„Kein Wagner ohne Beethoven“

beethoven songtext musikunterricht musiknoten, Quelle: niekverlaan, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig

Der bedeutungsvolle Satz „Kein Wagner ohne Beethoven“ stammt von Nike Wagner (2015). Sie ist eine, die es wissen muss: Sie hat Musik-, Theater- und Literaturwissenschaft studiert und hat über Karl Kraus promoviert. Richard Wagner war ihr Urgroßvater und Franz Liszt war ihr Ur-Urgroßvater. Sie hat von Geburt her tiefe Wurzeln zu Richard Wagner und intensive aktuelle Verbindungen zu Ludwig van Beethoven. Seit 2014 ist sie Intendantin des jährlichen Bonner Beethoven-Festes. Als Ludwig van Beethoven im Jahr 1827 starb, war Richard Wagner gerade 14 Jahre alt. Sie konnten sich also nicht persönlich begegnen. Ludwig van Beethoven war für Richard Wagner das wichtigste musikalische Vorbild.

„Ich glaube an Gott, Mozart und Beethoven“ (Richard Wagner)

Das Credo „Ich glaube an Gott, Mozart und Beethoven“ hat Richard Wagner auf einer Reise nach Paris inspiriert. Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven waren zweifellos die großen Genies der Wiener Klassik. Sie waren und blieben das Vorbild von Richard Wagner. Im Folgenden wird noch deutlicher werden, dass Richard Wagner in seinen Schöpfungen und in seiner Werkgeschichte immer wieder auf Ludwig van Beethoven zurückkam.

„Fidelio“ als Erweckungserlebnis – erst durch Beethoven entdeckte Wagner seine Faszination für Musik

Der seit früher Kindheit vaterlose Richard Wagner kam in seiner Jugendzeit zu seinem Onkel Adolph Wagner, der Philologe war und für Richard ein geistiges Vorbild. Dieser Onkel war erfolgreich, weil er als Übersetzer der Werke von Sophokles bekannt war und mit Johann Wolfgang von Goethe korrespondierte. In der umfangreichen Bibliothek seines Onkels las Richard Wagner die Werke von William Shakespeare und die deutschen Romantiker, z.B. E. T. A. Hoffmann. Durch den Onkel wurde das Interesse an Literatur wesentlich geweckt. Schon als Schüler schrieb Richard Wagner ein erstes dramatisches Werk mit dem Titel „Leubald und Adelaide“. Dies war ein Trauerspiel in fünf Akten und orientierte sich an den Dramen von William Shakespeare. Wie sein Onkel, betätigte sich auch Richard Wagner als Übersetzer und übersetzte 1826 die Gesänge der Odyssee ins Deutsche. Jahrelang schien ein schriftstellerischer Lebensweg für Richard Wagner vorgezeichnet. Doch dann kam im 16. Lebensjahr eine andere Initialzündung. Im April 1829 erlebte der 16-jährige Wagner erstmals die Oper „Fidelio“ von Ludwig van Beethoven. Dieser Opernbesuch war wie ein tiefes Erweckungserlebnis. Wagner war sehr gerührt und wie vom Blitz getroffen. Von nun an stand für ihn fest, dass er Musiker werden wollte. Schon kurz danach verfasste er erste Klaviersonaten, ein Streichquartett und mehrere Ouvertüren. Diese ersten Schöpfungen vollendete er alle in den Jahren 1829 und 1830, also gerade zwei bis drei Jahre nach Beethovens Tod. In derselben Zeit vollendete er einen Klavierauszug zur neunten Symphonie Beethovens.

„Eine Pilgerfahrt zu Beethoven“ (1840/41)

Richard Wagner war gerade 27 Jahre alt, als er eine Novelle zur Würdigung von Ludwig van Beethoven schrieb. Er nannte sie „Eine Pilgerfahrt zu Beethoven“ und schildert darin eine fiktive Geschichte, wie er eine Pilgerfahrt nach Wien unternimmt, um den großen Genius dort zu begrüßen. In der Novelle kommt es zu einem Austausch der Meinungen der beiden über Musik, Komponisten und Opern. Interessant ist, welche Worte Richard Wagner Beethoven quasi in den Mund legt. Er lässt also fiktional Beethoven seine eigenen Ansichten aussprechen oder kommentieren.

Wagners Beethoven-Essay zu dessen 100. Geburtstag 1870

Im Jubiläumsjahr 1870 anlässlich des 100. Geburtstages von Ludwig van Beethoven schrieb Richard Wagner einen etwa 70 seitigen Essay über sein großes musikalisches Vorbild. Diese Hommage an Beethoven ist bis in die Gegenwart immer wieder neu aufgelegt worden, zuletzt 2012 im Unikum-Verlag und 2015 im Verlag Hofenberg.

Neunte Symphonie Beethovens zur Feier der Grundsteinlegung des Bayreuther Festspielhauses 1872.

In einer Retrospektive über 150 Jahre war sicherlich der Bau des Bayreuther Festspielhauses und der „Villa Wahnfried“ eine grundlegende Voraussetzung für den erfolgreichen Wagner-Mythos und dem Fortleben des Familienclans am grünen Hügel. Bis heute pilgern die Verehrer Wagners alljährlich an diesen Ort. Nur wenige Musikfestspiele Europas haben eine vergleichbare Bedeutung und Einfluss. Es ist sicherlich kein Zufall, dass für den Festakt anlässlich der Grundsteinlegung Richard Wagner die bekannteste Symphonie Ludwig van Beethovens auswählte, die neunte Symphonie. Auch hier zeigt sich die enge inhaltliche Verbindung und die große Verehrung Wagners für Beethoven. Durch das Vermächtnis von Siegfried und Winifred Wagner wurde festgelegt, dass bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth ausschließlich Werke von Richard Wagner gespielt werden sollen. Eine einzige Ausnahme wurde eingeräumt: Ludwig van Beethoven. Erst seit 1976 gibt es Sonderkonzerte in Bayreuth, bei denen auch andere Komponisten gespielt werden.

Richard Wagners Beethoven-Rezeption in der Musikwissenschaft

In allen Schriften, die Richard Wagner der Nachwelt hinterlassen hat, nimmt er sehr oft Bezug zu Ludwig van Beethoven. Dieser blieb sein großes Vorbild bis zum Lebensende (Lockwood 2009). Musikwissenschaftler haben in den letzten 150 Jahren die kreative Beziehung dieser beiden Genies mannigfaltig bearbeitet. Klaus Kropfinger (1975) und Hans-Georg Klemm (2014) haben die Gemeinsamkeiten der beiden Künstler und die Wagnersche Beethoven-Rezeption untersucht. Beethoven lebte in Richard Wagner weiter und die Inspiration, die von ihm für Wagner ausging, hat die Musik bis heute wesentlich bereichert.

Literatur:

Klemm, Hans-Georg (2014) Beethoven, Wagner, Mahler. Genial und hochsensibel. Primus Verlag

Kropfinger (1975) Wagner und Beethoven: Untersuchungen zur Beethoven-Rezeption Richard Wagners. Regensburg, Bosse Verlag

Lockwood, Lewis (2009) Beethoven. Seine Musik. Sein Leben. Sonderausgabe. Stuttgart, J.B. Metzler- Verlag

Wagner Nike (2015) Was bedeutet Ihnen Beethoven? Deutschlandfunk Kultur. Interview vom 1.4.2015 mit Ulrike Timm

Wagner Richard (1840) „Eine Pilgerfahrt zu Beethoven“.

Wagner Richard (1870) Beethoven.

    Neuauflagen Unikum-Verlag 2012 und Hofenberg-Verlag 2015

Korrespondenzadresse:

Professor Dr. med. H. Csef   

Schwerpunktleiter Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Zentrum für Innere Medizin

Medizinische Klinik und Poliklinik II

Oberdürrbacher Straße 6

97080 Würzburg

E-Mail-Adresse: Csef_H@ukw.de

Über Herbert Csef 153 Artikel
Prof. Dr. Herbert Csef, geb. 1951, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker. Studium der Psychologie und Humanmedizin an der Universität Würzburg, 1987 Habilitation. Seit 1988 Professor für Psychosomatik an der Universität Würzburg und Leiter des Schwerpunktes Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums. Seit 2009 zusätzlich Leiter der Interdisziplinären Psychosomatischen Tagesklinik des Universitätsklinikums. Seit 2013 Vorstandsmitglied der Dr.-Gerhardt-Nissen-Stiftung und Vorsitzender im Kuratorium für den Forschungspreis „Psychotherapie in der Medizin“. Viele Texte zur Literatur.