Der Schriftsteller Heinrich Mann (1871-1950) stand den deutschen Kommunisten, die besonders seine gesellschaftskritischen Romane „Professor Unrat“ (1905) und „Der Untertan“ (1918) schätzten, näher als der jüngere Bruder Thomas Mann (1875-1955). So wurde schon 1947, zwei Jahre vor der DDR-Gründung, dem im kalifornischen Exil lebenden Heinrich Mann die Ehrendoktorwürde der Ostberliner Humboldt-Universität verliehen und 1949 die Präsidentschaft der „Deutschen Akademie der Künste“ angetragen. Bevor er freilich nach Ostberlin übersiedeln konnte, starb er am 12. März 1950 in Santa Monica/Kalifornien.
Während seines Exils in Frankreich 1933/40 soll er einmal in Paris den deutschen Kommunistenführer Walter Ulbricht (1893-1973) zu einem Gespräch getroffen haben. Danach soll er geäußert haben, er könne nicht mit einem Mann diskutieren, der behaupte, der Tisch, an dem sie säßen, wäre kein Tisch, sondern ein Ententeich.
Da Heinrich Mann wie sein Bruder Thomas 1933 die deutsche Staatsbürgerschaft verloren hatten, wurden sie 1936 von der Tschechoslowakei eingebürgert, weshalb die Urne Heinrich Manns 1951 auch in Prag beigesetzt wurde. Zum 90. Geburtstags des Autors am 27. März 1961 wurde sie von Prag nach Ostberlin gebracht und unter den Klängen des Orchesters der „Deutschen Volkspolizei“ auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Ostberlin beigesetzt.
Durch die Auflösung der drei restlichen „Speziallager“ auf DDR-Gebiet (Bautzen, Buchenwald, Sachsenhausen) am 18. April 1950 durch die sowjetrussischen Besatzungstruppen gerieten 3432 politische Häftlinge, deren individuelle Schuld an NS-Verbrechen nicht nachgewiesen war, in die „Obhut“ der „Volkspolizei“. Sie wurden im Rathaus von Waldheim, ohne Zeugen und ohne Verteidigung durch einen Rechtsanwalt, vor Gericht gestellt und in wenigen Minuten zu hohen Gefängnisstrafen oder zum Tode verurteilt. Davon hat auch Thomas Mann in Kalifornien erfahren und, entsetzt über die Prozessführung, am 19. Juli 1952 einen Brief an Walter Ulbricht geschrieben, ob es einen Sinn mache, die Waldheimer Gefangenen „ganz im wildesten Stil des Nazismus und seiner Volksgerichte, ganz im Stil jenes zur Hölle gefahrenen Roland Freisler, der genau so seine Zuchthaus- und Todessprüche verhängte, aburteilen zu lassen und damit der nichtkommunistischen Welt ein Blutschauspiel zu geben, das ein Ansporn ist zu allem Hass?“ Dieser Brief, „persönlich und privat“ an den mächtigen SED-Generalsekretär gerichtet, ist vollständig abgedruckt in Heft 2/1990 der Zeitschrift „Neue Rundschau“.
Thomas Mann ist 1949 bei den Feiern zu Goethes 200. Geburtstag in Frankfurt/Main und in Weimar aufgetreten und hat 1955 zu Schillers 150. Todestag, damals lebte er schon seit 1952 in der Schweiz, in Weimar eine Rede gehalten. Im Jahr seines Todes 1955 erschien auch im Ostberliner Aufbau-Verlag eine umfangreiche Werk-Ausgabe Thomas Manns., die der 1957 zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilte Verlagsleiter Walter Janka (1914-1994) verantwortete.
In Mühlhausen/Thüringen lernte ich 2005 den Historiker Manfred Thiele (1929-2015) kennen, der 1947 von der Sowjetischen Besatzungsmacht für einige Wochen verhaftet worden war. In zwei Büchern „Vae victis. Mühlhausen unter sowjetischer Besatzungsdiktatur 1945-1953“ (2004) und „Flucht ohne Ende. Bürgerverluste der Stadt Mühlhausen von 1945-1961“ (2006) hat er das Wüten der Roten Armee in Thüringen nach 1945 beschrieben. Eigentlich wollte er nur nach dem Verbleib eines Freundes suchen, der in den Nachkriegsjahren spurlos verschwunden war, und stieß dabei auf eine Fülle weiterer Schicksale, die er in diesen beiden Büchern der Öffentlichkeit zugänglich machte. Da er in Thüringen keinen Verlag finden konnte, ließ er die Manuskripte auf eigene Kosten drucken und erntete Anfeindungen von Leuten, die das, was da veröffentlicht war, anzweifelten, da Manfred Thiele kein ausgebildeter Historiker wäre. Sogar ich wurde angerufen und beschimpft, weil ich das zweite Buch rezensiert hatte.
Im Jahr 1975 erarbeitete Manfred Thiele zum 100. Geburtstag Thomas Manns eine Ausstellung in Mühlhausen und begann eine Korrespondenz mit der Witwe Katia Mann (1883-1980) in Zürich, die ihn dann, als der Briefwechsel immer intensiver geworden war, nach Zürich einlud. Leider waren hohe Hürden der DDR-Bürokratie zu überwinden, deren Beseitigung Jahre erforderte, denn diese Reise ins „kapitalistische Ausland“ brachte keine Devisen, sondern kostete welche. Er bekam für die mehrstündige Reise von Erfurt nach Zürich Im Februar 1979 kein Westgeld ausgehändigt, sondern musste belegte Brote und Kaffee in der Thermosflasche mitnehmen. Zum Glück konnte er bei der Familie Mann auf dem Kilchberg in Zürich wohnen und wurde reich mit Büchern beschenkt. Nach einer Woche fuhr er nach Mühlhausen zurück, wobei die geschenkten Bücher fast von der DDR-Transportpolizei beschlagnahmt worden wären. Als 1992 Einsicht in die MfS-Akten möglich war, fand er dort Katia Mann als „imperialistische Agentin“ verzeichnet. Manfred Thiele hat über seinen Besuch bei Katia Mann ein Buch geschrieben, das bis heute nicht veröffentlicht ist.