Das neue „Kölner Domblatt“ ist erschienen
Als die Nationalsozialisten im März 1936 Truppenteile der Wehrmacht im bis dato entmilitarisierten Rheinland stationierte und Adolf Hitler damit erneuet eine Bestimmung des Versailler Friedensvertrags von 1919 revidierte, war nach Ansicht des damaligen Kölner Domvikar Max Loosen für ,,jedem, der sehen wollte, klar, daß man auf einen Krieg lossteuerte“. Die Konsequenz für den geistlichen: Er begann über drei Jahre vor Beginn des Zweiten Weltkriegs mit Planungen zur Sicherung der beweglichen Kunstschätze der Kölner Kathedrale und gab bereits für eine mögliche Evakuierung von Domschatz und Dreikönigenschrein die ersten Transportkisten in Auftrag. Wie weitsichtig! So konnte unmittelbar nach Kriegsbeginn im September 1939 mit der Sicherung begonnen werden, ab Mitte 1942 mussten zahlreiche Schätze evakuiert werden.
Die Geschichte über die „Kriegsschutzmaßnahmen am Kölner Dom im Zweiten Weltkrieg“ ist einer der Beiträge im neuen Kölner Domblatt, das dieser Tage in der 74. Folge erschienen ist. Das Titelbild des vom Kölner Zentral-Dombau-Verein herausgegebenen Bandes- die in Holz eingehüllten Figuren an den Pfeilern im Hochchor sowie rechts und links gestapelte Sandsäcke an Stelle des Chorgestühls – verweist bereits auf diesen Text des Historikers Niklas Möring. Spannend zu lesen ist auch der Streit zwischen dem damaligen Dombaumeister Hans Güldenpfennig und dem Provinzialkonservator der Rheinprovinz, Franz Graf Wolff Metternich, über den ausreichenden Schutz der kostbaren Fenster vor Ort oder eben doch Ausbau. Metternich, für den der Kölner Dom das „erhabenste Bauwerk des Deutschen Reiches“ darstellte, setzte sich schließlich gegen Güldenpfennig, im Krieg „der verlässlichste Schützer dieses Domes“, durch: Die verschalten Fenster wurden – aus heutiger Sicht Gott sei Dank – doch ausgebaut und später in alte Bergwerke und Stollen ausgelagert.
Gleichwohl hat die Kathedrale den Krieg natürlich nicht unbeschadet überstanden auch wenn manch bekannte Fotografie aus den Nachkriegstagen dies mit ihrer Ansicht von der völlig zerstörten Innenstadt mit dem scheinbar unversehrt im Hintergrund aufragenden Kölner Wahrzeichen zu suggerieren scheint. Bis heute sind die Mitarbeiter der Dombauhütte mit der Beseitigung von Kriegsschäden befasst. Laut Dombaumeisterin Professor Barbara Schock-Werner werden Erhaltungsarbeiten an der Nordseite und die Beseitigung unzähliger Einschusslöcher und Granatsplitter im nächsten Jahr einen Schwerpunkt bilden.
Für das abgelaufene Jahr – es handelt sich um den Berichtszeitraum von Oktober 2008 bis September 2009 – ist zuvorderst die Fertigstellung des neuen Zugangsgebäudes für die Turmbesteigung sowie die sich daran anschließende Umgestaltung der Domgrabung zu nennen. „Nahezu alle Gewerke der Dombauhütte waren daran beteiligt“, so die Dombaumeisterin. Unter den zahlreichen Maßnahmen wie Sanierungen, Konservierungen, Restaurierungen und Reinigungen im und am Dom sowie an zahlreichen Objekten ist außerdem der bevorstehende Abschluss von Arbeiten im Zusammenhang mit dem weithin sichtbaren Hängegerüst am Nordturm zu erwähnen. Den anstehenden Abbau der Konstruktion verband Schock-Werner mit dem Hinweis: „Das nächste Gerüst ist schon in Planung und wird nächstes Jahr je nach Witterung sukzessive aufgebaut.“
In bewährter und unterhaltsamer Form reiht das Kölner Domblatt, das weltweit wohl einzige Periodikum, das regelmäßig über Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges an einer Kathedralkirche berichtet, Beiträge aus Geschichte und Forschung, geistlichem Leben und Wissenschaft aneinander. So veröffentlicht das neue Kölner Domblatt postum einen Vortrag des verstorbenen renommierten Kunsthistorikers Dietrich Kötzsche über „Fragmente vom Dreikönigenschrein“. Georg Hauser, der Leiter der Domgrabung, hingegen entlarvt die Domlegende, der gemäß das Herz von Maria von Medici, ehemalige Königin von Frankreich sowie 1642 in Köln gestorben, im Dom begraben sei, definitiv als das, was sie ist: eine Legende.
Bemerkenswert, „weil in dieser komprimierten Darstellung so noch nicht nachzulesen“, wie ZDV-Präsident Michael H. G. Hoffmann zu Recht anmerkt, ist auch der Beitrag von Prälat Norbert Feldhoff. Der amtierende Dompropst widmet sich der Frage „Dombau in Köln – eine kirchliche Aufgabe?“. Ausgehend von der Tatsache, dass die Kölner Dombauhütte vom 19. Jahrhundert bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs unter staatlicher Führung gestanden hat sowie die Feier der Domvollendung im Jahr 1880 eher ein säkularer Akt des Deutschen Kaiserreichs gewesen ist, bei dem die Kirche eher abseits stand, geht es bei diesem Aufsatz doch auch um die immer wieder gern diskutierte bedeutungsschwere Frage, wem der Dom eigentlich gehört. Seine ebenso profunden wie detailreichen Untersuchungen schließt Feldhoff mit dem Fazit ab: „Der Versuch, den Dom zu einem Nationaldenkmal zu machen, musste nicht nur aus politischen Gründen scheitern. Der Dom wurde nach dem mittelalterlichen Plan vollendet. So entstand eine Kathedrale, eine Bischofskirche, ein steinerner Schrein über dem goldenen Reliquienschrein mit den Gebeinen der Hll. Drei Könige. Die Steine, die nach diesem Plan zusammengefügt wurden, ,singen’ auch heute noch das Lob Gottes und sind nicht zum Schweigen zu bringen.“
Kölner Domblatt 2009 – Jahrbuch des Zentral-Dombau-Vereins, 328 Seiten, 201 Abbildungen, 25,80 Euro, ISBN 978-3-922442-66-02
Fotos:
– Nach dem Gerüst ist vor dem Gerüst: Das weithin sichtbare Hängegerüst am Nordturm wird demnächst abgebaut, ein neues Gerüst am selben Turm ist bereits in Planung.
– Der Abschluss für den neuen Zugang zur Turmbesteigung und zur Domgrabung war eine der herausragenden Arbeiten im Jahr 2009 am Kölner Dom.
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