Interview mit Bestseller-Autor und Spiegel-Redakteur Jan Fleischhauer

Wie kann man aus Versehen ein Konservativer werden?
Wenn man wie ich aus einer linken Familie stammt und irgendwann Zweifel an bestimmten Verstiegenheiten bekommt.

Sie sind kein Bekenntniskonservativer! Nicht wie beispielsweise Roland Koch, der mit seinem Buch „Konservativ“ Praxishilfen für gebeutelte Konservative geben will. Der Begriff konservativ hat heutzutage Konjunktur, fast wird er inflationär gebraucht. Was bedeutet konservativ für Sie konkret?

Konservativ, so wie ich es benutzte, heißt zuerst nicht links zu sein. Dies klingt nach nicht sehr viel, ist aber tatsächlich doch eine ganze Menge, weil jedenfalls in der Welt, in der darüber befunden wird, wie Dinge zu sehen und zu bewerten sind, die Linken eindeutig dominieren.

Was ist das sogenannte Gute, für das die Linke steht? Der Begriff des Guten, des „Höchsten Gutes“, ist ja alles andere als links.

Die Linke nimmt für sich in Anspruch, auf der richtigen Seite zu stehen und für das „Gute“ zu kämpfen. Gut insofern, als sie, wie wir wissen, nie eigene Machtinteressen verfolgt, sondern sich immer für andere einsetzt. Also für Menschen, die ihrer Anwaltschaft bedürfen, für die Frauen, für die Ausländer, für die sexuell Benachteiligten, für die alleinerziehenden Frauen etc. Und darauf gründet natürlich auch ihr moralischer Selbstanspruch und ihr Selbstverständnis.

Warum ist die Linke Ihrer Meinung nach so anfällig für Unheilsszenarien? Warum enden die Utopien, das Gute, immer wieder in Terror und Verfolgung?

Die Anfälligkeit ist die Kehrseite beim Kampf für die große Idee. Es gibt wenig Linke, die ohne den großen Plan auskommen, denn dieser macht ja die Verführungskraft der linken Idee aus. Fast jeder Linke trägt unter dem Arm fast immer ein Weltrettungsprojekt. Und um die Dringlichkeit dieses Projektes immer noch dringlicher zu machen, steht natürlich daneben immer die Sorge, dass, wenn es ganz anders kommen sollte, die Welt untergeht.

Warum ist die Linke, sind die westdeutschen Linken, oft so dogmatisch, sind Linke, wie Sie es nennen „angespannt“ und keine ausgesprochenen Liebhaber der Meinungsvielfalt, obwohl sie sich auch auf die Tradition der Aufklärung, nicht zuletzt auf Immanuel Kant und sein „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“, berufen?

Wenn sie gegen das Böse kämpfen und für das Gute, dann gibt es Situationen, wo Toleranz Verrat an ihren Ideen bedeutet. Zu große Duldsamkeit mit abweichenden Meinungen bedeutet auch Nachlässigkeit im Kampf für die richtige Sache.

Was stört sie am meisten an den Linken?

Mich stört am meisten ihre Humorlosigkeit. Und diese verfluchte Eigenschaft, nicht nur selbst sich gedruckt zu sehen, sondern es schon als Erfolge zu feiern, dass man verhindert hat, dass die andere Seite gedruckt wurde.

Sie haben Philosophie und Literatur studiert. Wer in der Geschichte der abendländischen Geistesgeschichte ist für Sie ein Linker per excellence? Welcher Philosoph der Gegenwart ist Ihr Favorit?

Der Gründungsvater der Linken ist für mich nicht Karl Marx, sondern Jean Jacques Rousseau, wo sich fast alle Dinge, die die Linke in irgendeiner weise ausmacht, schon vorfinden; angefangen beim Sentimentalismus der Gefühlskultur, beim Glauben an das Gute im Menschen und bei der Hoffnung seiner Verbesserbarkeit. Der große Konservative hingegen ist für mich David Hume auf der gemäßigten, Thomas Hobbes auf der dunklen Seite. In der Gegenwart würde ich Hermann Lübbe als den großen Wertkonservativen nennen.

Wird der neue Mensch, von dem nicht nur die Linke träumt, wieder ein linker oder vielleicht doch ein konservativer sein?

Der Konservative überläßt die Schaffung des neuen Menschen, wenn überhaupt nur einem – dem Allmächtigen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Dr. Stefan Groß

Zuletzt erschien Fleischhauers vielberühmtes Buch „Unter Linken: Von einem, der aus Versehen konservativ wurde“, Rowohlt-Verlag, Reinbek bei Hamburg 2009, ISBN 978-3-498-02125-2.

Das Interview fand im Rahmen einer Lesung am 17. Mai in Camburg im Rahmen des „Bildungswerk Erfurt“ der Konrad-Adenauer-Stiftung statt. Gedankt sei Daniel Braun.

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Über Fleischhauer Jan 2 Artikel
Jan Fleischhauer, geboren 1962 in Hamburg, hat Literaturwissenschaft und Philosophie studiert. Seit 1989 ist er Redakteur beim Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" und hat dort unterschiedliche Funktionen inne, darunter die Positionen stellvertretender Leiter des Wirtschaftsressorts und stellvertretender Leiter des Hauptstadtbüros. Von 2001 bis 2005 war Fleischhauer Wirtschaftskorrespondent in New York. Seit 2008 ist er Autor des Spiegel in Berlin, seit 2011 schreibt er für Spiegel-Online die Kolumne S.P.O.N. - Der Schwarze Kanal. 2009 erschien im Rowohlt-Verlag sein Buch "Unter Linken: Von einem, der aus Versehen konservativ wurde".

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