Der Juristenball 2024 in der Wiener Hofburg versucht eine Begegnung mit Japan. Mit Sake und dem Tanz einer Kurtisane. Doch wurde japanische Kultur in Wien schon erforscht und vermittelt. Von Johannes Schütz.
Es gibt eine Forschungstradition für japanische Kultur in Wien. Ein Vortrag von Tomoya Watanabe wurde bereits in den achtziger Jahren mit Spannung erwartet, am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Wien. Otto G. Schindler, der Forscher der Commedia dell`arte, betrat aufgeregt den kleinen Raum, rund zwanzig Personen waren anwesend, auch Oskar Pausch war gekommen, der Direktor des Österreichischen Theatermuseums. Schindler erkannte Ulf Birbaumer in der fachlich geschätzten Gruppe, den Herausgeber der Dramen von Peter Turrini, rasch kniff er dem Vertrauten mit Daumen und Zeigefinger fest in die Wange, um Beruhigung zu finden.
Watanabe sollte Bunraku erklären, das japanische Figurentheater, auch Joruri genannt. Beim Bunraku führen drei Schatten, schwarz gekleidet, als wären sie unsichtbar, die bunten Puppen beweglich durch die Geschichten großer japanischer Autoren, der bekannteste Dramatiker ist Chikamatsu Monzaemon.
Margret Dietrich, damals noch Ordinaria des Instituts, stellte detaillierte Fragen, sie war dafür bekannt, in ihren Forschungen, bedingungslos und beharrlich, noch die letzten Dinge ergründen zu wollen. Margret Dietrich verwendete für Bunraku grundsätzlich nur den Begriff „Joruri“.
Forschungszentrum für japanische Theaterkultur
Dietrich gründete bereits 1981 in Wien das „Europäische Forschungszentrum für japanische Theaterkultur“. Sie holte dafür auch den deutschen Japanologen Thomas Leims an das Institut, er verbrachte zuvor fünf Jahre in Japan, um über Kabuki zu forschen. Leims übersetzte und kommentierte damals das Werk „Das Barocke im Kabuki – das Kabukihafte im Barocktheater“ von Toshio Kawatake.
Dietrich baute mit ihrem Interesse für die Bedeutung von außereuropäischen Theaterformen auf den Studien von Heinz Kindermann auf, der das Buch „Fernöstliches Theater“ im Kröner-Verlag veröffentlichte, später als Herausgeber die „Einführung in das ostasiatische Theater“ verantwortete, für die Benito Ortolani das Kapitel über japanisches Theater verfasste.
Zu den zentralen Forschungsfragen am Institut zählte die Entstehung des Theaters aus dem Ritual, die man auch am Beispiel des japanischen Theaters untersuchen wollte. Es war Paul Stefanek, der insbesondere über den Ursprung des Theaters forschte. Er untersuchte das Thema in seiner Habilitation: „Ritual, Ekstase, Mimesis : Studien zu frühen und späten Formen szenischer Praxis“, die er 1976 vorlegte.
Es war auch in Wien möglich, Ergebnisse im Feld der Theateranthropologie vorzulegen, wie sie Eugenio Barba in Holstebro und Richard Schechner an der New York University zeigten. Als Fundament für die weitere Forschung begrüßte Margret Dietrich noch die Bildung der Arbeitsgruppe Außereuropäisches Theater.
Tanz für Sonnengöttin als Ursprung des japanischen Theaters
In Japan wird der Beginn theatraler Formen mit dem Mythos von der Sonnengöttin Amaterasu verbunden. Nach einer Kränkung zog Amaterasu in eine Höhle sich zurück, die Welt versank in Finsternis. Die Göttin Ame no Uzume beginnt deshalb mit einem Tanz, damit Amaterasu wieder erscheine. Später wurde diese Szene rituell von Priestern vorgeführt, es enstanden daraus die Kagura-Tänze. Ame no Uzume gilt deshalb in Japan als Ahnherrin von Ritus, Tanz und Theater.
Thomas Leims vermittelte diese japanische Kultur auch für das Publikum in Wien. Dafür brachte er Anfang der achtziger Jahre Gastspiele nach Wien. Es gab dadurch die Gelegenheit, große Akteure des Nō-Theaters und des Kabuki-Theaters in Österreich kennenzulernen. Mit Aufführungen im Theater an der Wien und im Akademietheater. Ennosuke III, der berühmte Darsteller des Kabuki, kam dafür nach Wien. Geboten wurde bei einer Vorführung auch eine Demonstration ausgewählter Elemente des Kabuki, die Leims übersetzte.
Das sind Beispiele für Forschungsleistungen zur japanischen Kultur, die in Wien erbracht wurden. Selbstverständlich gibt es auch in Deutschland große Persönlichkeiten, die insbesondere die japanischen Techniken des Zen vermittelten. Genannt werden sollen hier nur Hugo Lassalle, Karlfried Graf Dürckheim, Eugen Herrigel, auch Gusty Herrigel mit Zen in der Kunst der Blumenzeremonie.
Juristenball will faszinierende Kultur Japans treffen
Der Juristenball, am Faschingsamstag in der Wiener Hofburg, setzt in diesem Jahr auf eine Begegnung mit Japan. Laut Programmheft soll damit „eine Brücke zwischen zwei Kulturen geschlagen werden„. Doch gab es Interesse an der japanischen Kultur schon vor dem Juristenball in Wien. Allerdings wollte die akademische Vermittlung keinen Exotismus, im Sinne einer oberflächlichen Faszination.
„Der Juristenball 2024 steht unter dem faszinierenden Motto „Vienna Meets Tokyo“, erklärte Alexander T. Scheuwimmer, der Präsident des Juristenverbands, der den Ball verantwortet. Demnach soll der Juristenball, als der vermutlich älteste Ball, an die „Eleganz“ von Wien erinnern. Es soll „die traditionsreiche Eleganz der Wiener Bälle auf die faszinierende Kultur Japans“ treffen, so Scheuwimmer.
(Juristenball 2024, Programmheft, S. 5)
Reinhard Hohenegger ist nicht nur der Vorsitzende des Ballkomitees, sondern auch Richter am Verwaltungsgericht Wien mit dem Schwerpunkt Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht. „Sake und Heuriger – eine wunderbare Symbiose!“, lautet das Urteil, im einleitenden Text des Programmhefts , das Hohenegger unterzeichnete.
(Juristenball 2024, Programmheft, S. 6)
Juristen von Wien
Ein Fass voll Sake wird angeschlagen, danach erst folgt die Eröffnung des Balls durch Justizministerin Zadić, der Eröffnungwalzer bringt „WEANER MAD’LN“, bevor um 23 Uhr Oiran gezeigt wird, der Schreittanz einer japanischen Kurtisane.
Auch „TAXITÄNZER:INNEN“ warten im Festsaal am Fuße der Bühne. Ansonsten vorgesehen ist eine Modeschau mit wertvollen Kimonos und ein buddhistischer ritueller Tanz zum Radetzkymarsch.
Radetzkymarsch statt Shōmyō, dem buddhistischen Ritualgesang. Ist es notwendig, für die Juristen von Wien dieses Programm zu bieten?
Man hätte durch einen Saal den Hanamichi bauen können, den Blumensteg, über den der Aragoto schreitet, der Held des Stücks, der die Übeltäter bestraft. Bei seinem Auftritt am Hanamichi zeigt er Mie, eine Pose des Zorns, die er dann in einem Standbild beruhigt, was Begeisterung beim japanischen Publikum des Kabuki-Theaters auslöst.
Chanoyu, das wäre der Name der japanischen Teezeremonie. Für die Nüchternheit und die Sitten der österreichischen Juristen wäre wohl empfehlenswert: Chanoyu statt Sake. Und ein Tanz für die Sonnengöttin Amaterasu, statt Oiran einer Kurtisane.