Vom 28. bis 30 Mai 2009 veranstaltet die Klassik Stiftung Weimar im Festsaal des Goethe-Nationalmuseums eine interdisziplinär ausgerichtete Tagung zu Morphologie und Moderne in Bezug auf Goethes Konzept des anschaulichen Denkens. In insgesamt 17 Vorträgen wird nach dessen Aktualität und Bedeutung für die Geistes- und Kulturwissenschaften seit 1800 gefragt.
Gegenwärtig erfreut sich Goethes morphologisches Denken neuer Aufmerksamkeit und stößt auch in der angloamerikanische Philosophie auf großes Interesse. Die aktuelle Auseinandersetzung mit Goethes Morphologie ist jedoch nur die jüngste Etappe einer bereits während des frühen 19. Jahrhunderts in den Geistes- und Kulturwissenschaften einsetzenden Wirkungsgeschichte. So begründete Wilhelm von Humboldt eine geschichtswissenschaftliche Rezeptionslinie, in die sich Historiker wie Droysen, Burckhardt, Troeltsch und Spengler einreihen lassen. In der Philosophie erfolgte bereits um 1800 eine intensive Auseinandersetzung mit Goethes ›anschaulichem Denken‹, die sich über Husserl, Cassirer, Benjamin und Wittgenstein bis weit ins 20. Jahrhundert hinein fortschreibt.
Die große Attraktivität des morphologischen Ansatzes, der von zahlreichen namhaften Denkern mit je unterschiedlichen metaphysischen und weltanschaulichen Hintergrundannahmen aufgegriffen worden ist, scheint sich aus einem spezifischen Problemdruck der Moderne zu erklären: Bereits Schiller beklagt die Fragmentierung der modernen Erfahrungswelt sowie die Entfremdung des Subjekts von den Objekten seiner Wahrnehmung. Dem stellt die Morphologie eine »zarte Empirie« entgegen, welche die Einzelphänomene, aus einem durchaus subjektiven Blickwinkel, in ihrer analogischen Ähnlichkeit zusammenfasst, ohne sie dem abstrakten Allgemeinbegriff oder der immer fragwürdiger gewordenen Logik rationalistischer Systembildung zu unterwerfen.
Veranstaltungsdaten
»Morphologie und Moderne –›Goethes anschauliches Denken‹ in den Geistes- und Kulturwissenschaften seit 1800«
Tagungsleitung: Dr. Jonas Maatsch, Klassik Stiftung Weimar, PD Dr. Thorsten Valk, Klassik Stiftung Weimar
28. bis 30. Mai 2009 (Donnerstag bis Samstag)
Tagungsort: Festsaal des Goethe-Nationalmuseums
Am Frauenplan 1 | 99423 Weimar
Gäste sind herzlich willkommen, der Eintritt ist frei.
Tagungsprogramm
Donnerstag, 28. Mai 2009
10 Uhr
Hellmut Seemann, Klassik Stiftung Weimar
Grußwort des Präsidenten
10.15 Uhr
Dr. Jonas Maatsch, Klassik Stiftung Weimar
Einführung
10.30 Uhr
Prof. Dr. Gernot Böhme, Technische Universität Darmstadt
Biographie als Gestaltwandel
11.30 Uhr
Kaffeepause
12.00 Uhr
Prof. Dr. Annette Simonis, Justus-Liebig-Universität Gießen
›Gestalt‹ als ästhetische Kategorie. Transformationen
eines Konzepts vom 18. bis zum 20. Jahrhundert
13.00 Uhr
Mittagspause
14.30 Uhr
Prof. Dr. Eckart Förster, Johns Hopkins University of Baltimore
Goethe und die Idee einer Naturphilosophie
15.30 Uhr
Prof. Dr. David Wellbery, University of Chicago
Idee und Form. Topographie eines Begriffsfeldes. 1800 /1900
16.30 Uhr
Kaffeepause
17 Uhr
Dr. Johannes Grave, Universität Basel
»Beweglich und bildsam«. Morphologie als implizite Bildtheorie?
18 Uhr
Prof. Dr. Otto Gerhard Oexle, Göttingen und Berlin
Der Teil und das Ganze. Eine europäische Problemgeschichte
Freitag, 29. Mai 2009
09.30 Uhr
Prof. Dr. Stefano Poggi, Università degli Studi di Firenze
Morphologie und Mystik. Form und Einheit als Problem
der Philosophie zwischen Kunst und Wissenschaft um 1900
10.30 Uhr
Prof. Dr. Karl-Siegbert Rehberg, Technische Universität Dresden
Georg Simmels Sozialphilosophie und Goethes Morphologie
11.30 Uhr
Kaffeepause
12.00 Uhr
Prof. Dr. Frithjof Rodi, Ruhr-Universität Bonn
Grenzen der Morphologie in Diltheys Goethe-Rezeption
13.00 Uhr
Mittagspause
14.30 Uhr
Eva Maria Simms
Goethe und die Phänomenologie. Husserl und Merleau-Ponty
15.30 Uhr
Prof. Dr. Paul Bishop, University of Glasgow
Das Goethesche Symbol als Instrument der morphologischen
Wandlung. Ernst Cassirer, Ludwig Klages, C. G. Jung
16.30 Uhr
Kaffeepause
17.00 Uhr
Prof. Dr. Gilbert Merlio, Université de Sorbonne Paris
Was ist und zu welchem Ende betreibt man im 20. Jahrhundert
Geschichtsmorphologie?
18.00 Uhr
Prof. Dr. Günter Figal, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Gestalt und Gestaltwandel. Zu Goethe und Ernst Jünger
20.00 Uhr
Gemeinsames Abendessen
Samstag, 30. Mai 2009
9 Uhr
PD Dr. Holger Dainat, Universität Bielefeld
Morphologische Poetik. Über das Interesse der
Literaturwissenschaft an Bauformen
10 Uhr
Dr. Peter Heusser, Universität Bern
Goethes Morphologie und moderne Theorie der
Selbstorganisation
11 Uhr
Kaffeepause
11.30 Uhr
Dr. Joachim Schulte, Universität Zürich
Ideen mit den Augen sehen.
Goethe und Wittgenstein über Morphologie
12.30 Uhr
Dr. Rolf Wiggershaus, Kronstadt im Taunus
Zarte Empirie und unrestringierte Erfahrung. Kracauer, Benjamin
und Adorno als literarisch-philosophische Zeitdiagnostiker
15.00 Uhr
Führung durch die Ausstellung
»Das Bauhaus kommt aus Weimar«
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