
Wie ist das eigentlich, wenn man jede Lüge durchschaut und telepathische oder hellsichtige Fähigkeiten besitzt und dabei immer richtig liegt? Marielle, sensibel und wahrhaftig gespielt von Laeni Geiseler, erlangt plötzlich und unerwartet diese sehr konkreten telepathischen Fähigkeiten, was ihr Leben nicht leichter macht. Nun erkennt sie erst die falschen Spiele ihrer Eltern, die stetigen Lügen, die sie vehement als Wahrheit kommunizieren und die Boshaftigkeit oder Kälte, die hinter dem Betrug stecken. Die Eltern versuchen die schummelnde Fassade zu bewahren, was zu gelungener Situationskomik führt. Eine surreale Perspektive auf einen langweiligen und unbefriedigenden Alltag in scheinbarer Harmonie wird offenbart. Unter der Oberfläche brodelt es nicht nur in trivialen Angelegenheiten, sondern auch substanzielle Lebensentscheidungen und Dunkelheit kommen ans Licht, teilweise schockierend für den jungen Teenager Marielle. Das Spektrum reicht von der kleinen weißen Lüge bis hin zu bitteren, bisher unausgesprochnen Tatsachen. Der Plot verliert sich also nicht in oberflächlichen humorvollen Alltagsszenen sondern geht auch in die Tiefe.
Kleinste Nuancen des Alltags, insbesondere die ohne Worte, werden hervorragend vom Schauspielensemble greifbar gemacht. Eine schauspielerische Glanzleistung sowie eine Glanzleistung der Regie. Hin und wieder stockt das Tempo, da man in der heutigen Zeit äußerst schnelle Schnitte und Handlungsstränge gewohnt ist. Man sollte also sein hektisches Zeitkonsumverhalten runterfahren wenn man sich auf „Was Marielle weiß“ einlässt.
Viele Kinder, aber auch Erwachsene, verschweigen ihre hellsichtigen oder telepathischen Fähigkeiten weil sie oft als krank diffamiert werden. Auch dieses Thema wird in „Was Marielle weiß“ angeschnitten. Die Mutter schleppt Marielle zum Arzt, als sei es ein krankhaftes Fehlverhalten statt einer besonderen Begabung. Sinn und Zweck des Arztbesuches ist jedoch letztlich, dass Marielles Hellhörigkeit aufhört, damit ihre Mutter – authentisch in aller Ekelhaftigkeit gespielt von Julia Jentsch – wieder ihre Lügen und Betrug ungeahndet weiter ausleben kann. Viele Frauen mit derlei hellhörigen Fähigkeiten landeten auf dem Scheiterhaufen. Die allwissende Intuition löst auch heute noch Unsicherheit und Hass aus. Die Mehrheit der Bevölkerung ist nicht bereit zur Wahrhaftigkeit und lebt in Lüge, größtenteils in Selbstbetrug. Die kleinen weißen Lügen jedoch erleichtern eben häufig den Umgang im Alltag und gehören in harmloser Weise zu unserem sozialen Normen dazu.
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Zum Film:
Julia (Julia Jentsch), Tobias (Felix Kramer) und ihre Tochter Marielle (Laeni Geiseler) führen ein ruhiges und komfortables Leben in scheinbarer Harmonie. Doch die Idylle zerbricht, als Marielle plötzlich und auf unerklärliche Weise alles sehen und hören kann, was ihre Eltern tun – immer und überall. Von einem Tag auf den anderen kennt sie jedes Detail aus ihrem Privatleben. Was zunächst wie eine skurrile Herausforderung wirkt, bringt nach und nach tief verborgene Konflikte ans Licht. Ein bissiger Film über den Verlust von Privatsphäre und die Frage: Würden Kinder ihre Eltern immer noch lieben, wenn sie alles über sie wüssten?
„Was Marielle weiß“ von Regisseur Frédéric Hambalek lief im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale. Die Hauptrollen besetzen Julia Jentsch (SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE, HANNAH ARENDT, 24 WOCHEN) und Felix Kramer (DOGS OF BERLIN, DARK, FREIES LAND) als Eltern der Nachwuchsschauspielerin Laeni Geiseler (DIE KAISERIN), die als ihre Tochter Marielle im Mittelpunkt der Geschichte von „Was Marielle weiß“ steht.
Produziert wurde „Was Marielle weiß“ von Walker + Worm (SISI & ICH, SCHACHNOVELLE) in Koproduktion mit dem ZDF/Das Kleine Fernsehspiel und mit Unterstützung des DFFF, der Medienförderung RLP und der FFA. „Was Marielle weiß“ startet im Verleih von DCM am 17.04.2025 bundesweit in den deutschen Kinos.