eis-Palast“ (empfohlen ab 6 Jahren) hatte anderes erwarten lassen als das, was Andreas Denk mit seinem bewegungsfreudigen Quartett bot. Ein Foto im Programmheft der Schauburg, die die Koproduktion mit „plan d – Andreas Denk, Amsterdam“ dreimal wiederholt, zeigt Denk, Pelzhaube auf dem Kopf und Kurzärmelhemd, mit in einem Eisblock festgefrorener Krawatte. Lustig? In Denks Gesicht steht jedenfalls diese Frage. Er gab den Ton unter den Auftretenden an. Und verantwortet Idee, Konzept, Choreographie und Ausstattung.

Was schöner sein könnte, „als sich von der kristallenen Magie einer Welt verzaubern zu lassen, die vollkommen aus Eis besteht“, fragt Denk. Magie? Verzauberung? Die Aktions-Welt der mit Musik (Wiebe Goting) unterlegten Fünfmann-Performance besteht aus hölzernen, weiß gestrichenen Versatzteilen, die sich, so oder anders, zum Eisberg formen lassen, vor Lichtprojektionen mit Fischen und Sternen und krachenden Eisspalten. Kälte, geschweige denn Eiseskälte, kam selten auf. Das Knacken im Eis, das gefährlich aus dem Off ans Zuschauerohr drang, löste Angst im ewigen Eis, zumindest Beklemmung aus.

Die Tänzerinnen Lisa Beese, Elise Manière, Edita Gorski und Nanna Gram Bentsen erzählten virtuos von Grenzsituationen in öder Strandgegend, vom langsamen „Auftauen“ zufällig zusammengewürfelter Gruppenreisender, freilich auch von der Suche nach Wärme und Geborgenheit und der gemeinsamen Rettung aus Gefahr. Am besten waren die „Expeditions“-Teilnehmerinnen als wackelnde, kreischende Pinguine, die vormachten, wie schön es ist, zusammenzuhalten. „War cool“, meinte Jossi lakonisch auf Nachfrage in der Tram 27. Womit er wohl vor allem das Kreischen meinte.

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Angst im ewigen Eis haben Andreas Denk und seine Reisegruppe im Tanzstück „Eis-Palast“, – Gastspiel aus Amsterdam an der Münchner „Schauburg“ (Foto: Hans Gärtner)

Über Hans Gärtner 502 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.

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