
Am Freitag vollendeten die Dachdecker den Gerüstbau an dem Haus, in dem wir seit 2014 in einer Eigentumswohnung auf zwei Stockwerken wohnen. Sie waren schon am Donnerstag gekommen und brauchten zwei Tage, wobei sie leider unsere TV-Schüssel mit der Holzverschalung einrahmten. Dadurch hatten wir fünf Tage keinen Fernsehempfang mehr, was eine merkwürdige Erfahrung war. Ich ging zum Nachrichtenhören immer ins untere Badezimmer, wo ein Radioapparat steht, der auf den DEUTSCHLANDFUNK eingestellt ist. Dort hörte ich stündlich Nachrichten und wusste, wo in der Welt wieder schreckliche Dinge passierten.
Ansonsten las ich viel, der JARON-Verlag in Berlin hat den Roman „Maria Morzeck oder Das Kaninchen bin ich“ (1969) noch einmal neu aufgelegt, er war seit Jahrzehnten vergriffen. Ich schickte dem Verlag meine Rezension von 1969 aus der ALLGEMEINEN ZEITUNG in Mainz. Die gefiel ihnen offensichtlich so gut, dass sie mir ein kostenloses Exemplar zuschickten. Ich fing sofort an zu lesen und kam nicht mehr davon los, so spannend ist das Buch geschrieben: Es ist die Geschichte einer Abiturientin in Ostberlin nach dem Mauerbau vom 13. August 1961, die Slawistik studieren möchte. Sie darf aber nicht, weil ihr Bruder Dieter wegen „Staatsverleumdung“ zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt wurde und im Brandenburg einsitzt. Der Konflikt entsteht dadurch, dass Maria Morzeck durch Zufall den Richter Paul Deister kennen lernt, der ihren Bruder verurteilt hat, mehr noch: Er hat die vom Staatsanwalt geforderte Strafe von zwei Jahren auf vier Jahre erhöht. In diesen Richter, der 39 Jahre alt und verheiratet ist, verliebt sie sich. Als ihr Bruder nach dreieinhalb Jahren entlassen wird und von diesem Liebesverhältnis seiner Schwester erfährt, verprügelt er sie. Sie schreibt dann alles auf, um aus ihrer seelischen Notlage herauszukommen. Der Roman beginnt mit dem Satz: „Ich heiße Maria Morzeck.“
Der Verfasser dieses Romans war der DDR-Schriftsteller Manfred Bieler (1934-2002), von dem ich auch den umfangreichen Roman „Der Mädchenkrieg“ (1975) gelesen habe. Er stammt aus Zerbst in Sachsen-Anhalt und hat nach dem Abitur an der Humboldt-Universität in Ostberlin Germanistik studiert. Er hat 1965 eine Tschechin geheiratet und ist mit ihr im selben Jahr nach Prag gezogen, auch weil sein Buch in keinem DDR-Verlag erscheinen durfte und weil der von Regisseur Kurt Maetzig nach dem Manuskript gedreht Film nicht gezeigt werde durfte (erst im Dezember 1989, nach dem Fall der Mauer in Berlin, kam er in die Kinos der Noch-DDR). Manfred Bieler war der Stasi schon deshalb verdächtig, weil er 1956/57 eine „staatsfeindlichen“ Gruppe um Ernst Bloch (1885-1977) und Hans Mayer (1907-2001) angehört haben soll. Auf dem berüchtigten 11. Plenum des ZK der SED vom 16. bis 18. Dezember 1965 in Ostberlin wurden Roman und Film mit heftiger Kritik durch Walter Ulbricht höchstselbst überzogen, aber da lebte Manfred Bieler schon in Prag. Als am 21. August 1968 die Truppen des „Warschauer Pakts“ in der Tschechoslowakei einmarschierten, floh Manfred Bieler mit seiner Frau nach München, wo er 34 Jahre später an einer unheilbaren Krankheit starb.
Am Montag, 27. Januar, war ich um 9.00 Uhr zur Magen-Darm-Spiegelung bestellt. Mein Hausarzt, Prof. Dr. Johannes Kraft von der Geriatrie im Coburger Klinikum, hatte mir das geraten. Das letzte Mal hatte ich das am 21. Oktober 2022 machen lassen, wo Darmkrebs festgestellt wurde. Ich hatte das operieren lassen und eine Chemotherapie gemacht, die ein halbes Jahr gedauert hat. Nun muss ich nur noch alle halbe Jahre zu meinem Krebsarzt zum Nachschauen. Als ich ins Wartezimmer kam, saßen da fünf Patienten, die alle fasziniert auf das Display ihres Handys starrten, als würde dort die Rettung der Welt bekannt gegeben. Ich zog meinen Manfred-Bieler-Roman aus der Tasche und las. Ich kam mir wie ein Fremdkörper vor. Jeder neue Patient, der hereinkam, setzte sich, wühlte in seiner Tasche und suchte nach seinem Handy. Selbst ein studierter Herr mit Doktortitel, der aufgerufen wurde, hatte vorher minutenlang auf sein Display geglotzt! Ich musste eine Stunde warten, weil vorher noch unerwartete Unfälle zu behandeln waren. Um 10.00 Uhr wurde ich aufgerufen, musste mich in einem Raum, der durch einen Vorhang zweigeteilt war, nackt ausziehen, einen Kittel überziehen und mich auf die Pritsche legen. Die Schwester kam und legte mir einen Zugang zur Vene am linken Arm und teilte mir mit, dass ich innerhalb von 20 Sekunden in Narkose wäre. Als ich nach 20 Minuten auf der Pritsche wieder aufwachte, lag alles schon hinter mir. Ich zog mich an, telefonierte mit meiner Frau und setzte mich im Gang an ein Tischchen, wo Tee und Plätzchen für mich bereitstanden. Mir gegenüber saß eine Ukrainerin, die ich schon aus dem Wartezimmer kannte. Dann kam der Arzt vorbei und nahm mich mit, um mir den medizinischen Befund zu erklären. Es wäre alles in Ordnung, anders als am 21. Oktober 2022, wo er Darmkrebs festgestellt hatte. Nur hätte ich jetzt irgendwo im Darm ein Divertikel, was aber harmlos wäre. Ich trat dann hinaus auf die Rosenauer Straße, wo es heftig regnete, aber mit einem ganz anderen Gefühl als vor zweieinhalb Jahren, ich war einfach glücklich! Dann kam auch schon meine Frau, und wir fuhren nach Hause.
Das war eine ganz andere Rückfahrt als die vom 21. Oktober 2022, als ich erfahren hatte, dass ich vom Darmkrebs befallen war. Damals war ich ins Auto gestiegen und hatte meiner Frau sofort von der Diagnose erzählt, worauf sie in Tränen ausgebrochen war. Fast zweieinhalb Jahre später sieht alles anders aus!
Morgens, wenn ich dusche, schalte ich immer im Badezimmer den DEUTSCHLANDFUNK ein, um die Nachrichten zu hören. Am gestrigen Sonntag wurde des 80. Todestags des Jesuitenpaters Alfred Delp (1907-1945) gedacht, der am 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee im Alter von 37 Jahren erhängt wurde. Er war streng katholisch, dennoch machte ihm die GESTAPO das Angebot, er würde freigelassen, wenn er aus dem Jesuitenorden austräte, was er verweigerte. Alfred Delp wurde in Mannheim geboren und hatte seit 1942 Kontakt zur Widerstandsgruppe „Kreisauer Kreis“ in Schlesien“, die von Helmuth James von Moltke (1907-1945) auf seinem Gut Kreisau gegründet worden war. Dort arbeitete man an Plänen zur Neugestaltung Deutschlands nach dem Krieg. Alfred Delp wurde am 28. Juli 1944 in München-Bogenhausen verhaftet und von NS-Richter Roland Freisler (1893-1945) vor dem „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt. Auf dem Wege zum Galgen sagte er zu dem ihn begleitenden Gefängnispfarrer: „In wenigen Augenblicken weiß ich mehr als Sie.“ Einen Tag später, am 3. Februar 1945, kam Roland Freisler, der „Blutrichter“, bei einem amerikanischen Luftangriff auf Berlin ums Leben.
Gestern kam eine Nachricht im INTERNET, die mich erschreckte, zumal sie mit Filmszenen unterlegt war: Am 31. Januar, Freitag, hatte in Erfurt ein Moslem aus dem Libanon seine 16jährige Tochter entführt und ins Ausland verbracht. Von den Hintergründen wurde nichts erwähnt, ich nehme aber an, der Vater wollte sie in den Libanon zurückbringen, weil sie einen deutschen Freund hatte und sich nicht wie eine Moslemin kleidete. Zu sehen war ein Lieferwagen, in den zwei Männer (der Vater und ein zweiter Mann) eine junge Frau zerrten. Die junge Frau stand unter dem Schutz des Jugendamtes und wurde von einer Mitarbeiterin des Amtes begleitet, die aber die Entführung nicht verhindern konnte. Den verlassenen Lieferwagen fand man später in Gera. Der Vater wurde am Sonntag, 2. Februar, in Prag festgenommen und die Tochter befreit. Wie viele Fälle von Entführungen oder Tötungen moslemischer Frauen gibt es, die nie aufgeklärt werden?
Vorgestern, am 5. Februar, stand in den beiden Coburger Zeitungen über unseren hochverehrten Altkanzler Gerhard Schröder, geboren 1944, er wäre mit „Burnout“ ins Krankenhaus eingeliefert worden. Der arme Kerl! Er lebt jetzt in der fünften Ehe mit einer südkoreanischen Unternehmerin und ist wohl der ganzen Unternehmung mit 81 Jahren nicht mehr gewachsen. Vielleicht hat er auch die fünf Vornamen seiner Ehefrauen durcheinandergebracht, und die Südkoreanerin ist verärgert. Vielleicht ist er aber auch beim Durchzählen der Millionenbeträge, die ihm jährlich von Vladimir Putin („ein lupenreiner Demokrat“) aus Moskau überwiesen werden, zusammengebrochen. Das ist ja auch eine höchst anstrengende Arbeit, zumal er nicht weiß, was er mit dem vielen Geld anfangen soll. Aber die Südkoreanerin wird es wohl wissen!
Gestern las ich im INTERNET, in Sankt Petersburg hätte sich der Liedermacher Vadim Stroykin (59) aus dem Küchenfenster eines Hochhauses gestürzt, man hätte ihn dann zehn Stockwerke tiefer tot aufgefunden. Der Hintergrund wäre gewesen, dass er den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine öffentlich kritisiert und der ukrainischen Armee Geld überwiesen hätte. Das gilt nach den Diktaturgesetzen Vladimir Putins als „staatsfeindlicher Akt“ und hätte eine gerichtliche Verurteilung von zehn Jahren Straflager zur Folge gehabt. Als der russische Geheimdienst klingelte und ihn verhaften wollte, bat er die Geheimen darum, in der Küche einen Schluck Wasser trinken zu dürfen. Dann stürzte er sich aus dem Fenster, also Selbstmord! Das ist die offizielle Version der russischen Nachrichtendienste, die ich bezweifle: Man wird ihn durchs Fenster gestoßen haben, was sich nicht mehr nachweisen lässt.
Das erinnert mich an den Wiener Historiker und Schriftsteller Egon Friedell (1878-1938), der sich am 16. März 1938, vier Tage nach dem Einmarsch der „Wehrmacht“ am 12. März in Österreich, aus dem dritten Stock des Hauses, in dem er wohnte, stürzte. Zwei österreichische SA-Leute hatten an der Tür geklingelt und nach dem „Jud Friedell“ gefragt. Während sie sich mit der Haushälterin unterhielten, stürzte er sich in die Tiefe. Freunde hatten ihn rechtzeitig zur Emigration gedrängt, aber er hatte sie nur um Gift oder eine Pistole gebeten. Er war damals schon ein berühmter Schriftsteller, seine Bücher werden heute noch gelesen. Auch ich lese ihn heute noch mit wachsender Begeisterung!
Am Samstagmorgen hole ich immer meine Post aus dem Schließfach, das reicht. Ich hatte gehofft, die Wahlunterlagen wären gekommen, denn wir hatten Briefwahl beantragt. Aber nichts war gekommen! Zeitungen kaufe ich am Samstag nicht mehr, auch am Donnerstag nicht mehr die ZEIT. Am Wochenende kaufte ich immer die FRANKFURTER ALLGEMEINE, die WELT (wo ich 1977/78 Redakteur war) und die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Gerne hätte ich die geistreichen Kommentare zur Weltpolitik gelesen. Ich könnte täglich in die LANBDESBIBLIOTHEK fahren und dort Zeitungen lesen, aber das nimmt mir zu viel Zeit weg.
Irgendwo habe ich in den letzten Tagen einen Artikel über den Bar-Kochba-Aufstand im alten Israel gelesen. Es war der dritte von drei Aufständen gegen die römische Besatzungsmacht in den Jahren 132/36 nach Christus. Kaiser in Rom war damals Hadrian (76-138), der im Jahr 130 noch die römische Provinz Judäa bereist hatte. Anführer des Aufstands war Simon Bar Kochba (getötet 135), einer der Gründe für den Aufstand soll das Verbot der Beschneidung Neugeborener durch Kaiser Hadrian gewesen sein. Die ergiebigste Quelle zum Aufstand ist die „Römische Geschichte“ in 80 Bänden des römischen Historikers Lucius Cassius Dio (163-235), die allerdings in altgriechischer Sprache verfasst ist. Im östlichen Mittelmeer war Altgriechisch die Umgangssprache, weshalb auch alle Bücher des Neuen Testaments, zum Beispiel die vier Evangelien, in Altgriechisch verfasst sind.
Heute Morgen war ich wie immer, trotz der Kälte, spazieren. Das habe ich schon in Mainz immer gemacht, wo ich sieben Jahre 1969/75 im Münchfeld im siebten Stock wohnte, und habe es in Bonn beibehalten, da bin ich aber immer mit dem Fahrrad durch die Gegend gefahren. Heute entdeckte ich auf dem großen Parkplatz vor dem Hochhaus sieben Autos aus Litauen. Hat denn Vladimir der Schreckliche das Baltikum auch schon überfallen? Dann beobachtete ich eine Rabenkrähe, die auf einem Abfallcontainer saß, dessen Deckel wegen Überfüllung geöffnet war. Mit dem Schnabel zog sie ein Pommes-frites-Stück heraus, flog zu einer Wiese und fraß es.
Zurück zu meinen Arztbesuchen: Am Mittwoch, 29. Januar, wurde ich für eine Viertelstunde im Coburger Ärztezentrum in der Rosenauer Straße in die Röhre geschoben. Ich hatte bei meinem Hausarzt über ständige Kopfschmerzen geklagt. Ich saß im Wartezimmer und beobachtete auch hier Patienten, die unentwegt auf ihr Handy starrten. Wenn die Welt untergeht, werden sie es gar nicht mitbekommen. Einer meiner Halswirbel hat sich verengt und einen Nerv eingeklemmt. Das sind Alterserscheinungen, meint meine Frau, damit muss ich leben. Mein Arzt hatte mir aber schon vorher Tabletten gegeben, wodurch die Schmerzen verschwunden sind.
In der Nacht zum Sonntag, 9. Februar, hatte ich einen merkwürdigen Traum: Ich war gestorben und unterwegs ins Jenseits. Auf dem Wege dorthin erreichte ich eine Wiese mit einem Lagerfeuer, um das herum zwei Dutzend Rodacher meines Alters lagen, die alle schon gestorben waren. Als sie meiner ansichtig wurden, rief einer: „Es wird Zeit, dassde kümmst!“
Morgen beginnt die dritte Woche, in der unser Haus (wir wohnen im ersten Stock) eingerüstet ist. Wir wollten schon im Herbst 2024 auf dem Dach eine Photovoltaik-Anlage errichten lassen, dann wurde aber festgestellt, dass das Dach brüchig war und erst neu eingedeckt werden musste. Also kamen zuerst die Gerüstbauer, dann die Dachdecker, dann die Voltaik-Leute. Und dann gab es Krach mit zwei Nachbarn: Eine behauptete, wegen des Gerüsts und des Dienstautos der Dachdecker nicht mehr aus ihrer Garage fahren zu können. Sie drohte uns mit einer Schadenersatzklage, fuhr aber dann jeden Tag weg, weil ihr die Dachdecker Platz machten. Ein anderer Nachbar klingelte dreimal abends an unserer Haustür, drohte mit Baustopp und stellte bei der dritten Begegnung seinen Fuß in unsere Haustür. Als wir uns telefonisch bei seinem Vater in der Nähe Stuttgarts beschwert hatten, beruhigte er sich. Die drei Bauarbeiter sind einsichtige Leute. Ich koche jeden Morgen Kaffee für sie, und jeder kriegt morgen noch ein anständiges Trinkgeld. Die Voltaik-Anlage wurde am Freitag in wenigen Stunden montiert, die Dachdecker müssen am Montag, 17. Februar, noch einige Restarbeiten erledigen., Danach wird dann auch das Gerüst abgebaut. Jetzt werden wir schon mit eigenem Strom versorgt!
Ich hatte in Waldheim einen Mithäftling Kurt Köppen, 1908 geboren. Er war Dozent an der Ingenieurschule in Roßwein, was nur wenige Kilometer entfernt von Waldheim lag. Er war zu vier Jahren wegen „Hetze“ verurteilt. Wir haben uns nach seiner Entlassung und seinem Freikauf durch die Bundesregierung 1964 noch mehrmals getroffen. Er wohnte damals in Giengen/Brenz in Baden-Württemberg. Im Hamburger SONNTAGSBLATT, einer Wochenzeitung der Evangelischen Kirche, habe ich im Sommer 1966, bevor ich als Deutschlehrer nach Schweden ging, über ihn und sein Schicksal eine ganze Seite geschrieben. Jetzt schrieb mir mehrmals seine Enkelin, die mich über Umwege ausfindig gemacht hatte, sie hätte auf dem Dachboden ihrer Großmutter meinen Artikel gefunden.
Die erste internationale Tagung zur deutschen Exilliteratur fand im Spätsommer 1969 in Stockholm statt. Ob damals auch DDR-Germanisten anwesend waren, weiß ich nicht. Auf der zweiten Tagung aber im Sommer 1972 in Kopenhagen traf ich den DDR-Historiker Prof. Dr. Wolfgang Kießling (1929-1999), der mit einer DDR-Delegation nach Kopenhagen gereist war. Er hatte 1948/60 als Neulehrer gearbeitet und wurde 1960 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ostberliner „Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED“. Er wurde 1964 Redakteur der Zeitschrift „Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung“ und wurde 1967 mit einer Arbeit über die Bewegung „Freies Deutschland“ in Mexiko promoviert, die Habilitation erfolgte 1979 zum Thema „Exil in Lateinamerika“. Seit September 1982 lehrte er Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Als ich ihn 1972 in Kopenhagen traf, gingen alle Exilforscher in der Mittagspause zur „Kleinen Meerjungfrau“, einer Bronzestatue an der Uferpromenade. Plötzlich drehte sich Wolfgang Kießling um und fotografierte mich, was mich beunruhigte. Auf der dritten Tagung 1975 in Wien traf ich ihn wieder. Vor dem Frühstück sprach ich noch mit der DDR-Germanistin und Anna-Seghers-Forscherin Sigrid Bock (1930-2019), die mir heftig ins Gewissen redete, ich sollte keine antikommunistischen Artikel mehr schreiben, was mir im späteren Leben schaden könnte. Dann ging ich mit ihr, Wolfgang Kießling und dem Germanistikprofessor Klaus Jarmatz (1930) frühstücken. Zum Glück hatten die Veranstalter der Tagung einen Fotografen bestellt, so dass ich auch Fotos der drei DDR-Germanisten bekam. Nach dem Mauerfall im Herbst 1989 nahm ich Kontakt mit Wolfgang Kießling auf, weil er in den „Heften zur DDR-Geschichte“ im Verlag „Helle Panke“ Aufsätze veröffentlichte über Themen, über die er zu DDR-Zeiten nie hätte schreiben dürfen. Ich vermute, dass er noch vor dem Mauerfall sich in diese verfänglichen Themen eingearbeitet hat. So war Heft 25 der Reihe Paul Merker (1894-1969) gewidmet und Heft 57 den jüdischen Kommunisten Leo Zuckermann (1908-1985) und Rudolf Zuckermann (1910-1995). Im INTERNET konnte ich lesen, dass Wolfgang Kießling mit Paul Merker in den Jahren vor seinem Tod (13. Mai 1969) schon Gespräche geführt hat, was seine Karriere hätte gefährden können. Paul Merker, der 1942 nach seiner Internierung in Frankreich nach Mexiko ins Exil gegangen war, wurde 1952 in der DDR verhaftet und 1954 zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt, 1956 aber vorzeitig entlassen und rehabilitiert. Leo Zuckermann verließ die DDR 1952 vor drohender Verhaftung zur gleichen Zeit, als sein Bruder, der Kardiologe Rudolf Zuckermann, aus Mexiko in die DDR zurückkehrte. Beide Brüder haben sich nie wieder gesehen. Als ich 1972/73 an der Indiana University in Bloomington/Indiana arbeitete, bin ich im März 1973 für eine Woche nach Mexiko City geflogen, um mich über das mexikanische Exil deutscher Kommunisten zu informieren. Anna Seghers gehörte auch dazu. Das Haus, in dem sie gelebt hatte, habe ich fotografiert und das Bild ihr und Christa Wolf geschickt. Beide Schriftstellerinnen haben mir geantwortet. Außerdem habe ich Leo Zuckermann besucht, der mir ausführlich aus seinem Leben erzählte. Später habe ich in der Zeitschrift HOREN einen Aufsatz über deutsche Kommunisten im mexikanischen Exil veröffentlicht.
Am Sonntag, 9. Februar, wollten wir mittags eigentlich Fisch essen, aber meine Frau Gabriele hatte vergessen, den eingefrorenen Fisch aus dem Keller zu holen und aufzutauen. Da schickte sie mich mit dem Auto zur Coburger Kloßküche, die um 10.00 Uhr schon geöffnet hatte. Vor der Tür stand schon eine lange Schlange. Ich holte Sauerbraten und Coburger Rutscher! Es war ein richtiger Festtag! Meinen 88. Geburtstag haben wir mit Gästen aus der Nachbarschaft am 15. Februar gefeiert. Und gestern Abend waren wir zu einem Geburtstagsessen in Coburgs ältestes Restaurant eingeladen, ins GOLDENE KREUZ. Auch hier aß ich Klöße mit Lammbraten und grünen Bohnen.