Das nächste Opfer soll
Jan Böhmermann werden. In Österreich kommt man schnell zu Problemen mit
Sachwalterschaft. Ein Anwalt aus Wien brachte
einen Antrag auf Betreuung gegen den deutschen Kabarettisten ein. Jetzt soll das Amtsgericht in Köln
entscheiden.
Der Antrag des
Wiener Anwalts Wolfgang List, der beim Amtsgericht Köln eingereicht wurde,
liegt uns jetzt vor. Demnach solle Jan Böhmermann geholfen werden. In seinem Schreiben betonte Anwalt List:
„Weiters ist Jan Böhmermann auch auf dem sozialen
Medium Twitter verhaltensauffällig geworden. (…) Dies hat gelinde gesagt für
große Verunsicherung und Besorgnis in Bezug auf Jan Böhmermann in Österreich
gesorgt. Aufgrund dieses Sachverhalts besteht die Vermutung, dass Jan
Böhmermann dringend Beistand benötigen könnte“.Anwalt List möchte mit seinem Antrag das Amtsgericht in Köln bewegen: „Ein Verfahren gemäß dem Betreuungsrecht einzuleiten“.
Sachwalter soll enteignen
Was bedeutet eine solche „Hilfe“ für Böhmermann in Österreich? Ein Sachwalter
wird vom Gericht eingesetzt. Der Sachwalter übernimmt alle Vermögenswerte und
Einkünfte von Böhmermann. Die Immobilien von Böhmermann werden verkauft. Seine
Wohnung wird geräumt. Der Sachwalter kassiert alle Erträge, die die Verkäufe
des Besitzes von Böhmermann erzielen. Böhmermann wird eventuell noch gestattet,
ins Exil zu gehen, ansonsten drohe Einweisung in eine geschlossene Anstalt.
Schnell kann man in Österreich unter Sachwalterschaft gestellt werden. Es gibt
tausende Fälle, die Hinweise auf solche Enteignungen durch eine entwickelte
Methode von Sachwalterschaft vorlegten.
Jan Böhmermann verfügt über das Glück, dass für ihn das Amtsgericht Köln
zuständig ist. Anwalt List konnte seinen Antrag nicht bei einem Bezirksgericht
in Wien einbringen, das in der Regel alle Unterlagen des Betroffenen ignoriert
und die Enteignung durch einen Sachwalter bewilligt.
Doch zögerte List nicht, einen solchen Schritt in Köln einzuleiten. Mit dem
Hinweis an das Amtsgericht Köln:
„Wir hoffen, dass Jan
Böhmermann auf diesem Weg besser geholfen werden kann“.
Aufregung nach ORF-Sendung
Für Aufregung
sorgte zuvor ein Auftritt des Kabarettisten Böhmermann, der vom
österreichischen Fernsehen ORF im Mai in die Sendung „Kulturmontag“ eingeladen
wurde. In der Sendung wurde Böhmermann
mit einem Zitat des Autors Thomas Bernhard konfrontiert, das die Österreicher
als „sechseinhalb Millionen Debile und
Tobsüchtige“ bezeicchnet.
Die Frage stellte der ORF-Moderator Christian
Konrad. Schlagfertig antwortete Böhmermann:
„Das Rad der Zeit hat sich ja
weitergedreht. Jetzt sind es schon acht Millionen Debile“.
Die ORF-Sendung mit Jan Böhmermann wurde auf Youtube veröffentlicht:
Jan Böhmermann rechnet in einer
Ausstellung mit Österreich ab (kulturMontag, ORF vom 6. 5. 2019)
Es handelte sich bei dem Zitat um eine
Textstelle aus Bernhards Stück „Heldenplatz“, die Uraufführung wurde 1988 von
Claus Peymann am Burgtheater inszeniert:
Österreich selbst ist nichts als eine
Bühne,
auf der alles verlottert und verkommen ist,
eine in sich selber verhasste Statisterie
Von sechseinhalb Millionen Alleingelassenen,
sechseinhalb Millionen Debile und Tobsüchtige,
die ununterbrochen aus vollem Hals nach einem Regisseur schreien.
(Thomas Bernhard: Heldenplatz)
Dozent am Juridicum
Der Wiener Anwalt Wolfgang List reagierte, so wie er es von der
juristischen Praxis in Österreich gewohnt ist. Er stellte einen Antrag auf
Sachwalterschaft, der die totale Enteignung des Betroffenen bewirken soll,
damit dieser nicht weiter tätig sein kann.
Wolfgang List ist ein erfahrener Anwalt. Er war ursprünglich an einer Laufbahn
als Rechtswissenschafter an der Universität orientiert. Er ist
Universitätsdozent mit einem Lehrauftrag am Juridicum der Universität
Wien. Seine Habilitationsschrift legte
er an der Universität Innsbruck für das Fach Verfassungs- und Verwaltungsrecht
ab. Er erhielt damit 2002 die Berechtigung zur Lehre an der Universität und
wurde Universitätsdozent.
Als Rechtsanwalt wurde Dozent List erst danach tätig, im Jahr 2005.
Amtsgericht Köln entscheidet
Der Antrag von Dozent List ist kein Kabarett. In Österreich bedeutet
Sachwalterschaft eine ernste Bedrohung der GrundrechteBöhmermann wurde vom ORF als
Kabarettist eingeladen. Üblicherweise ist es die Erwartungshaltung des Senders,
dass dabei für das Publikum der entsprechende Unterhaltungswert entsteht und
damit auch die Einschaltquoten gesteigert werden. Nötigenfalls durch eine
provokante Frage .
Die Entscheidung über die weitere Zukunft des Künstlers Jan Böhmermann liegt
jetzt beim Amtsgericht in Köln.
Wolfgang Schorn, der Pressesprecher des Amtsgerichts Köln, teilte auf Anfrage
mit:
„Leider muss
ich Ihnen mitteilen, dass es sich bei Betreuungsverfahren um nicht-öffentliche
Verfahren handelt. Daher kann ich generell keine Angaben zu Einzelfällen
machen”.
Links:
Abschied
vom Rechtsstaat: Österreichische Volksanwaltschaft legte Jahresbericht für 2018
vor
(Tabula Rasa Magazin, 1. 5. 2019)
Offener
Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel: Zur Verletzung von Grundrechten im
EU-Mitgliedsstaat Österreich
(Tabula Rasa Magazin, 6. 7. 2018)
Enteignung durch das
Instrument Sachwalterschaft
(The European, 11. 7. 2017)