Zum Schutz des Ozeans und der Polargebiete sowie für eine umfassende Dekarbonisierung sind aus Sicht der Wissenschaftsakademien der G7-Staaten dringend internationale Maßnahmen erforderlich. Im Gesundheitsbereich fordern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine bessere globale Pandemievorsorge sowie die Umsetzung des One Health-Ansatzes, der die Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen und Umwelt eng miteinander verknüpft. Diese Empfehlungen sind in vier Stellungnahmen enthalten, die heute beim Science7 Dialogue Forum 2022 in Berlin der Bundesregierung überreicht wurden.
„Der G7-Gipfel muss starke Impulse für den Klimaschutz, die Energiewende und die Verbesserung der globalen Pandemie- und Gesundheitsvorsorge setzen. Mit unseren Empfehlungen adressieren wir zentrale Gipfelthemen, für die es umgehend internationale Maßnahmen braucht“, sagte Prof. (ETHZ) Dr. Gerald Haug, Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina bei der Übergabe der vier Stellungnahmen an den Chef des Bundeskanzleramts Wolfgang Schmidt. „Die vier Themen greifen ineinander und betrachten jeweils das Gesamtsystem Erde“, erläuterte Leopoldina-Präsident Haug den systemischen Ansatz der Stellungnahmen. Die von den G7-Wissenschaftsakademien unter Federführung der Leopoldina erarbeiteten gemeinsamen Empfehlungen fließen in die Beratungen der Staats- und Regierungschefs ein, die sich von Sonntag, 26. Juni bis Dienstag, 28. Juni zum G7-Gipfel auf Schloss Elmau treffen.
Ozean und Kryosphäre: koordinierte Schutzmaßnahmen umgehend erforderlich
Die Weltmeere und die als Kryosphäre bezeichneten Eis- und Schneeregionen verändern sich infolge der globalen Erwärmung schneller als je zuvor. In der Antarktis und in Grönland hat sich der Eisverlust stark beschleunigt, in der Arktis taut Permafrost. Der Ozean versauert und erwärmt sich, der Meeresspiegel steigt. Angesichts dieser dramatischen Entwicklungen fordern die G7-Wissenschaftsakademien unter anderem eine massive Verringerung der Treibhausgasemissionen, den weltweiten Schutz der Meeresökosysteme sowie intensivere internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit und Datenaustausch für ein auf Hochleistungscomputern basierendes Erdbeobachtungs- und Vorhersagesystem.
Klimaneutralität: Dekarbonisierung beschleunigen
Um spätestens 2050 Klimaneutralität zu erreichen, ist Dekarbonisierung erforderlich ‒ bei der Stromerzeugung, beim Heizen und Kühlen von Gebäuden ebenso wie im Verkehrs- und Transportsektor, in der Industrie und der Landwirtschaft. Dafür empfehlen die G7-Wissenschaftsakademien den Aufbau eines kohlenstoffneutralen und widerstandsfähigen Energiesystems. Für eine gerechte Energiewende sind die Einführung eines internationalen Handelssystems für erneuerbare Energien sowie eine globale CO2-Bepreisung erforderlich. Darüber hinaus sollte über die Gefahren des Klimawandels aufgeklärt und klimaneutrales Verhalten gefördert werden.
Entwicklung von antiviralen Medikamenten zur Pandemievorsorge
Die Coronavirus-Pandemie hat gezeigt, dass die Welt unzureichend auf Pandemien vorbereitet ist und dringender Handlungsbedarf bei der Entwicklung neuer antiviraler Medikamente besteht. Daher sprechen sich die G7-Wissenschaftsakademien dafür aus, die Entwicklung spezifischer und breit wirksamer antiviraler Medikamente langfristig zu fördern, erforderliche klinische Studien international zu koordinieren und die weltweite Zusammenarbeit im Bereich der Pandemievorsorge zu verbessern.
One Health-Ansatz gegen Zoonosen und antimikrobielle Resistenzen
Die Zerstörung von Ökosystemen begünstigt das Auftreten von Krankheitserregern tierischen Ursprungs beim Menschen und umgekehrt, sogenannte Zoonosen. Durch die Zunahme antimikrobieller Resistenzen (AMR) verlieren die zur Behandlung von Infektionskrankheiten eingesetzten antimikrobiellen Medikamente (zum Beispiel Antibiotika) an Wirksamkeit. Um diese komplexen Probleme zu lösen, empfehlen die G7-Wissenschaftsakademien eine verstärkte Umsetzung des One Health-Ansatzes, der die Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen und Umwelt zusammenhängend betrachtet. Sie plädieren unter anderem dafür, neue digitale Technologien zur effektiven Überwachung von Zoonosen und AMR einzusetzen sowie Forschung mit One Health-Schwerpunkt zu stärken.
Die gemeinsamen Stellungnahmen der G7-Wissenschaftsakademien sind in englischer Sprache erschienen und können im Original sowie in einer deutschsprachigen Arbeitsübersetzung unter folgendem Link abgerufen werden: www.leopoldina.org/science7-2022.
Die Wissenschaftsakademien begleiten die jährlichen Gipfeltreffen der G7-Staaten seit mehr als fünfzehn Jahren. Sie befassen sich im Vorfeld eines Gipfels mit wissenschaftsbezogenen Fragen, die im Zusammenhang mit der Agenda stehen und multilateral angegangen werden müssen. Als Nationale Akademie der Wissenschaften ist die Leopoldina von der Bundesregierung mit der Federführung der Wissenschaftsberatung, dem sogenannten Science7-Prozess, im Rahmen der diesjährigen deutschen G7-Präsidentschaft mandatiert. Zuletzt hatte die Leopoldina diese Rolle 2015 inne. Informationen zum G7-Prozess und zur Beratung durch die Wissenschaftsakademien sowie die aktuellen Stellungnahmen finden sich unter: https://www.leopoldina.org/international/g7-und-g20-politikberatung/
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Über die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina
Als Nationale Akademie der Wissenschaften leistet die Leopoldina unabhängige wissenschaftsbasierte Politikberatung zu gesellschaftlich relevanten Fragen. Dazu erarbeitet die Akademie interdisziplinäre Stellungnahmen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse. In diesen Veröffentlichungen werden Handlungsoptionen aufgezeigt, zu entscheiden ist Aufgabe der demokratisch legitimierten Politik. Die Expertinnen und Experten, die Stellungnahmen verfassen, arbeiten ehrenamtlich und ergebnisoffen. Die Leopoldina vertritt die deutsche Wissenschaft in internationalen Gremien, unter anderem bei der wissenschaftsbasierten Beratung der jährlichen G7-und G20-Gipfel. Sie hat 1.600 Mitglieder aus mehr als 30 Ländern und vereinigt Expertise aus nahezu allen Forschungsbereichen. Sie wurde 1652 gegründet und 2008 zur Nationalen Akademie der Wissenschaften Deutschlands ernannt. Die Leopoldina ist als unabhängige Wissenschaftsakademie dem Gemeinwohl verpflichtet.