Europas Antwort auf die Wild-West-Politik von Trump: MEGA – Make Europe Great Again

Europa, Mittelmeer, Flüchtlinge. Pixabay License, Freie kommerzielle Nutzung, Kein Bildnachweis nötig

Wie muss Europa auf die Politik von Trump reagieren?

Offenbar gibt es eine Welt vor Trumps Präsidentenwahl und eine sich bildende neue Welt nach seiner Wahl. In der „alten“ Welt galten typisch europäische Werte bzw. Tugenden wie Mitmenschlichkeit, regelbasierter Umgang mit anderen Ländern, Minderheitenschutz, Völkerrecht, Weltgemeinschaft der Völker, Anerkennung der UNO, Frieden ohne Waffen als weitgehend gesetzt und unantastbar. In der neuen durch Trump geprägten Welt haben ganz andere „Werte“ bzw. Vorstellungen Vorrang: Recht des Stärkeren geht vor Stärke des Rechts, die Zahl der Soldaten ist nun ein zentraler Faktor, welcher Geheimdienst bringt bessere Informationen, wo haben die TechUnternehmen (Google, Apple, Microsoft, OpenAI, usw.) Ihren Sitz. Es entsteht also so etwas wie ein globaler Wilder Westen nach dem Motto wer am besten schießen kann gewinnt.

Nun kann man das alles ganz schrecklich finden und dagegen große Reden halten. Wenn man aber nüchtern auf die heutige Welt blickt, muss man leider feststellen, dass diese „neuen“ Werte inzwischen global fast dominant geworden sind. In dieser neuen wilden Welt fühlen sich China, Russland und andere kleinere Autokraten durchaus wohl und zuhause. Das ist sozusagen „ihre Welt“ und begonnen hat diese Welt schon mit Putins Überfall auf die Ukraine.

Wie soll Europa auf diese neue Welt reagieren?

Mit den Wölfen heulen, also mitmachen und auch so werden, uns also „anpassen“ an diese neue Welt? Damit würden wir unsere bisherigen Prinzipien über Bord werfen, das geht also nicht. Dann würde Europa seine Seele verraten. Aber: Als einzige Großmacht auf der Welt einfach so bleiben wie wir sind, also Augen zu machen und abwarten bis die Welt wieder „vernünftig“ wird? Ist auch nicht realistisch.

Ich bin überzeugt, Europa muss eine Art Doppelstrategie fahren: einerseits sollten wir unsere klassischen Werte beibehalten (unter Weglassung einiger Übertreibungen)! Andererseits sollten wir aber aufhören, so soft und extrem höflich und diplomatisch aufzutreten und zu handeln wie bisher:  auf einen groben Klotz gehört eben ein grober Keil. Dazu gehört es auch, unsere Stärken – wirtschaftliche Dynamik – spürbar auszubauen und unsere Schwächen, insbesondere bei der Verteidigung, konsequent und drastisch abzubauen. Hier liegen die wichtigsten Aufgaben der neuen deutschen Regierung.

So sollten wir nicht zögern bei Drohungen mit eigenen Ideen dagegen zu halten:  Wenn Putin droht einen NATO-Staat – etwa im Baltikum – zu überfallen, können wir dagegenhalten und sagen eigentlich passt die Enklave Königsberg wunderbar in die EU und ihre Bürger würden sicher gern die Wohltaten der westlichen Welt genießen. Wenn Trump Canada übernehmen will, können wir sagen, eigentlich ist Canada typisch europäisch und sollte im Rahmen eines Assoziationsvertrages eng an die Europäische Union angebunden werden.

Und vor allen Dingen sollten wir Europäer uns nicht kleiner machen als wir sind. Wirtschaftlich sind wir im globalen Wettbewerb ein Riese und wenn wir geschlossen auftreten und unsere militärischen Kräfte bündeln und die Erfahrungen mit den neuesten technischen Kriegswaffen aus der Ukraine nutzen, dann würde sich Putin mit Europa eine ziemlich blutige Nase holen. Das Risiko wird er nicht eingehen, zumal das atomare Schutzschild bleibt. Außerdem wackelt das Regime von Putin sichtbar, wenn man Inflation (11 Prozent) Zentralbankzins (21 Prozent) und Verlustzahlen (ca. 200.000 Tote und Verwundete) einmal mit dem vorhandenen Potential (Bruttosozialprodukt liegt in der Größenordnung von Spanien) vergleicht.

Außerdem wird Trump Europa nicht einfach in die Wüste schicken. Ohne Europa werden seine Deals ziemlich schwierig und weniger bedeutend, auch er braucht ein westliches und prosperierendes Europa.

Fazit: für Europa gilt es nüchtern und mutig die Lage analysieren und eiskalt das Beste daraus machen. Merke: in jeder Herausforderung steckt auch eine Chance. Die Europäische Union als Erbe und Nachfolger des Römischen Weltreichs hat in den letzten 2.000 Jahren schon ganz andere Krisen bewältigt und überstanden. Make Europe Great Again: MEGA!

Über Ingo Friedrich 65 Artikel
Dr. Ingo Friedrich war von 1979-2009 Abgeordneter des Europäischen Parlaments, von 1992 bis 1999 Vorsitzender der CSU-Europagruppe im Europäischen Parlament. Er war Schatzmeister der Europäischen Volkspartei (EVP) und Präsident der Europäischen Bewegung Bayern. Seit 2009 ist er Präsident des Europäischen Wirtschaftssenats. Von 1999-2007 war Friedrich einer der 14 gewählten Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments. 2004 erhielt er das Große Bundesverdienstkreuz. Friedrich ist Ehrenmitglied des Europäischen Parlaments und war Präsident der Wilhelm Löhe Hochschule.