In Syrien herrscht unter den Christen Angst vor der Zukunft

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Eine syrische Christin schildert im Interview ihre Erlebnisse und ihre Zukunftsperspektive

(Open Doors, Kelkheim) – Seit fast einer Woche kontrollieren islamische Rebellengruppen unter der Führung der Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS) weite Teile Syriens. Zahlreiche Berichte in den Medien thematisieren die Freude über das Ende der Assad-Diktatur bei Syrern in aller Welt. Unter den Minderheiten im Land dominiert hingegen die Unsicherheit, gepaart mit Sorgen über den künftigen Kurs der neuen Regierung ihnen gegenüber. Eine Partnerin von Open Doors in einem Nachbarland hat die in Damaskus lebende Christin Hoda* nach ihrer Perspektive gefragt und die Situation erläutert.

Kannst du uns mit in die letzten Tage hineinnehmen? Wie hast du verarbeitet, was passiert ist?

Hoda: „Anfangs konnte ich nicht begreifen, was vor sich ging. Es fühlte sich unwirklich an. Ich hörte, dass die Kirchen Busse organisierten, um Christen bei der Flucht aus Aleppo zu helfen, aber gleichzeitig gab es widersprüchliche Nachrichten. Einige Berichte besagten, dass Rebellen Hama eingenommen hatten, während das staatliche Fernsehen uns versicherte, dass alles unter Kontrolle sei. Es herrschte Chaos. Ich musste Freunde in anderen Städten anrufen, um überhaupt einen Überblick zu bekommen, aber selbst danach wusste ich nicht, was wirklich los war.“

Habt ihr diese Veränderung erwartet?

„Überhaupt nicht. In den letzten vier Jahren herrschte trotz der Wirtschaftskrise ein Gefühl des relativen Friedens. Aber das jetzt? Es kam ganz plötzlich – nach mehr als einem Jahrzehnt der Kämpfe hat sich innerhalb von nur zwei Tagen alles verändert.“

Wie geht es dir mit der aktuellen Situation?

„Ich empfinde Angst und Unsicherheit. Ich fürchte das Unbekannte. Mehrere Tage sind vergangen, aber für mich fühlt es sich immer noch wie der erste Tag an.“

Hoda hat zwar von den Zusicherungen gehört, dass Christen nicht zu Schaden kommen würden, aber sie macht sich Sorgen, dass es doch anders kommen könnte. 

Kannst du uns die Angst der Christen erklären?

„Ich persönlich habe mich früher in meinem christlich geprägten Umfeld nie bedroht gefühlt. Aber ich weiß, dass das in anderen Teilen Syriens nicht so ist. Im Moment ist viel von Offenheit und Toleranz die Rede – aber niemand weiß, was er glauben soll.“ Hoda beschreibt, wie diese Unsicherheit ihre alltäglichen Begegnungen trübt: „Selbst das Grüßen auf der Straße fühlt sich jetzt anders an. Es ist, als würde sich das wahre Gesicht dieses Wandels hinter einer Maske verstecken.“

Berichten zufolge weigern sich Christen in einigen Teilen Syriens aus Angst, ihre Häuser zu verlassen, während Nichtchristen in die alltägliche Normalität zurückgekehrt sind.

Wie hat dich dein Glaube während dieser Tage gestärkt und welche Rolle hat die Kirche dabei gespielt?

„Ich muss zugeben: Anfangs habe ich nichts anderes getan, als die Nachrichten zu verfolgen. Aber wir hatten christliche Freunde, die sich mit uns zum Beten und zum Lesen von Psalmen getroffen haben. Das hat uns etwas Trost gespendet.“

Was gibt dir inmitten all dessen Hoffnung?

„Die Hoffnung ist schwach … Ich bete, dass die Worte über Offenheit und Toleranz echt sind. Aber wenn ich ehrlich bin, wünschte ich, ich könnte Syrien verlassen. Ich möchte nicht in einem Land leben, das am Rand einer Katastrophe steht.“

Was würdest du den Christen weltweit gerne mitgeben? Wie können sie an eurer Seite stehen?

„Wir brauchen eure Gebete und Unterstützung. Wir müssen spüren, dass wir nicht vergessen sind.“

Hoda betont die Bedeutung von Sicherheit, der Möglichkeit, ihren Glauben frei zu leben, und der Versorgung mit Grundbedürfnissen wie Wasser und bezahlbarem Wohnraum. „Wir brauchen auch Klarheit darüber, wie die Rebellen gegenüber christlichen Organisationen, Kirchen und anderen Einrichtungen wie christlichen Schulen stehen werden. Das ist noch völlig ungewiss.“

Auf dem Weltverfolgungsindex 2024 steht Syrien an 12. Stelle unter den Ländern, in denen Christen am stärksten wegen ihres Glaubens verfolgt werden.

Quelle: Open Doors

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