Viele deutsche Ökonomen sehen die neue Grundrente zur Aufstockung der Altersbezüge, die nach jüngsten Beschlüssen zum Großteil über eine Finanztransaktionssteuer finanziert werden soll, kritisch. Das ist das Ergebnis des aktuellen ifo-FAZ-Ökonomenpanels, einer regelmäßigen Befragung vom Münchener ifo Institut und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter Professoren an deutschsprachigen Universitäten, an der 100 Ökonomen und Ökonominnen teilgenommen haben.
„Das Rentenpaket ist kontraproduktiv und allenfalls sinnvoll, um
Wählerstimmen zu gewinnen“, stellt ifo-Ökonom Niklas Potrafke fest.
„Profitieren werden Rentenbezieher, die das Geld nicht wirklich nötig
haben“, sagt sein ifo-Kollege Joachim Ragnitz, der die Studie mit
koordiniert hat. Der Kabinettsbeschluss von Union und SPD sieht eine
Aufstockung für all jene vor, die 35 Jahre in die Rentenkasse
eingezahlt, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben, aber auf
Ansprüche von weniger als 80 Prozent eines Durchschnittsverdieners
kommen. Bis zu 400 Euro beträgt der monatliche Zuschlag, der das
Einkommen deutlich von der Grundsicherung abhebt. 1,2 bis 1,5 Millionen
Rentner dürften in den Genuss dieser Umverteilung kommen.
Viele
Ökonomen sehen kritisch, dass statt der Vermögensprüfung nun nur eine
Einkommensprüfung vorgesehen ist. So könnten künftig sogar Wohlhabende
Grundrente beziehen. 56 Prozent der Teilnehmer halten dieses Vorgehen
für falsch. Nur 23 Prozent halten eine Einkommensprüfung für
ausreichend, und 11 Prozent raten z.B. aus Sorge vor einem
Bürokratiemonster zum Verzicht auf jedwede Prüfung.
Die Höhe der
Grundrente weniger stark an der Höhe der eingezahlten Beiträge zu
orientieren, hält eine knappe absolute Mehrheit der Teilnehmer für
falsch. Nur ein Drittel der Teilnehmer befürwortet das. Viele Rentner
bekämen sonst zu wenig Rente, heißt es in den Begründungen der
Befürworter. „Das Risiko wachsender Altersarmut wird oft überschätzt“,
hält dem der Bochumer Finanzwissenschaftler Martin Werding, der die
Umfrage mit koordiniert hat, entgegen. Zwar gebe es dieses Risiko, nur
gehe die Grundrente daran praktisch völlig vorbei. „Hier werden
Versicherung und Umverteilung so vermischt, dass eher neue
Ungerechtigkeiten entstehen, das Problem steigender Altersarmut aber
weitgehend ungelöst bleibt“, erklärt Werding.
Auch hinter der
Finanzierung sehen Ökonomen noch viele Fragezeichen. „Die Verbindung der
Grundrente mit der Finanztransaktionssteuer ist nicht zielführend“,
sagt Dominika Langenmayr, Inhaberin des Lehrstuhls für
Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft an der Katholischen
Universität Eichstätt-Ingolstadt. Die Bekämpfung der Altersarmut habe
nichts mit der Besteuerung des Finanzsektors zu tun und sollte nicht
daran geknüpft werden.
Zur Befragung:
ifo-FAZ-Ökonomenpanel Dezember 2019