Im Oktober 1961, vier Wochen nach meiner Verhaftung durch die Staatssicherheit, erhielt ich einen Brief des Leipziger Rechtsanwalts Dr. Günter Kröber, dass er im Auftrag meiner Eltern in Hanau meine Vertretung vor dem Bezirksgericht übernähme. Er würde sich wieder melden, wenn die Untersuchungen abgeschlossen seien. Als ich im Dezember 1961 meinen Rechtsanwalt sprechen durfte, erwartete mich ein Heinz Kroke, von dem ich noch nie gehört hatte. Wo denn Günter Kröber wäre, wollte ich wissen und erfuhr erst nach hartnäckigem Nachfragen: der säße auch hier! Als ich verurteilt war und am 2. April 1962 mit zwei weiteren Gefangenen in das Sammel-gefängnis Alfred-Kästner-Straße überführt wurde, wurden unsere Namen aufgerufen: neben mir stand Günter Kröber! Als die „Volkspolizei“ beobachtete, dass wir uns intensiv unterhielten, trennte sie uns. Einmal beim Hofgang winkte er mir noch zu, dann hörte ich bis 1990 nichts mehr von ihm! Da schickte mir meine Leipziger Tante einen Artikel über ihn und seine Leidensgeschichte, sofort fuhr ich nach Leipzig und besuchte ihn. Seitdem haben wir uns nicht mehr aus den Augen verloren. Am 26. September ist er in Leipzig-Holzhausen im Alter von 96 Jahren gestorben!
Günter Kröber wurde am 12. Januar 1928 in Leipzig geboren, bestand 1946 das Abitur und studierte 1946/50 Jura an der Universität Leipzig, wo er zwei Jahre dem Studentenrat unter Wolfgang Natonek (1919-1994) angehörte. Beide Studenten waren Mitglieder der „Liberal-Demokratischen Partei“, die an der Leipziger Universität über 600 Mitglieder hatte. Wolfgang Natonek wurde 1948 vom Sowjetischen Geheimdienst NKWD verhaftet und zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt.
Günter Kröber arbeitete seit 1953 als zugelassener Rechtsanwalt in Leipzig. Im Oktober 1961 wurde er als DDR-Tourist in Jugoslawien verhaftet und 1962 wegen „Republikflucht“ zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Wie man in seinem Buch „Lebenslang dem Recht verpflichtet“ (2021) nachlesen kann, kam er zum Strafvollzug nach Naumburg und wurde im Tagebau Profen im Gleisbaukommando eingesetzt. Aber noch im Sommer 1962 wurde er an einem Sonntag entlassen und ohne einen Pfennig Geld in der Tasche auf die Straße gesetzt. Mit einem Naumburger Taxi ließ er sich dann zu seinen Eltern nach Leipzig fahren.
Nach der Haftentlassung wurde Günter Kröber 1963 Absatzleiter im Montagewerk Leipzig. Seinen Beruf als Rechtsanwalt auszuüben, war ihm durch DDR-Justizministerin Hilde Benjamin (1902-1989) untersagt worden. Von 1966 bis 1990 arbeitete er als Justitiar in der „Vereinigung Volkseigener Warenhäuser Centrum“ in Leipzig.
Sein eigentliches Berufsleben als Rechtsanwalt in einem demokratischen Staat begann nach dem Mauerfall 1989. Er wurde 1990 vom Bezirksgericht Leipzig strafrechtlich rehabilitiert, er wurde 1995 Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer Sachsen, 2002 deren Präsident und 2008 deren Ehrenpräsident. Im Revolutionsjahr 1989 war er Mitbegründer der Ost-FDP, im Oktober 1990 wurde er in den Sächsischen Landtag gewählt, dem er bis 1994 angehörte, von 1990 bis 1993 war er FDP-Fraktionsvorsitzender im Sächsischen Landtag in Dresden. Für sein politisches Wirken nach 1989 hat er zahlreiche Auszeichnungen erhalten wie das Große Bundesverdienstkreuz und den Thomas-Dehler-Preis. Am 26. April 2018 wurde ihm durch die Juristische Fakultät der Universität Leipzig die Ehrendoktorwürde verliehen.