Bericht der österreichischen Volksanwaltschaft für 2022 wurde präsentiert: Keine Maßnahmen bei Übergriffen durch Sachwalter

Volksanwalt Bernhard Achitz, Gaby Schwarz und Walter Rosenkranz präsentieren den Jahresbericht 2022 (Foto: Volksanwaltschaft)

Willkürliche Vermögenskonfiskation bei Sachwalterschaft und Erwachsenenvertretung.  Mehr als 100 Beschwerden wurden wieder im Bericht der Volksanwaltschaft genannt. Doch werden die Hinweise auf Amtsmissbrauch meist ignoriert. Von Johannes Schütz.

Die österreichische Volksanwaltschaft präsentierte den aktuellen Jahresbericht für 2022 am 26. April.  Im Festsaal der Volksanwaltschaft, die gleich neben dem Franziskanerplatz in der Inneren Stadt von Wien angesiedelt wurde.

Im Kloster der Franziskaner werden jeden Tag um 10 Uhr zwei feste Brotstücke verteilt, darin eingeklemmt drei dicke Wurstscheiben, würzige Krakauer. Wer mit seinem Anliegen von der Volksanwaltschaft abgewiesen wird, etwa bei vollständiger Vermögensübernahme durch Amtsmissbrauch und Sachwalterschaft, der erhält von den Franziskanern umgehend die dringend notwendige Verpflegung.

Drei Volksanwälte sollten in Österreich agieren. Gaby Schwarz, Bernhard Achitz und Walter Rosenkranz. Sie wurden von der ÖVP, der SPÖ und der FPÖ für dieses Amt ausgewählt. Gaby Schwarz wurde Volksanwältin  im Juli 2022, da ihr Vorgänger Werner Amon als Landesrat in die Steiermark berufen wurde.

Schwarz war Radiomoderatorin des ORF, sie diente 37 Jahre dem österreichischen Rundfunk, dann wurde sie im November 2017 Abgeordnete im österreichischen Parlament. Schwarz ist für das Ressort Justiz zuständig, Rosenkranz für Inneres, Achitz für Soziales.

Problem besteht seit Jahrzehnten

Schon seit Jahrzehnten sind Übergriffe bei willkürlicher Sachwalterschaft in Österreicfh bekannt. Totale Übernahmen von Vermögen, Einkünften, Renten. Ohne strafrechtliche Begründung. Zivilrechtlich durchgeführt.  Ermöglicht durch Amtsmissbrauch.

Dazu fand man Belege auch in den Berichten der Volksanwaltschaft. Schon 2004.  Also vor fast 20 Jahren. Damals war Volksanwalt Ewald Stadler für das Ressort Justiz zuständig. Er befand bei diesem Thema:

„Die VA wird seit Jahren von Personen kontaktiert, die Probleme im Zusammenhang mit Sachwalterschaften aufzeigen. (…) Insbesondere von Rechtsanwälten, deren Kanzleien ausschließlich oder überwiegend durch übernommene Sachwalterschaften getragen werden, fühlen sich besachwaltete Personen nicht ausreichend persönlich betreut. In diesen Fällen steht oft die vermögensrechtliche Verwaltung im Vordergrund“.
(Ewald Stadler: „Reformierung des Sachwalterrechtes“. In: Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2004 an den Nationalrat und den Bundesrat. Hg. Volksanwaltschaft. Wien: 2005. S. 108f)

Stadler erkannte auch als problematisch, dass Betroffene keinen eigenen Rechtsanwalt betrauen dürfen:
„Nicht selten möchte sich der Betroffene aber gerade mittels eines rechtskundigen Beraters gegen seinen eigenen Sachwalter oder dritte Personen wehren können“.
(Ebd., S. 109)

Strafrechtlich relevante Tatbestände

Die Enteignungen wurden bis jetzt in der tradierten Manier fortgesetzt.  Offenbar beruhen diese in manchen Rechtszirkeln auf mündlicher Überlieferung. Jetzt mit den neuen Begriffen: Erwachsenenschutz und Erwachsenenvertretung.

Ohne Besserung. Ohne Lösung. Ohne Maßnahmen. Kriminelle Vorfälle sind kriminelle Vorfälle und bleiben kriminelle Vorfälle. Die Übergriffe sind keine Gesetzeslücken, die man vorgeblich schließen muss. Das Strafgesetzbuch genügt. Strafanzeigen durch die Volksanwaltschaft und weitere zuständige Behörden sind erforderlich, in solchen Fällen, nämlich von Amts wegen. Nur Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft kann die erforderliche Lösung schaffen.

Aktueller Bericht zur Justiz

Im aktuellen Jahresbericht der Volksanwaltschaft für 2022 wurden insgesamt  1.305  Beschwerden über die Justiz genannt. 102 betrafen die Erwachsenenvertretung, wie jetzt die Bezeichnung lautet,  also die bereits berüchtigte Sachwalterschaft.

Doch werden nicht alle Beschwerden erfasst. Dies kann man sogar im aktuellen Bericht der Volksanwaltschaft erkennen. Eine Dunkelziffer an telefonischen Anfragen, offenbar rasch abgewehrt, wird offen zugegeben:

Im Berichtszeitraum 2022 wurden 102 schriftliche Beschwerden, jedoch auch zahlreiche telefonische Anfragen zu Problemen mit Bezug zum Erwachsenenschutz, an die VA herangetragen“.
(Bericht an den österreichischen Nationalrat und Bundesrat 2022. Bd. 1 Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, Hg. Volksanwaltschaft, Wien, 2023, S. 135)

Vorfälle nicht dokumentiert

Es wurde auch ein Systemfehler eingebaut, der bewirken soll, dass die Volksanwaltschaft nicht alle diesbezüglichen Hinweise auf strafrechtlich relevante Tatbestände dokumentiert. Denn die Volksanwaltschaft erklärt willig, dass nur die Verfahrensdauer bei der „ordentlichen Gerichtsbarkeit“ überprüft werden dürfe, aber nicht willkürliche Entscheidungen der Gerichte:

In der Gesamtzahl nicht enthalten sind all jene Beschwerden, die die Verfahren und Entscheidungen der Gerichte oder Staatsanwaltschaften betrafen. Im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist die VA lediglich zur Prüfung der Verfahrensdauer zuständig“
(Ebd., S. 135)

Nun, dies mag für eine „ordentliche Gerichtsbarkeit“ eventuell passend sein. Doch geht es um Amtsmissbrauch, offensichtlich finanziell motiviert. Sollte die Volksanwaltschaft erklären, dass sie in solchen Fällen tatsächlich nicht zuständig sein möchte, dann müsste eben längst eine Stelle eingerichtet worden sein, die eine entsprechende Dokumentation leistet und die erforderlichen Schritte bewirkt.

Amtsmissbrauch und Willkür, finanziell motivierte Vermögenskonfiskation, zur eigenen Bereicherung, diese Tatbestände dürfen nicht länger als „richterliche Unabhängigkeit“ verteidigt werden.

Beschwerden werden abgewehrt

Tatsächlich ist hinreichend bekannt, dass bei persönlichen Vorsprachen in der Volksanwaltschaft rasch erklärt wird, dass ein Prüfverfahren bei Sachwalterschaft und Erwachsenenvertretung nicht möglich sei. Der diesbezügliche Antrag wird von der Sachbearbeiterin sofort abgewehrt.

Es liegen mir auch mehrere Schreiben der Volksanwaltschaft an Betroffene vor. Stets wird mit der gleichen Formulierung mitgeteilt, dass die Volksanwaltschaft bei willkürlichen Vermögensübernahmen durch Sachwalterschaft nicht zuständig sei. Als Beispiel sei nur eine Antwort der Volksanwaltschaft zitiert:

„Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass die Volksanwaltschaft als nachprüfendes Organ zur Kontrolle der öffentlichen Verwaltung weiterhin nicht in Gerichtsverfahren eingreifen kann sowie Gerichtsentscheidungen nicht überprüfen kann (…) Diesfalls könnte unsererseits das allfällige Vorliegen gerichtlicher Säumnisse mit der Vornahme von Verfahrenshandlungen überprüft werden. Derzeit sind jedoch keine weiteren Schritte der Volksanwaltschaft möglich, wofür ich um Ihr Verständnis ersuche“.
(
MR Dr. Michael Mauerer für Volksanwältin Gertrude Brinek, Schreiben vom 6. 9. 2018)

Die Hinweise auf strafrechtlich relevante Tatbestände bei Sachwalterschaft werden deshalb bei solchen Fällen nicht dokumentiert und scheinen nicht in der Statistik der Volksanwaltschaft auf.

Staatsanwaltschaft leitet keine Ermittlungen ein

Der Bericht der Volksanwaltschaft belegt, dass auch die Staatsanwaltschaft keine Ermittlungen einleitet. Es wurden zahlreiche Anliegen zur Tätigkeit der Anklagebörden bei der Volksanwaltschaft eingereicht.

Die Volksanwaltschaft erklärte dazu, dass dann nur der Hinweis gegeben werde könnte, dass eine Prüfung durch die Fachaufsicht möglich sei.  Allerdings betrachtet die Volksanwaltschaft, bestärkt durch Fachliteratur, dies als „Rechtsschutzlücke“. Tatsächlich bleiben Prüfungen durch die einschlägig bestellte „Fachaufsicht“ erfahrungsgemäß ohne Ergebnis.

Es liegen mir Dokumente vor, die beweisen, dass die Staatsanwaltschaft, bei belegten Tatbeständen, keine Ermittlungen gegen kriminelle Handlungen bei Sachwalterschaft einleitet. Sogar wenn bei einem Sachwalter mehrere Fälle mit Plünderung des Vermögens genannt werden. Dabei lautete die kurze Antwort der Medienstelle der Staatsanwaltschaft Wien:

„von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wurde gemäß § 35c StAG abgesehen“
(Staatsanwaltschaft Wien, Medienstelle, Schreiben vom 29. 7. 2022)

Plünderungen sollen möglichst verschwiegen werden

Während den Beschwerden über Vermögensübernahmen im Zusammenhang mit Sachwalterschaft und Erwachsenenvertetung nur eine Seite im aktuellen Bericht eingeräumt wurde, widmete die Volksanwaltschaft von Seite 137 bis 175 dem  Straf- und Maßnahmenvollzug fast 40 Seiten.

Man kennt diesen Schwerpunkt der Volksanwaltschaft bereits vom Jahresbericht für 2020. Damals wurde moniert, dass Häftlingen zum Frühstück „keine Marmelade“ serviert wird.

Den Bedingungen in den Strafanstalten wurden zwanzig Seiten im Jahresbericht für 2020 eingeräumt. Die Unzufriedenheit mit dem Frühstück in den österreichischen Gefängnissen ausführlich dargestellt, in der Länge von 3003 Zeichen. Hingegen gewährte Volksanwalt Amon Sachwalterschaften und Ewachsenenvertretungen mit brutalen Plünderungen nur 1.722 Zeichen, das ist kaum mehr als eine halbe Seite.

Auch im Bericht für 2021 verhielt sich Volksanwalt Amon skandalös. 33 Seiten wurden dem Strafvollzug gewidmet. Auf einer halben Seite wurden die Hinweise abgehandelt, die über strafrechtlich relevante Tatbestände bei Erwachsenenvertretungen eingebracht wurden. 101 Beschwerden wurden dazu von der Volksanwaltschaft offiziell für das Jahr 2021 eingetragen.

Ausstattung der Gefängnisse wird kritisiert

Ein Schwerpunkt ist auch im aktuellen Jahresbericht die Ausstattung der Gefängnisse. In welcher Form dies geschieht, dafür sollen hier drei Beispiele genannt werden. Nämlich sogenannte Mängel in der Justizanstalt Linz, Justizanstalt Wien-Mittersteig und Justizanstalt Korneuburg.

Die Volksanwaltschaft behauptete einen erheblicher Sanierungsbedarf in der Justizanstalt Linz und beschrieb dies in folgender Weise:

„Schon das Stiegenhaus wirkt unnötig kahl. Die wenigen Bilder an der Wand sind durch das Sonnenlicht ausgebleicht und verstärken den Eindruck einer Gleichgültigkeit und Lieblosigkeit (…)

In den Hafträumen gibt es neben dem Mobiliar lediglich einen Fernseher (…) 

Der Sportraum im Keller ist gut mit Fitnessgeräten ausgestattet. Nirgendwo findet sich aber ein Hinweis, dass die Geräte nach Gebrauch desinfiziert werden“.
(
(Bericht an den österreichischen Nationalrat und Bundesrat 2022. Bd. 1 Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, Hg. Volksanwaltschaft, Wien, 2023, S. 141f)

Doch erwartete die Volksanwaltschaft, aufgrund ihres Eingreifens, baldige Verbesserungen in der Justizanstalt Linz:
„Fernsehen, Radio und Telefon sollen ebenfalls standardmäßig zur Verfügung stehen“.
(Ebd., S. 142)

Bei der Justizanstalt Wien-Mittersteig wurde moniert:

„Einen eigenen Sportraum gäbe es nicht. Das Trainieren mit Hanteln und Gewichten sei verboten. Zwar gäbe es ein Ergometer auf jedem Stockwerk, doch seien auch dort keine weiteren Sportgeräte. Im Erdgeschoß gäbe es einen Tischtennistisch“.

Doch wird auch in Wien-Mittersteig jetzt baldige Besserung erwartet:
„Wurden verschiedene Sportgeräte, wie etwa ein Rudergerät oder ein Laufband, zur Anschaffung ins Budget für 2023 aufgenommen.
Einzelfall: 2022-0.279.355 (VA/BD-B/B-1)
(Ebd., S. 145)

Die Justizanstalt Korneuburg wurde von der Volksanwaltschaft aufgrund solcher Beschwerden besonders überprüft:

„Während es im Sportraum auf der Abteilung Süd ein Laufband und Fitnessgeräte gäbe, stünden auf der Abteilung Nord nur ein Ergometer und eine Klimmzugstange zur Verfügung. Die VA nahm dies zum Anlass, Nachschau zu halten.
Einzelfall: 2022-0.331.442 (VA/BD-B/B-1)
(S. 148f.)

Ein gefährliches Land

Es kann sein, dass „Hanteln und Gewichte“ in einem Gefängnis verboten sind, auch aus Sicherheitsgründen. Es sollten Unschuldige nicht verurteilt werden. Doch sind Gefängnisse für ernste Straftaten eingerichtet worden. Dennoch rückt die Volksanwaltschaft aus, wenn ein Gefängnis kein Ferienresort bietet, mit Freizeitangebot, für den sorglosen Erholungsurlaub.

Inzwischen holen die Ausgeraubten, die durch Sachwalter aus ihren Wohnungen vertrieben wurden, ihre Wurstbrote in Wien weiterhin beim Kloster am Franziskanerplatz. Gleich neben der Volksanwaltschaft. Bei solchen Fällen wird keine „Nachschau gehalten“. Offensichtlich vertritt die österreichische Volksanwaltschaft eine Täterideologie und keine Opferphilosophie.

Der Schutz des Eigentums wird nicht verteidigt. Die Justiz in einem verwahrlosten Zustand. Der Rechtsstaat nicht mehr vorhanden. Österreich bleibt ein gefährliches Land.

Links:

„Jeder Politiker mit diesem Thema konfrontiert“: Stellungnahme zu Übergriffen bei Sachwalterschaft und Erwachsenenvertretung.
Tabula Rasa, 23. 4. 2023
Die Minister gaben keine Antwort. Für den Karfreitagsbericht. Zum Schutz des Eigentums bei willkürlicher Sachwalterschaft. Doch Politiker kennen das Problem. Befragt wurde auch die Parteivorsitzende der SPÖ. Hier die Antwort des zuständigen Ressortsprechers Rudolf Silvan.
www.tabularasamagazin.de/jeder-politiker-mit-diesem-thema-konfrontiert-stellungnahme-zu-uebergriffen-bei-sachwalterschaft-und-erwachsenenvertretung

 

Österreich: Volksanwaltschaft legt Bericht für 2020 vor
Tabula Rasa, 14. 5. 2020
Ernsthafte Verletzungen der Grundrechte wurden verschwiegen.
www.tabularasamagazin.de/oesterreich-volksanwaltschaft-legt-bericht-fuer-2020-vor

Für Tätowierungen und verbotene Waffen:
Jahresbericht der österreichischen Volksanwaltschaft wurde vorgelegt
Tabula Rasa, 4. 6. 2020
Die österreichische Volksanwaltschaft präsentierte den Jahresbericht für 2019. Eine Dokumentation über Fehlverhalten und Amtsmissbrauch öffentlicher Stellen in Österreich.  Doch die neuen Volksanwälte bleiben Teil des Systems.
www.tabularasamagazin.de/fuer-taetowierungen-und-verbotene-waffen-jahresbericht-der-oesterreichischen-volksanwaltschaft-wurde-vorgelegt

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Über Johannes Schütz 108 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel