Je länger ein historisches Ereignis zurückliegt, desto mehr werden Tatsachen durch Meinungen ersetzt. Im Laufe der Jahrhunderte und der Jahrtausende nehmen die Fälschungen zu. Wichtige historische Ereignisse werden einer Bearbeitung unterzogen, um den Zeitgeist, also auch heutigen Interessen zu befriedigen. Die stärksten Interpretationen, also Veränderungen der Geschichte, findet man in der Religion, insbesondere, wenn es die eigene ist.
Das Buch von Johannes Fried verlangt Ausdauer und Konzentration. Er behandelt die Frage, ob Jesus (Judenchrist) oder Paulus (Heidenchrist) das (katholische) Christentum beeinflusst haben. Interessanterweise wird die Frage nicht gestellt, ob der Jesus des Neuen Testamentes überhaupt gelebt hat. Wenn man dieses Buch liest, stellt man verwundert fest, dass die Existenz Jesus` im Gegensatz zur Existenz des Paulus keine entscheidende Rolle spielt.
Jesus oder Paulus: Der Ursprung des Christentums im Konflikt
von Johannes Fried
C.H.Beck Januar 2021
ISBN-13 : 978-3406764066
200 Seiten 22 €
Paulus ist kein pharisäischer Jude, sondern ein griechischer Heide aus Kleinasien, der zum Judentum übergetreten ist und den Drang verspürt, die von ihm zubereiteten Lehren Jesus` weltweit zu verbreiten. Im Gegensatz zu Jesus` Jüngern hat Paulus Jesus nie persönlich angetroffen. Paulus behauptet, dass Jesus ihn beauftragt, die göttliche die Mission zu beginnen. Jesus hingegen steht den Pharisäern nicht nur nahe – er ist selber überzeugter Pharisäer und handelt wie ein Pharisäer! Als pharisäischer gesetzestreuer Jude darf er seine Selbstopferung oder eine beabsichtigte Kreuzigung nicht forcieren.
Paulus behauptet, dass er von Gott (d.h. Jesus) über die Geschehnisse des Wanderpredigers unterrichtet worden ist. Paulus ist sehr von sich überzeugt. So wird der Streit zwischen den Jesus-Jüngern, die Jesus persönlich gut kennen, und Paulus vorprogrammiert.
Im Johannes-Evangelium, das nach Fried das älteste Evangelium ist und welches vom Jesus-Jünger Johannes verfasst worden ist, findet sich die Aussage, dass Jesus nach der Kreuzigung gelebt hat, somit die Kreuzigung überlebt hat. Der Evangelist Johannes ist der „Jünger, den Jesus liebte“. Dies trifft jedoch auch auf Judas und Lazarus zu.
Niemand weiß, ob der Jesus des Neuen Testamentes überhaupt gelebt hat. Dies ist auch nicht wichtig. Vor 2.000 Jahren verdienen in den Jüdischen Landen im Nahen Osten viele Juden ihr Brot als Wanderprediger. Ob die Erzählungen des Wanderpredigers Jesus von Jesus oder jemanden anderem stammen, kann bereits nach wenigen Generationen niemand mehr mit Bestimmtheit sagen. Wahrscheinlich kursieren die Gleichnisse Jesus` unter vielen Wanderpredigern des 1. Jahrhundert.
Der Autor Johannes Fried „beweist“, dass Jesus seine Kreuzigung überlebt hat und somit nicht von den Totenauferstanden ist. Andrerseits schreibt der Realist Flavius Josephus (jüdischer General), dass Gekreuzigte äußerst selten überleben. Paulus hingegen, der das „Heilige Land“ nur einmal kurz betritt, ist anderer Meinung als Fried. Im Gegensatz zu Fried, spricht Paulus auch kein aramäisch. Doch selbst wenn Fried seine These beweisen könnte, wird sich nichts an den real existierenden katholischen Dogmen ändern.
Das Thomas-Evangelium soll von Juden verfasst worden sein. Eine kleine Ungereimtheit bleibt: Nach dem Thomas-Evangelium dürfen Wanderprediger alles essen, was man ihnen vorlegt, selbst nicht Koscheres!
Die Anerkennung und Durchsetzung der vier Evangelien im NT bedeutet nicht, dass ihre Inhalte zuverlässig ist.
Die Botschaft Jesus` und die Theologie des Paulus haben nur oberflächliche Gemeinsamkeiten. Denn Paulus ist kein Jünger Jesus`!
Im Felsendom zu Jerusalem liest man das Wort „mohamadun“. Übersetzt heißt es „der Gepriesene“. Das trifft eher auf Jesus als auf Mohammed zu. Möglicherweise erhält der derzeitige Prophet aller Muslime allein auf Grund dieser Inschrift den Namen „Mohammed“, um als Prophet durchzugehen. In diesem Fall wäre der pharisäische Jude Jesus der wahre Prophet aller Muslime und weniger der der Christen.