Parlamentswahlen in Österreich bringen weitere Destabilisierung

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Die Strategie der ÖVP scheiterte. Österreich wollte keinen Boxer als Kanzler. Das Land wurde in den vergangenen Jahren zerbrochen. Mit Possen statt Ernsthaftigkeit. Auf die Phase der Manie folgt jetzt die Depression. Von Johannes Schütz.

Im Mai 2017 waren die Ergebnisse der österreichischen Meinungsforscher ernüchternd für die damaligen Regierungsparteien, für SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern und ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Eine Mehrheit der FPÖ mit Heinz-Christian Strache schien kaum noch vermeidbar.

Es folgte eine Zeit voll der Tricks und Mätzchen. Eine dunkle Epoche, die mit der destabilen Zwischenkriegszeit verglichen werden kann. Die Regierungskoalition wurde zerbrochen.  Am 17. Mai übernahm Justizminister Brandstetter das Amt des Vizekanzlers. Danach wurden fünf Regierungen vereidigt, in den sieben Jahren der Menetekel: Kurz 1, Richterin Bierlein, Kurz 2, Schallenberg, Nehammer.

FPÖ gewinnt Parlamentswahlen 2024

Jetzt also wieder die FPÖ. Sie gewinnt die Wahlen mit 28,9 %, es folgen ÖVP mit 26,3 %, SPÖ mit 21,1 %, NEOS  mit 9,1 %, GRÜNE mit 8,2 %.

Für den Einzug ins Parlament werden in Österreich 4 Prozent gefordert. An dieser Hürde scheiterten die KPÖ mit 2,4 %, die Bierpartei mit 2,0 % und die „Liste Madeleine Petrovic“, eine ehemalige Bundessprecherin und Spitzenkandidatin der GRÜNEN, mit 0,6 %. Die Liste „Keine von denen“ erhielt ebenfalls 0,6 %.

Damit ist Österreich wieder in den Verhältnissen, die schon 2017 befürchtet wurden. Die ÖVP konnte ein Ergebnis erreichen, das damals als maximal betrachtet worden wäre. Die SPÖ wäre allerdings stärker gewesen.  Noch kandidierte keine Bierpartei. Noch gab es keine Erstarkung der Kommunisten, die eventuell in der Bundeshauptstadt bei den Wahlen 2025 in den Landtag einziehen könnten, denn sie erzielten jetzt in Wien für den Nationalrat 3,8 %.

Die vorläufigen Ergebnisse der Nationalratswahl wurden von Innenminister Gerhard Karner bekannt gegeben. Die hier genannten Zahlen berücksichtigen bereits die am Montag ausgezählten Wahlkarten. Geringe Veränderungen sind nach der vollständigen Auszählung der Wahlkarten am Donnerstag möglich. Die FPÖ könnte noch Anteile  verlieren.

Koalition mit Kickl soll abgewehrt werden

SPÖ, NEOS und GRÜNE lehnen eine Regierung mit Beteiligung der FPÖ strikt ab, selbstverständlich wird auch eine mögliche Kanzlerschaft von Kickl beanstandet.

Nehammer erklärte, dass er für eine Koalition mit Kickl nicht zur Verfügng stehe. Eine Einigung mit der FPÖ unter anderer Führung wäre jedoch möglich. Das erinnert an die Situation nach der Nationalratswahl 2000. Damals war Bedingung, dass Jörg Haider nicht Vizekanzler oder Minister werden darf. Es kam zur Koalition mit der FPÖ, die die vorgeblich herzeigbare Vizekanzlerin Susanne Riess an die Seite von Kanzler Schüssel stellte.

Auch jetzt könnte eine solche Lösung gesucht werden. Kickl bleibt dann zwar Vorsitzender der FPÖ, er erhält aber keine Funktion in der Regierung.  Allerdings wird Nehammer das Kanzleramt behalten wollen. Kickl wird kaum, wie einst Jörg Haider für Schüssel, bei relativer Mehrheit, den Anspruch auf das Kanzleramt in einer Koalition mit der ÖVP aufgeben wollen.

ÖVP und SPÖ würden im Falle einer Einigung, nach dem jetzt vorliegenden Ergebnis, mit 92 Mandaten über eine Mehrheit im Parlament verfügen. FPÖ, NEOS und GRÜNE, als Oppositionsparteien, halten derzeit gemeinsam bei 91 Mandaten.

In den nächsten Tagen wird Bundespräsident Alexander van der Bellen Gespräche mit allen im Parlament vertretenen Parteien führen, um mögliche Koalitionen zu sondieren.

Destabilisiertes Land

Das Land ist in den vergangenen Jahren unnötig destabilisiert worden, mit Possen und Gaukelspiel. Es wäre beratender gewesen, eine solide Politik zu konzipieren und zu realisieren. Doch herrschte täuschende Euphorie über Erfolge, die durch teure Manipulationen errungen wurden. Nach der Phase der Manie, nun also die Depression, es folgte das Gejammer über den Erfolg der FPÖ. Statt der erforderlichen Besinnung.

Es ist möglich, gegen die FPÖ zu bestehen. Mit Sorgfalt und Werthaltungen. Doch mangelte es an der nötigen Ernsthaftigkeit.

Karl Nehammer präsentierte sich als leidenschaftlicher Boxer. Schon zu Beginn seiner Amtszeit. Bei einer Auktion konnte man, bereits im April 2022, ein Boxtraining mit Kanzler Nehammer ersteigern. Dieter, ein trainierter Mann aus Oberösterreich, war der Höchstbieter. Fotos zeigen ihn im Ring mit Nehammer, der mit blauen Boxhandschuhen einen Schlag auf den Kopf von Dieter setzen möchte und in dessen Deckung haut.

Weitere Medienstories zeigten Nehammer mit Driton Isenaj, der österreichischen Boxhoffnung im Halbschwergewicht, im Juni 2022, vor dessen zweiten Profikampf. Nehammer ermutigte, im Juli 2023, sogar die achtjährige Kickboxerin Karoline, diesen Kampfsport fortzusetzen. Schließlich überreichte Nehammer, bei seinem Staatsbesuch in Paris im April 2024,  dem französischen Präsidenten Macron rote Boxhandschuhe. Auch in Interviews kokettierte Nehammer häufig und gerne mit seinen bedeutenden Erfahrungen als Boxer.

Boxer oder Philosoph

Da wirkt sein Kontrahent Kickl eher wie ein nachdenklicher Philosoph. Allerdings entschied er sich für rechte Theorien, statt für wertfreie Postulate. Kickl hätte es damit nicht übertreiben sollen. Doch ist er auch geschnürt, in das Korsett seiner Partei.

Von Allianzen mit dem Putin-Regime muss Kickl noch deutlich sich distanzieren. Ein Bekenntnis zur Europäischen Union wird erwartet. Es mag sein, dass die EU nicht fehlerfrei arbeitet, dann muss dies verbessert werden. Damit Europa die globalen Herausforderungen erfolgreich bewältigt. Österreich wird, wie auch die Ukraine, das schützende Dach der EU dringend benötigen. Gefordert sind pragmatische Lösungen. Ideologische Positionen und wirres Geschwätz werden dem Land Österreich keine Hilfe sein.

Trotzdem konnte bisher nicht geklärt werden, wer mehr zu fürchten sei, der Boxer Nehammer oder der Philosoph Kickl. Es war keine gute Idee, den österreichischen Bundeskanzler als Boxer zu stilisieren. Damit wird das bedeutende Amt simplifiziert. Die österreichischen Traditionen und Werte werden damit endgültig ausradiert.

Österreich braucht keinen Boxer als Kanzler. Auch keinen EU-Kommissar für Landwirtschaft oder Migration. Es wird erwartet, dass Österreich mehr bieten kann. So wird es zu einem verflossenen Kulturland

Links:

Verletzungen des Rechtsstaates auch im Österreichplan 2030
Tabula Rasa Magazin, 18. 2. 2024
Strafverfolgung bei Amtsmissbrauch wird erschwert. Beschlagnahmung von Vermögenswerten bei der Einreise. Härtere Strafen für Klimaschützer. Auch der Österreichplan für 2030 von Kanzler Nehammer belegt die Notwendigkeit eines EU-Verfahrens gegen Österreich
www.tabularasamagazin.de/johannes-schuetz-verletzungen-des-rechtsstaates-auch-im-oesterreichplan-2030

 

Karfreitagsbericht 2023 aus Österreich:
Sachwalterschaft, Erwachsenenvertretung und Vermögensübernahmen
Tabula Rasa Magazin, 7. 4. 2023
Schutz des Eigentums. Unterschlagung von Renten. Verletzungen des Familienrechts. Erhaltung der gesellschaftlichen Ordnung. Das waren die Themen. Befragt wurden der österreichische Bundeskanzler und drei Minister.
www.tabularasamagazin.de/johannes-schuetz-karfreitagsbericht-2023-aus-oesterreich-sachwalterschaft-erwachsenenvertretung-und-vermoegensuebernahmen

 

Finanzen

Über Johannes Schütz 107 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel