Nach Israel führt das letzte Exponat einer sehenswerten Ausstellung im Kulturzentrum im Sudetendeutschen Haus an der Hochstraße 8, die ganz im Zeichen Franz Kafkas steht. Auf dem Bild mit Titel „ Ein ganz gewöhnlicher Gebrauchsgegenstand“ ist eine Haarbürste zu sehen, die dem Prager Schriftsteller gehört hatte. Seine letzte Liebe Dora Diamant schenkte sie nach seinem Tod zusammen mit einem Portrait von ihm dem Hebräisch-Lehrer David Maletz bei ihrem Besuch in Palästina. Dort wo das Paar „von einer gemeinsamen Zukunft träumte“.
„Wege des Franz K.“ nennt sich der Fotozyklus des tschechischen Fotografen Jan Jindra, der sich wie ein „Parcours“ durch Kafkas wenig bekannte Aufenthaltsorte verfolgen lässt. Begleittexte von Judita Matyásová informieren über die Plätze, die anhand von Archivrecherchen, vor allem auch durch die Auswertung von Kafkas Tagebüchern ausfindig gemacht wurden und nun ein Gesicht bekommen. Auf Kafkas Spuren wandert der Besucher durch viele europäischen Ziele, die den Schriftsteller auch als touristische Attraktionen anzogen: Paris, Weimar, Berlin, Luzern, Lugano, Wien, Stresa und Riva del Garda, wo er sich länger in einem Sanatorium aufhielt. Und immer wieder taucht sein Prag hervor und die Plätze, die sich mit seinem Werk in Verbindung bringen lassen: Die leeren Büroräume der „Assicurazioni Generali“, Treppenhaüser, Treppengeländer oder Balkonbrüstungen neben unzähligen Detailansichten, welche dieunheimliche Atmosphäre seiner literarischen Welt heraufbeschwören. Eine „originale Türklinke“, die sich hätte öffnen können, die Stufen zu Milenas Wohnung, oder der einsame, verschneite Weg, der zu seiner letzten Ruhestätte im Neuen Jüdischen Friedhof hinführt.
Kafkas Grabmal in seiner verwilderten, von Pflanzen und Steinen bedeckten Schlichtheit findet sich wieder in dem Zyklus „Adagio Lamentoso“ des anderen tschechischen Fotografen Ladislav Michálek, der sie 1989 zu Texten des Schriftstellers Bohumil Habral noch im Samizdat veröffentlichte. Zu sehen ist er im Rahmen der Ausstellung „Jüdische Friedhöfe“, die das Tschechische Zentrum München an der Prinzregentenstraße 7 bis zum 11.Januar 2013 präsentiert. Fotos wie „Denkbilder“ etwas nach der Art Walter Benjamins, die sich aus einem stillen Dialog mit den Grabsteinen heraus entwickeln. Bilder in einem Wechselspiel zwischen Licht und Schatten begriffen, in denen Schrift und Symbolik eine besondere Plastizität gewinnen, um ganz zur Geltung zu kommen. Michálek, der sich in Prag durch seine 1968 entstandenen Aufnahmen des Einmarsches der Soldaten des Warschauer Paktes sowie durch seine Portraits von so genannten „inoffiziellen“Künstlern im Kommunismus wie Wladimir Boudnik einen Namen gemacht hatte, widmete in den 70er und 80er Jahren sein Interesse den bis zur „Samtenen Revolution“ dem Verfall ausgesetzten jüdischen Friedhöfen Tschechiens zu. Mit seiner Kamera dokumentierte er deren verwahrlosten Zustand undhielt sie in ihrer beinah gespenstische Einzigartigkeit als bleibendes Zeugnis einer verschwundenen jüdischen Präsenz fest.
Die Schau ist Teil des Programms der Jüdischen Kulturtage München, die die Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition (www.juedischekulturmuenchen.de) alljährlich dank des Einsatzes ihrer engagierten Präsidentin Ilse Ruth Snopkowski veranstaltet. Von besonderer Bedeutung in deren 26. Lebensjahr neben den hochkarätigen Konzerten und Aufführungen der Bildvortrag von Prof. Dr. Hermann Simon über den großen jüdischen Denker Moses Mendelssohn, der Lessing zu „Nathan der Weise“ inspirierte und dessen gemeinsames Portrait heute im Jüdischen Museum zu Berlin an die Geburtsstunde der deutschen Aufklärung erinnert. Von Tschechien entführen die international ausgerichtetenKulturtage nach Ungarn mit einer Gedenkveranstaltung mit Filmvorführung und Podiumsdiskussion zum 100. Geburtstag des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg, der 1944 durch die Vergabe so genannter „Schutzpässe“ unzähligen ungarischen Juden das Leben rettete. Istwán Szabós mehrmals preisgekrönter, tiefsinniger Generationsfilm Ein Hauch von Sonnenschein (1999) mit Ralph Finnes in drei männlichen Hauptrollen gewährt einen tiefen Einblick in die Geschichte ungarischer Juden seit ihrer Emanzipation während der K.u.K. Monarchie zwischen Assimilationsdrang und Suche der eigenen Identität.
Eine Veranstaltungsreihe der Europäischen Janusz Korczak Akademie (www. ejka.org), die seinen Namen trägt, erinnert an den jüdischen-polnischen Kinderarzt und Kinderbuchautor, dem Andrzej Wajda 1990 in einem tief bewegenden, vor kurzem im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlten Schwarzweiß-Film mit Udo Samel in der Titelrolle ein Denkmal gesetzt hat. Dr. Korczak begleitete die 200 Kinder seines Waisenhauses beim Transport aus dem Warschauer Ghettos in das Konzentrationslager Treblinka und opferte somit freiwillig sein Leben, um sie nicht allein ihrem grausamen Schicksal zu überlassen. Zum 70.Jahrestag seiner Ermordung präsentiert das mehrfach ausgezeichnete Experimentelle Theater Günzburg im Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München am Jakobsplatz „Szenische Gepäckstücke der etwas anderen Art“, ein Bühnenspiel mit Lebensdaten und Ideen des großen Pädagogen.(Sonntag, 25.11. um 17:00 Uhr-www.ikg-m.de).
„Streifzug durch das Jüdische München“, eine kleine aber aufschlussreiche Ausstellung im Philharmonie-Bereich des Gasteig während der Bücherschau informiert über den Beitrag, den Juden zur wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung der bayerischen Hauptstadt ab Erlangung ihrer gesellschaftlichen Gleichstellung Ende des 19. Jahrhunderts leisteten. In Bildern und Dokumentenverteilt auf mehreren Glasvitrinen wird das Gemeindeleben rund um die 1938 zerstörte Hauptsynagoge an der Herzog-Max-Straße neben dem Künstlerhaus beleuchtet.Im Vordergrund tritt als eines der wichtigsten Unternehmen der Stadt die Löwenbrauerei, die 1919mit der Unionsbrauerei der jüdischen Familie Schülein fusionierte sowie das Kaufhaus Isidor Bach in der Sendlinger Straße, das 1936 zwangsversteigert wurde und Johann Konen, einem leitenden Angestellten, unter Wert verkauft wurde. Aus der Löwenbräu-Dynastie stammte der Maler Julius Wolfgang Schülein, Gründungsmitgliedmit Paul Klee der Neuen Münchner Secession in der Nachfolge der international renommierten Künstlervereinigung Münchner Secession, bei der Max Liebermann zu den herausragenden jüdischen Vertretern zählte. Unübersehbar die jüdische Präsenz in der bekannten Wochenschrift Simplicissismus, die sich mit Namen wie Th.Th. Heine, Jakob Wassermann, John Hearthfield oder Walter Trier schmückte. Unter den über die Grenzen hinaus bekannten Literaten Ephraim Frisch, Gründer der Kulturzeitschrift Der Neue Merkur,in der prominente Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie Thomas Mann, Martin Buber oder Arnold Zweig ein Forum des intellektuellen Austausches fanden. Einer orthodoxen Bankiersfamilie entstammte der im München-Lehel geborene Romancier Lion Feuchtwanger, der zu den erfolgreichstenAutoren der Weimarer Republik gilt.Unter den Nobelpreisträgern der heute in Vergessenheit geratene Literat Paul Heyse (Nobelpreis für Literatur 1910), gebürtiger Berliner und mit der Mendelssohn Familie verwandt, dem König Maximilian II. 1854 mit einer einträglichen Pension nach München gelockt hatte. Jüdisch waren auch die Träger der Nobelpreise für Chemie Adolf von Baeyer (1905) und Richard Willstätter (1915). Zum Leuchten kam die Kunststadt München am stärksten durch die neuen Impulse, die sie vor allem auf dem Gebiet der Musik befruchteten. Eine der bedeutendsten Gestalten war der geniale Dirigent Hermann Levi, der 24 Jahre lang als Generalmusikdirektor und Hofkapellmeister am Königlichen Hof- und Nationaltheater in München wirkte. Ihm verdankt Richard Wagner schlicht sein Durchbruch. Als Verfechter des Gesamtkunstwerks setzte er sich wie kein anderer und trotz den erklärten Antisemitismus des Komponisten für seine innovativen Ideen ein. 1882 dirigierte er auf Befehl von König Ludwig II. Parsifals Uraufführung in Bayreuth und brachte später auch die Bayreuther Festspiele zum Erfolg. Als ein Meilenstein in der Musikforschung gilt das Werk desMusikkritikers und Musikwissenschaftlers Alfred Einstein, der Herausgeber der Zeitschrift für Musikwissenschaft war. 1939 wurde er zur Emigration nach Amerika gezwungen. Das gleiche Schicksal widerfuhr dem legendären Dirigenten und früheren Gustav Mahlers AssistentenBruno Walter, der zwischen 1914 und 1924 die Münchner Oper leitete, bevor er 1933 auch in die USA auswanderte, wo er die bedeutendsten amerikanischen Orchester der Zeit leitete.
Konzipiert wurde die Ausstellung über das Münchner Kulturleben um die Jahrhundertwende vom Leo Baeck Institut New York (www.lbi.org), das sich seit 1955 der historischen Erforschung des deutschsprachigen Judentums seit der Aufklärung widmet und eine Dependence im Jüdischen Museum in Berlin hat.
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