Geld regiert die Welt
eingedeutschtes lateinisches Sprichwort, hergeleitet aus:
Imperat in toto Regina Pecunia Mundo
Motto des Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1649 – 1691)
Erst ist es nur ein Gefühl, das Gefühl, dass so ein Lockdown etwas Ungerechtes ist, obwohl er doch scheinbar alle gleich trifft. Aber dem ist nicht so. Der Lockdown macht Halt bei einer Vielzahl von Gruppen der Gesellschaft und deren regelmäßigen Geldeinkommen, während er einen Bereich ungebremst existenziell trifft: Die Wirtschaft. Das ist extrem ungerecht und bedarf der Korrektur.
Menschen, die in zivilisierten Verhältnissen leben, so wie wir, denken heute im Allgemeinen, dass ihnen so weit wie möglich Gerechtigkeit widerfahren muss. Ein Blick in andere Länder oder andere Kulturen oder einfach andere Verhältnisse lässt einen schnell verstummen, ob der grassierenden, gravierenden Ungerechtigkeiten. Schon die Natur ist das Ungerechteste überhaupt, verteilt die Gaben beliebig, willkürlich. Aber die Ungerechtigkeit der Natur bei der Verteilung von Gaben (Intelligenz, Kraft, Schönheit, klimatische Bedingungen, etc.) wird wegen ihrer Unabänderlichkeit leichter ertragen, als menschengemachte Ungerechtigkeiten, denn die haben einen modernen Maßstab: Die Gleichheit vor dem Gesetz, eine wunderbare Erfindung der Menschen für die Regelung des Zusammenlebens als Gesellschaft. Die Gleichheit vor dem Gesetz ist sozusagen die Inkarnation der Gerechtigkeit überhaupt. Sie ist der Maßstab.
So ein Lockdown ist extrem ungerecht
Der menschengemachten Ungerechtigkeiten gibt es dennoch viele: Die Ungerechtigkeit der Strafurteile, weil sie Gefängnisstrafen, Folter oder Todesstrafen ungerecht verteilen. Es gibt eine Ungerechtigkeit des Wohlstands, weil die Vermögen falsch verteilt sind und die Ungerechtigkeit bei der Entlohnung, weil sie oft nicht leistungsgerecht verteilt. Und schließlich gibt es die Ungerechtigkeit der Machtverteilung im Staat. Letztere wurde von der Idee des Rechtsstaats und der Gewaltenteilung gezähmt oder zumindest gemildert. Auch ein Lockdown, eine Ausgangssperre, ein Betretungsverbot oder Reiseverbot, ein Gebot, Masken zu tragen, trifft im ersten Moment, so könnte man denken, alle gleich. Aber dem ist nicht so, denn das ist nur die sichtbare Komponente. In der Wirtschaft gibt es eine unsichtbare Komponente und das sind die Geldflüsse. Und genau an dieser Stelle ist so ein Lockdown extrem ungerecht, weil er eine Gruppe besonders trifft: Die Anbieter auf den Märkten.
Anbieter sind alle die, die man unter dem Begriff Wirtschaft versammeln kann, die Bauern, Händler, Handwerker, Produzenten, die Freiberufler und Dienstleister, also solche, die ihre Produkte oder Leistungen auf Märkten anbieten. Sie sind die, die Märkte bilden. Autohäuser unterschiedlicher Marken bilden den Automarkt, Gemüsebauern bilden am Markttag den Gemüsemarkt, Brauereien bilden den Biermarkt, Kinos bilden den Kinomarkt, usw.
Anbieter sind verletzlich, denn sie haben zwei Schwachstellen: Die eine ist ihre Spezialisierung. Ein Autohändler kann schwerlich Medikamente verkaufen, ein Rechtsanwalt eignet sich selten als Handwerker. Die qualitativen Stärken der jeweiligen Anbieter – ein Resultat ihrer Spezialisierung – sind auch ihre Schwäche. Ihre zweite Schwachstelle, ein echter Unsicherheitsfaktor, ist ihre Abhängigkeit vom Kunden. Kunden genießen ihre Entscheidungsfreiheit, wechseln gerne, oder bleiben einfach weg. Das Los des Anbieters ist ein hartes, erst ihre Spezialisierung, dann die Willkür der Kunden. Der Lohn dafür, dass der Anbieter diese Risiken in Kauf nimmt, ist die Wertschöpfung: Er bekommt beim Verkauf mehr als er selbst bezahlt oder aufgewandt hat. Das ist das Geschäft, der Profit.
So ein Lockdown zerstört das Geschäft
Sieht man von den Herstellern und Händlern von Lebensmitteln aktuell ab, so trifft so ein Lockdown fast alle Anbieter und zerstört – je länger er dauert – ihr Geschäft.
An dieser Stelle sind wir bei der Gerechtigkeit bzw. der Ungerechtigkeit, denn es gibt riesige Bereiche mit Millionen von Menschen, die nicht am Tropf der Märkte hängen oder in seiner Nähe und das sind nicht wenige. Aktuelle Schätzzahlen gehen davon aus, dass es circa 45 Millionen Erwerbstätige gibt, also Leute, die täglich zur Arbeit gehen. Von diesen 45 Millionen sind es geschätzte 18 Millionen, die in 2 bis 3 Millionen großen und kleinen Betrieben einen aktiven, produktiven Beitrag zur Wertschöpfung der Märkte leisten. Der Rest von 27 Millionen ist administrativ tätig, also marktunabhängig.
Es sind dies vor allem die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, einschließlich Polizei und Militär, und Mitarbeiter von öffentlich-rechtlichen und privaten Versicherungen, und andere. Zur selben Gruppe gehören auch alle Abgeordneten der Parlamente und ihre Mitarbeiter. Marktunabhängig sind auch die 21 Millionen Rentner und Pensionäre als Bezieher regelmäßiger Geldeinkommen. Mit anderen Worten: Zusammen haben etwa 48 Millionen Menschen ein stabiles, regelmäßiges, Markt-unabhängiges Einkommen.
Die Ungerechtigkeit schreit zum Himmel
Ein kleinerer Anteil daran sind die Entscheider über Wohl und Wehe. Es sind die Staatsbediensteten in den Ministerien und die Parlamentarier mit ihren stabilen monatlichen Einkommen. Sie sind diejenigen, die den Lockdown anordnen, der aber ihr eigenes monatliche Geldeinkommen nicht trifft, sondern der allein zu Lasten der 2 bis 3 Millionen Markt-abhängigen Anbieter geht. Die Gehaltsempfänger ruhen sich auf ihrer eigenen wirtschaftlichen Unverletzlichkeit aus und muten der verletzlichen Wirtschaft, den Anbietern auf den Märkten, allein zu, die Last der Virus-Bekämpfung existenziell zu tragen. Zwar werden Ausgleichszahlungen angeboten. Aber über deren Sinnhaftigkeit und Ungerechtigkeit lässt sich trefflich streiten. Bei den Kleineren, beim Mittelstand jedenfalls, kommt kaum etwas treffsicher an.
Die Ungerechtigkeit schreit zum Himmel. Den „Freien“ werden die Restaurants genommen, die „Unfreien“ dürfen ihre Kantinen behalten? Den „Freien“ werden die Arbeitsplätze gestohlen, die „Unfreien“ dürfen sie behalten? Aktive Teilhabe an den eigenen Entscheidungen, an der Vernichtung der Einkommen und Beschränkung der Bewegungsfreiheit auch für die „Unfreien“ wäre der einzig gerechte Ausweg und müsste gesetzlich, ja grundgesetzlich verankert werden. Dann wären bestimmt auch Polizisten und Ordnungsbeamte schnell auf der Seite der Verschwörungstheoretiker zu finden – also zurück in der Realität!