Ingo Friedrich: Die ersten politischen Auswirkungen der Krise zeichnen sich ab

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Wir befinden uns zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte in einem weltweiten Kampf gegen einen gemeinsamen globalen nahezu außerirdischen Feind namens Corona-Virus. Deshalb wird diese Krise auch nachhaltigere und größere Auswirkungen haben als alle Ereignisse nach dem 2. Weltkrieg zusammengenommen:

Erste politische Konsequenzen sind bereits heute sichtbar: politische Scharlatane, Verschwörungstheoretiker und die politisch-extremen Ränder verlieren massiv an Bedeutung. Die Menschen spüren plötzlich am eigenen Leib, worauf es in einer bedrohlichen Situation wirklich ankommt, nämlich nüchterne Analyse, klare Zielsetzungen und professionelles Handeln. Diejenigen politischen Kräfte, die sich in dieser existentiellen Krise als Problemlöser bewähren, werden auch zukünftig auf ein großes Vertrauen bauen können und umgekehrt werden diesbezügliche “Versager” auch langfristig “abgestraft” werden. Die langfristige Auswirkung dieser Krise wird auch dadurch gespeist, dass jederzeit ein ähnliches oder mutiertes Virus erneut auftreten kann. Die Herausforderung wird also nicht so schnell verschwinden. Auch das deutsche „Jammern auf höchstem Niveau“ wird erheblich an Bedeutung verlieren.

Im internationalen Ranking der Staaten werden weniger die Nationen mit den Atomwaffen, sondern die Staaten punkten, die helfen, die Weltkrise zu bändigen. Die Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung innerhalb der EU wird noch mehr gefordert sein als während der Lehmann-Brother-Krise.

Problemlösen heute bedeutet ja nicht nur das Erreichen der Abflachung der Infektionskurven und damit das Vermeiden einer Überforderung des Gesundheitssystems, sondern auch das Vermeiden eines wirtschaftlichen Absturzes insbesondere bei den kleineren selbstständigen Unternehmern. Dies wird schwer genug werden und viel Geld kosten. Absehbar ist auch eine deutliche Beschleunigung der Digitalisierung, weil viele Dienstleistungen plötzlich ohne persönliche Präsenz geleistet werden müssen und auch können. Wenn es einer klugen Politik dann noch gelingt, einen erfolgreichen wirtschaftlichen Neustart nach der Krise zu organisieren, dann wird diese Politik ähnlich wie seinerzeit die Einführung der sozialen Marktwirtschaft für lange Zeit die politische Agenda prägen.

Als Krönung der Komplexität ist in der praktischen Politik dann noch zweierlei zu berücksichtigen: die derzeit notwendigen Einschränkungen dürfen nicht die grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte der Bürger gefährden und die psychische Resilienz breiter Bevölkerungsschichten darf durch zu lange Fristen nicht überfordert werden.

Im klassischen Sinn erweist sich in dieser globalen Krise der „politische“ Meister und trennt sich auch politisch die „Spreu vom Weizen”. Angesichts dieser dramatischen Situation kann man nur hoffen, dass in möglichst vielen Ländern, hoffentlich auch in Amerika „politische Meister“ und keine unbedarften Großmäuler Verantwortung übernehmen.

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Dr. Ingo Friedrich war von 1979-2009 Abgeordneter des Europäischen Parlaments, von 1992 bis 1999 Vorsitzender der CSU-Europagruppe im Europäischen Parlament. Er war Schatzmeister der Europäischen Volkspartei (EVP) und Präsident der Europäischen Bewegung Bayern. Seit 2009 ist er Präsident des Europäischen Wirtschaftssenats. Von 1999-2007 war Friedrich einer der 14 gewählten Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments. 2004 erhielt er das Große Bundesverdienstkreuz. Friedrich ist Ehrenmitglied des Europäischen Parlaments und war Präsident der Wilhelm Löhe Hochschule.