Im Interview Katrin Stoll – Inhaberin des Auktionshauses NEUMEISTER in München

Sie führen eines der renommiertesten Auktionshäuser für Kunst in der Bundesrepublik, und sind seit 2008 alleinige Geschäftsführerin und Inhaberin. Wie kann man sich die Arbeit eines Aktionshauses vorstellen?

Ein Aktionshaus ist ein Marktplatz. Auf diesem wird die Ware „Kunst“ angeboten und zum jeweiligen Tageswert gehandelt. Dabei gibt es konjunkturelle und Zeitgeistschwankungen. Genau diese Schwankungen machen das Spannende an unserem Beruf aus, weil letztendlich immer das Kunstobjekt im Mittelpunkt steht, da es sich manchmal um nicht ganz ausrecherchierte Kunstobjekte handelt. Viele Disziplinen, wie an der Börse auch, spielen hierbei zusammen. Bei uns ist es insbesondere das Fiskalpolitische und das Geisteswissenschaftliche. Ergänzt wird dieses interdisziplinäre Arbeiten durch die Zusammenarbeit mit vielen führenden Kunstexperten in der ganzen Welt.

Arbeiten die Aktionshäuser eigentlich zusammen, oder gibt es eine starke Konkurrenz und ein gemeinsames Kooperieren ist dadurch nicht möglich?

Beides trifft zu. Selbstverständlich versucht man kollegial zu sein. An erster Stelle steht bei NEUMEISTER der Kunde und die optimale Beratung. Wenn bestimmte Kunstwerke, beispielsweise Briefmarken, an einem anderen Standort besser verkauft werden, empfehlen wir unseren Kunden dann natürlich die anderen Häuser, von denen wir wissen, dass unsere Kunden mit diesen speziellen Wünschen dort besser aufgehoben sind. Kundenbindung und Glaubwürdigkeit sind uns wichtiger als einmaliger Umsatz.
Seit Jüngstem, es war ein Kraftakt, der sich aber ausgezahlt hat, gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen den großen Auktionshäusern in München, gerade auf dem Sektor der Moderne. Wir koordinieren gemeinsam unsere Auktionstermine, damit auswärtige Kunden die Möglichkeit haben, die Vorbesichtungstermine und Auktionen direkt aufeinanderfolgend zu besuchen, so ersparen sie sich mehrfache Anreisen. Diese Leistung verstehen wir als Servicetool für unsere Kunden. Und die oft intensive Kooperation hat sich nicht nur im Hinblick auf den Kundenservice ausgezahlt.

Seit 2008 ist Rezession. Hat sich das Anlagebewusstsein in diesen unsicheren Zeiten verändert? Gibt es einen erneuten Trend, in Kunstwerke zu investieren?


In jedem Fall, nach den Entwicklungen im Immobilienbereich und beim Edelmetall sind die Kunstwerke wieder hoch gefragt. Was wir bundesweit und international allerdings feststellen, ist eine Verknappung im Angebotssektor. Viele Leute fragen sich, warum sie jetzt, bei den niedrigen Zinsen, verkaufen sollen und entscheiden sich lieber dafür, ihre Sachwerte zu behalten. Insgesamt gilt es festzustellen, dass die Rezession alle Kunsthändler getroffen hat. Andererseits werden, gerade in New York, wieder Kunstwerke zu Höchstwerten gehandelt. Bei den großen Werken bedeutender Künstler existiert derzeit hohe Investitionsbereitschaft – zumal die Kenner wissen, dass qualitätsvolle Kunstwerke in Zukunft weiter an Wert zulegen.


Welche Kunstart, Gattung, Stilrichtung und Epoche ist derzeit besonders gefragt, wo erzielt das Kunst- und Auktionshaus NEUMEISTER die besten Verkaufsergebnisse?

Es ist die Klassische Moderne, sie ist der Blue Chip. Demgegenüber hat die zeitgenössische Kunst spekulative Elemente, die nicht so gut berechenbar sind. Die Klassische Moderne hingegen, die im 20. Jahrhundert durch zwei Weltkriege dezimiert wurde, steht hoch im Kurs. Grund ist die „Knappheit des Materials“. Dezimiert wurden die Kunstwerke durch die Aktion „Entartete Kunst“ oder wie beim „Blauen Reiter“ dadurch, dass die Künstler zudem jung verstorben sind. Preistreiber nach wie vor sind Künstler wie Grosz, Beckmann und Kirchner, die durch ihre persönlichen Biografien einen internationalen Markt haben. Ob in Amerika oder in der Schweiz – der internationale Bekanntheitsgrad ist ein preistreibendes Moment. Neben der Romantik ist der „Blaue Reiter“ der Expressionisten eine Künstlergattung, die übernational gut repräsentiert ist – deswegen sind hier auch besonders hohe Wertzuwächse zu verzeichnen.

Bei vielen Firmen, insbesondere bei großen deutschen Unternehmen, wird die NS-Vergangenheit zumeist totgeschwiegen. Sie sind einen anderen Weg gegangen und haben die Geschichte Ihres Hauses in der Naziherrschaft penibel untersuchen lassen. Was hat Sie dazu bewogen?

Ich habe die Beispiele von Flick, Thyssen, Quandt, Krupp studieren dürfen. Seit der Übernahme von NEUMEISTER im August 2008, zu einer Zeit, als in Amerika die Subprime-Krise begann und auch ich mit dem neugekauften Auktionshaus von der Rezession getroffen wurde, wollte ich reinen Tisch mit der Vergangenheit machen. Die Zeit der Übernahme war schwer und ein Neuanfang – auch in Distanz zu Herrn Weinmüller – war für mich unbedingt geboten. Insofern gehörte die Provenienzforschung für mich zu einem Neuanfang dazu.

Kunst und Fälschertum sind oft nicht weit voneinander entfernt, kommt es oft vor, dass Ihnen Fälschungen – bewußt oder unbewußt – angeboten werden?

Natürlich kommt dies vor. In jedem Bereich, wo viel Geld umgesetzt wird, gibt es Trittbettfahrer, die mit unlauteren Methoden arbeiten. Dagegen setze ich, was vielleicht betriebwirtschaftlich nicht effizient ist, auf ein großes Expertenteam. Ich habe 20 Kunsthistoriker im Haus. Natürlich könnte man Auktionen auch mit weniger kunsthistorischem Potential durchführen, aber ich könnte nicht schlafen, ich hätte immer Sorge, dass ein einzelner Fall eine enorme Wirkung haben könnte. Damit würde ich die Marke ruinieren. Auch hier gilt: mir ist es wichtiger, den Wert der Firma zu wahren als auf einen einmaligen Umsatz zu spekulieren.
Die Expertisen müssen auf alle Fälle sauber sein, sobald etwas nicht eindeutig durchschaubar oder belegbar ist, woher das Kunstwerk stammt, also gewisse Eigenschaften nicht belegbar sind, nehme ich Abstand. Insofern arbeiten wir eng mit den einzelnen Archiven zusammen, diese Archive, wie zum Beispiel das Kirchner- oder Klee-Archiv haben detailgenaue Informationen, kennen die Briefwechsel, wissen über Datierungen Bescheid, haben internes Wissen, das sie nicht preisgeben, um es Fälschern nicht zu einfach zu machen. Bei Fällen, wo die Herkunft nicht klar ist, müssen wir laut einem Urteil vom Bundesgerichtshof eng mit den Fachexperten zusammenarbeiten. Letztendlich liegt es bei den Archiven über die Echtheit zu entscheiden – nicht zuletzt auch, damit wir selbst aus der Haftung herausgenommen werden. Für Kunstwerke aus dem 20. Jahrhundert gilt generell, dass sie belegbar sein müssen, wenn dies nicht der Fall ist, bieten wir diese gar nicht an.

Ist der Beruf der Auktionatorin vergleichbar mit dem Beruf des Dirigenten? Sie stehen am Pult und dirigieren den Saal.

Die Auktion hat für mich ein starkes psychologisches Element. Im Saal gibt es eine starke emotionale Situation, da auch Nachlass, Schulden und Scheidungen zu Verkäufen führen. Der Verkäufer steht also unter Umständen unter einer großen emotionalen Belastung. Dies gilt nicht nur für ihn, sondern auch für die Käufer und Marktbeobachter. Diese emotionale heterogene Stimmung im Saal zu führen und zu koordinieren, bestmöglich auszuspielen, ist die Aufgabe des Auktionators. Dabei gilt es, hochprofessionell zu bleiben und Niederlagen wegzustecken, dies macht den Reiz aus, insofern, gleichwohl ich beim produktiven Akt keine Rolle spiele, ist diese Situation mit dem eines Dirigenten vergleichbar. Allerdings hat er den Vorteil, dass er sein Orchester gut kennt, bei den Käufern und Verkäufern ist das „dirigieren“ oft nicht so leicht.

Seit wann ist es eigentlich möglich, am Telefon zu bieten?

Seit es die mobilen Telefone gibt. Aufgrund der Globalisierung sind die Leute nicht mehr vor Ort, sondern das Bieterverhalten hat sich dahingehend verändernd, das das Kaufen immer öfter telefonisch geschieht. Eine Vielzahl unserer Kunden kommt nach wie vor zur Vorbesichtigung, der Kauf aber läuft dann per Telefon. Seit unseren ersten Onlineaktionen dachten wir, dass wir die Stühle im Auktionshaus reduzieren müssten, da wir davon ausgingen, dass das Publikum weniger wird. Aber derzeit zeichnet sich ein umgekehrter Trend ab. Der Auktionssaal ist wieder voll – insbesondere mit Marktbeobachtern.

Wer ist ihre Zielgruppe

Unsere Zielgruppe sind nicht die Vorstände der Dax-Unternehmen, sondern der bürgerliche Mittelstand, das Bildungsbürgertum, Geschäftsleute und Freiberufler, die alle knallhart rechnen, weil es sich beim Auktionshaus eben um einen Börsenplatz handelt. Mit dem Zuschlag in der Auktion wissen unsere Kunden den Warenwert bezogen auf einen exakt definierten Zeitpunkt. Und eine so geringe Marge von 27 Prozent, in der noch die 19 Prozent Mehrwertsteuer eingeschlossen sind, finden Sie sonst kaum.

Beschränkt sich Ihr Umsatz auf München?

München ist der Ort mit den meisten Auktionshäusern in Deutschland, aber durch das Internet, durch die europäische Harmonisierung, haben wir enorm profitiert. Insofern ist für uns der gesamteuropäische Markt wichtig. Der Versand hat zugenommen dank Internet und Globalisierung, manchmal geht es bei uns in der Logistik schon fast wie bei Amazon zu.

Herzlichen Dank für das Gespräch, das Monika Frfr. v. Pölnitz-Egloffstein und Dr. Dr. Stefan Groß führten.

Die nächste Auktion ALTE KUNST findet am 18. September 2013 in München statt. Gerne möchten wir auf die Auktion Schloss Teisbach am 16. Oktober 2013 hinweisen.
Mehr zum Kunstauktionshaus NEUMEISTER, wie auch zu den Auktionen unter: www.neumeister.com

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