Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, hat sich für eine
längere Frist beim Freihandelsabkommen der EU mit Großbritannien
ausgesprochen. „Alles spricht dafür, dass es sehr schwer sein wird,
innerhalb von elf Monaten ein Abkommen zu erreichen. Die britische
Regierung sollte daher den Plan aufgeben, die Übergangszeit Ende 2020
auch dann zu beenden, wenn für das Erreichen eines Freihandelsvertrags
ein oder zwei Jahre mehr erforderlich sind“, erklärte Fuest am
Donnerstag in München.
„Das Vereinigte Königreich
bestreitet rund die Hälfte seines Außenhandels mit der EU, umgekehrt
sind es nur neun Prozent. Handelshemmnisse schaden aber beiden Seiten“,
fügte Fuest hinzu. Nach Schätzungen des ifo Instituts würde ein
Freihandelsabkommen das britische Bruttoinlandsprodukt dauerhaft um mehr
als ein Prozent erhöhen. Für die EU läge der Gewinn bei rund 0,2
Prozent. Bei diesen Berechnungen handele es sich um konservative
Schätzungen, weil Auswirkungen auf Wettbewerbsintensität und
Innovationen nicht einberechnet seien.
Eine Zollunion mit einheitlichen Zöllen zu Drittländern schließe das Vereinigte Königreich explizit aus, es wolle eine eigene Handelspolitik verfolgen. „Das ist schade, denn eine Zollunion würde den Handel erheblich erleichtern“, sagte Fuest. Vor allem wäre es überflüssig, Ursprungsnachweise zu verlangen, die zeigten, dass Produkte, die etwa aus der EU nach Großbritannien exportiert werden, tatsächlich in der EU hergestellt wurden und nicht über die EU aus Drittländern importiert sind.
Als Stolperstein könne sich die Forderung nach einem „Level Playing
Field“ erweisen. Die EU hat die Sorge, dass das Vereinigte Königreich
sich durch gezielte Steuervorteile für Unternehmen oder durch
Deregulierung im Finanzsektor Vorteile verschaffe, erklärte Fuest. Das
Vereinigte Königreich seinerseits befürchte überbordende Sozialstandards
der EU, die auf der Insel die wirtschaftliche Dynamik lähmen könnten.
Protektionistische Interessen auf beiden Seiten könnten die Forderung
nach einem „Level Playing Field“ missbrauchen, um das
Freihandelsabkommen zu torpedieren.