Internationaler Vergleich: Altersvorsorge nach neuseeländischem Vorbild kann Rentenlücke in Deutschland schließen

Rodenstock: „Umlagefinanzierte Rentensysteme stoßen an ihre Grenzen“

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Der demografische Wandel stellt Deutschland wie auch viele andere Industriestaaten vor enorme Herausforderungen. Gleichzeitig hinkt die Bundesrepublik im internationalen Vergleich bei der individuellen Altersvorsorge hinterher. Erfolgsmodelle aus anderen Ländern wie etwa Neuseeland können ein Vorbild für Deutschland sein. Denn hier werden mit subtiler Verhaltenslenkung – wie der automatischen Anmeldung in betriebliche Vorsorgeprodukte – Menschen dazu bewegt, mehr in die betriebliche oder private Altersvorsorge zu investieren. Auf diese Weise ließe sich in Deutschland die Rentenlücke ohne großen finanziellen Mehraufwand für den Staat schließen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Roman Herzog Instituts e. V. (RHI).

Im Jahr 2000 kamen in Deutschland 26,4 Menschen im Alter von mindestens 65 Jahren auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 65 Jahren. 2022 waren es schon 37,4 und 2035 werden voraussichtlich 49,2 Menschen über 65 auf 100 Erwerbstätige kommen. „Umlagefinanzierte Rentensysteme wie in Deutschland stoßen an ihre Grenzen, weil immer weniger Beitragszahler für immer mehr Rentenempfänger aufkommen müssen. Deshalb lohnt der Blick über den Tellerrand, wie andere Staaten mit den Herausforderungen des demografischen Wandels umgehen und die Altersvorsorge ihrer Bürger organisieren“, erläutert Prof. Randolf Rodenstock, Vorstandsvorsitzender des RHI.

Die RHI-Studie „Förderung privater und betrieblicher Altersvorsorge – Steuerliche Anreize und Nudging im internationalen Vergleich“ analysiert die Altersvorsorge-Systeme verschiedener Staaten und stellt dar, wie Erwerbstätige dazu gebracht werden können, individuell besser für ihr Alter vorzusorgen. Vorbildcharakter für Deutschland haben dem Ländervergleich zufolge Staaten, die sogenannte „Nudging“-Ansätze nutzen. Das heißt, die Erwerbstätigen werden durch nichtfinanzielle Eingriffe dazu gebracht, ihre individuelle Altersvorsorge zu erhöhen. „Statt die finanzielle Absicherung im Alter allein der Entscheidung jedes Einzelnen zu überlassen, setzen andere Länder seit langem erfolgreich auf die verpflichtende Einschreibung in Altersvorsorge-Programme, häufig bei gleichzeitiger Möglichkeit, wieder ohne Aufwand auszusteigen“, so Rodenstock.

Die geringe Verbreitung individueller Altersvorsorgeprodukte in Deutschland zeigt, dass derartige Modelle auch hierzulande sinnvoll sein können: Der Studie zufolge haben nach eigener Aussage rund 85 Prozent der Befragten einen Anspruch auf eine gesetzliche Rente oder eine Beamtenpension. Rund 40 Prozent sorgen betrieblich vor und nur rund 35 Prozent verfügen über eine private Altersvorsorge. Rodenstock erläutert: „Das Deckungskapital von betrieblicher und steuerlich geförderter privater Altersvorsorge in Deutschland beträgt nur rund 6,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Zum Vergleich: In Schweden sind es 97,9 Prozent, in den USA sogar 137,5 Prozent des BIP. Der Durchschnitt aller OECD-Länder liegt bei 86,5 Prozent. Hierzulande ist also noch viel Luft nach oben.“

Der internationale Vergleich zeigt, dass das neuseeländische Modell einen besonderen Vorbildcharakter für Deutschland hat: Arbeitgeber melden neu eingestellte Beschäftigte automatisch in einem Betriebsrentenprogramm an, Altbeschäftigte können sich freiwillig dafür entscheiden. Ein standardmäßiger Beitragssatz des Bruttoeinkommens wird zur Hälfte auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufgeteilt, der Ausstieg aus dem Programm ist für die Beschäftigten frühestens nach zwei Jahren möglich. Die Verwaltung und Anlage der gezahlten Beiträge übernehmen ausschließlich private Anbieter, in der Regel Banken und Versicherungen. „Mit einem solchen System setzt der Staat zwar Anreize für mehr individuelle Altersversorgung. Die Entscheidungsfreiheit der Beschäftigten bleibt aber gewahrt, weil der Einzelne sich auch gegen das Programm entscheiden kann. Gleichzeitig sorgt die Einbindung privater Anbieter für Wettbewerb und damit die Effizienz des Programms“, erklärt Rodenstock abschließend.

Das Roman Herzog Institut
Das RHI setzt sich als Think Tank mit den Gegenständen Werte, Führung und Zukunft auseinander. Gegenwärtige Schwerpunkte sind das Verhältnis von „Demokratie und Autokratie“ sowie „gute Führung“ auf strategischer Ebene. Dazu lädt das Institut Expert*innen verschiedenster Disziplinen nach München ein. Neben der Herausgabe eigener Publikationen und der Ausrichtung wissenschaftlicher Veranstaltungen geht das Institut in seinen YouTube- und Podcast-Formaten mit bekannten Wissenschaftler*innen in die Tiefe der Themen und ihrer Forschung.

Die RHI-Studie „Förderung privater und betrieblicher Altersvorsorge – Steuerliche Anreize und Nudging im internationalen Vergleich“ finden Sie hier zum Download.

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