Wer „La Sonnambula“ sagt, denkt an Jenny Lind, die Malibran, die Callas, Joan Sutherland, Edita Gruberova, auch Cecilia Bartoli und Anna Netrebko. Namen großer Sopranistinnen, die über eine geläufige Gurgel wie genügend jugendliche Dramatik verfügen. Zugleich werden große Häuser assoziiert, von der Mailänder Scala bis zur Wiener Staatsoper. Dem „großen“ Münchner Haus an der Maximilianstraße liegt Vincenzo Bellini, überhaupt der Belcanto, eher fern, während es dem „kleinen“ Münchner Haus am Gärtnerplatz, das bald sein 150-jähriges Bestehen feiert, allerdings wegen Renovierung noch immer „tingeln“ muss, gelang, das 1831 uraufgeführte Werk zu stemmen. Intendant Josef E. Köpplinger sah sich erfolgreich im eigenen Herkunftsland um und gewann den jungen Wiener Regisseur Michael Sturminger, sich des Stückes anzunehmen. Dem gab er mit seinen Ausstattern Andreas Donhauser und Renate Martin einen etwas altbacken-biedermeierlichen Anstrich, was ihm das Prinzregententheater-Publikum aber mit geschmatzten Händen abnahm, die zwischendurch und am Ende nicht aufhören wollten zu applaudieren.
Alles war wohlgeordnet, nichts gab es zu rätseln, jede Geste, auch die eingeschobenen Gags saßen, die wenigen ironischen Anspielungen kamen ebenso gut an wie das spielend leicht variable diaphane Projektions-Bühnenbild mit wisperndem Wasserfall und tiefem, tiefem „Freischütz“-Tann.
Das Stück bedient sich eines ausgefallenen Sujets: die dem Bauern Elvino versprochene Müllertochter Amina wandelt nachts im Schlaf. Sie istals Somnambule mehrfach gefährdet und fühlt sich im Schweizer Gebirgsdorf als Ausgestoßene. Dass sie träumend und ohne Bewusstsein im Bett des jungen Feudalherrn landet, bringt den dicken, aber bald auflösbaren Knoten in die seltsame Story mit Happy End.
Sechsmal setzte Köpplinger „La Sonnambula“ auf den Herbstspielplan, mit Doppelbesetzung einiger tragender Partien. Er bringt es erst im nächsten Sommer (zweimal) wieder. In der vorletzten Aufführung beglückte die kernige Kehlenakrobatin und in Gestik und Mimik bezaubernde Jennifer O`Laughlin als Titelheldin (Foto von Hans Gärtner) mit leicht anspringender, samtener, dabei treffsicher und mühelos bis in höchste Höhen kraxelnder Stimme – sowohl in den Arien als auch im Verein mit ihren Partnern Alessandro Luciano (Elvino), Maxim Kuzmin-Karavaev (Rodolfo), ihren Partnerinnen Anna Agathonos (Teresa) und Maria Nazarova (Lisa), die für ihre kesse Solo-Nummer Sonderbeifall bekam sowie Chor mit Extrachor des Staatstheaters am Gärtnerplatz, der mit bewundernswerter Spiellaune und perfekt beherrschtem Italienisch überzeugte.
Sorgte Sturmingers kluge, mätzchenfreie Regie für Handlungstransparenz, überließ sie damit, wie so selten in der Oper erlebt, die „Hauptrolle“ der Musik. Die schrieb schließlich ein Könner mit Namen Vincenzo Bellini. Chefdirigent Marco Comin wusste seines Amts als zurückhaltender Arien-, Ensemble- und Chortableau-Begleiter auf unprätentiöse Weise zu walten. Er ließ nicht den geringsten Zweifel an der Qualität seines gut „gezogenen“ Instrumental-Apparats, aber auch seines eigenen Belcanto-Geschmacks. Der darf ruhig mal etwas dahinplätschern, um jedoch dann umso sprühender und glühender aufzulodern.
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